Rechtsprechung Bayern

Verbot der mehrfachen Unterstützung von Wahlvorschlägen mit Bayerischer Verfassung vereinbar?

©sepy - stock.adobe.com
Amtlicher Leitsatz:

Wegen Wiederholung unzulässige Popularklage gegen das Verbot im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz, bei neuen Wahlvorschlagsträgern verschiedene Wahlvorschläge oder einen Wahlvorschlag mehrfach zu unterstützen.

BayVerfGH, Entscheidung vom 21.12.2023, Vf. 22-VII-19

Zum Sachverhalt:

Gegenstand der Popularklage vom 4. Dezember 2019, die mit Schriftsätzen vom 30. Dezember 2019 und 12. Juli 2020 ergänzt worden ist, ist die Frage, ob das in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzes über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl. S. 834, BayRS 2021 -1/2-I), das zuletzt durch § 5 des Gesetzes vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74) geändert worden ist, enthaltene Verbot, verschiedene Wahlvorschläge oder einen Wahlvorschlag mehrfach zu unterstützen, mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist.

Die angegriffene Norm und damit zusammenhängende Normen lauten in der aktuellen (bis zum 31.12.2023 geltenden) Fassung auszugsweise wie folgt:

Art. 22

Wahlrechtsgrundsätze

(1) Die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder und die Kreisräte werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl nach den Grundsätzen eines verbesserten Verhältniswahlrechts gewählt.

Art. 24 Wahlvorschlagsrecht

(1) Wahlvorschläge können von Parteien und von Wählergruppen eingereicht werden (Wahlvorschlagsträger). Wählergruppen sind alle sonstigen Vereinigungen oder Gruppen natürlicher Personen, deren Ziel es ist, sich an Gemeinde- oder an Landkreiswahlen zu beteiligen. Neue Wahlvorschlagsträger sind Parteien und Wählergruppen, die im Gemeinderat oder im Kreistag seit dessen letzter Wahl nicht auf Grund eines eigenen Wahlvorschlags ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag vertreten waren.

(3) … Der Wahlvorschlagsträger hat nach Aufforderung dem Wahlleiter mitzuteilen, für welchen Wahlvorschlag er sich entscheidet, falls ein Mehrfachauftreten festgestellt wird; unterlässt er diese Mitteilung oder widersprechen sich die Mitteilungen, sind die Wahlvorschläge für ungültig zu erklären.

Art. 25

Inhalt und Form der Wahlvorschläge

(1) Jeder Wahlvorschlag muss von zehn Wahlberechtigten unterschrieben sein, die am 41. Tag vor dem Wahltag wahlberechtigt und nicht sich bewerbende Personen oder Ersatzleute eines Wahlvorschlags sind. Jede Person darf nur einen Wahlvorschlag unterzeichnen; Art. 24 Abs. 3 Satz 5 gilt entsprechend.

Art. 27

Unterstützung von Wahlvorschlägen

(1) Wahlvorschläge von neuen Wahlvorschlagsträgern müssen über die nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 erforderlichen Unterschriften hinaus von weiteren Wahlberechtigten unterstützt werden.

Art. 28

Eintragung in Unterstützungslisten, Eintragungsscheine

(2) Wahlberechtigte, die einen Wahlvorschlag unterstützen wollen, haben sich dazu in der Gemeinde, in der sie spätestens am letzten Tag der Eintragungsfrist wahlberechtigt sind, in Unterstützungslisten einzutragen; ausgeschlossen sind sich bewerbende Personen und Ersatzleute von Wahlvorschlägen sowie Wahlberechtigte, die sich in eine andere Unterstützungsliste eingetragen oder einen Wahlvorschlag unterzeichnet haben. Art. 24 Abs. 3 Satz 5 gilt entsprechend. Die Zurücknahme gültiger Unterschriften ist wirkungslos.

Bis zum 31. März 2018 enthielt das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz folgende Regelung zu Listenverbindungen:

Art. 26

Verbindung von Wahlvorschlägen

Die Verbindung von Wahlvorschlägen (Listenverbindung) ist zulässig, wenn alle Wahlvorschläge in gleicher Weise untereinander verbunden sind. Die Listenverbindung ist auf dem Stimmzettel kenntlich zu machen.

Der Verfassungsgerichtshof hat am 15. Februar 1996 (VerfGHE 49, 11) eine Popularklage als unbegründet abgewiesen, mit der unter anderem die Verfassungswidrigkeit der inhaltlich identischen Vorgängerregelung der von den Antragstellern angegriffenen Norm geltend gemacht worden war. Er hat unter Verweis auf seine vorangegangene Entscheidung vom 18. Juli 1995 (VerfGHE 48, 61) ausgeführt, das Verbot, „sich in mehrere Unterstützungslisten einzutragen (Art. 25 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Art. 23 Abs. 1 Satz 5 GLKrWG [a. F.])“ sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem Erfordernis des Vorliegens einer bestimmten Zahl von Unterstützungsunterschriften gehe es darum, den Wahlakt auf ernsthafte Bewerber zu beschränken, indem nur solche politischen Gruppierungen zur Wahl zugelassen würden, die einen hinreichenden Rückhalt in der Bevölkerung besäßen. Die Erreichung dieses Ziels wäre nicht mehr gewährleistet, wenn ein Bürger sich in mehrere Unterstützungslisten eintragen dürfte. Denn dann wäre es nicht mehr sicher, ob jeder der betroffenen Wahlvorschlagsträger für sich gesehen den erforderlichen Rückhalt in der Bevölkerung habe. Zwar könne bei der Wahl selbst die stimmberechtigte Person innerhalb der ihr zustehenden Stimmenzahl ihre Stimmen sich bewerbenden Personen aus verschiedenen Wahlvorschlägen geben. Die Wahlvorbereitung und die Wahl seien aber voneinander zu unterscheiden. Bei der Wahlvorbereitung habe der Gesetzgeber – neben der Begrenzung der Wahl auf ernsthafte Bewerber – auch dafür zu sorgen, dass die Wahlhandlung transparent und leicht handhabbar sei und dass die technische Durchführung der Wahl (rasche und zuverlässige Stimmenauswertung) erleichtert werde. Bei der Wahl selbst träten dagegen andere Gesichtspunkte in den Vordergrund, wie zum Beispiel die Besonderheiten bei einer Persönlichkeitswahl, die mit einer Listenwahl verbunden sei. Diese Unterschiedlichkeit der beiden Vorgänge „Wahlvorbereitung“ und „Wahl“ rechtfertige die gesetzgeberische Entscheidung, die Fragen der mehrfachen Unterstützungsunterschriften bei der Wahlvorbereitung in einem anderen Sinn zu lösen als die Stimmenvergabe für verschiedene Wahlvorschläge bei der Wahl selbst.

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern Heft 7/2024, S. 227 ff.