Hiermit befasste sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) im unten vermerkten rechtskräftigen Urteil vom 31.10.2023.
Folgender Sachverhalt lag zu Grunde:
Der Antragsteller wendet sich als Eigentümer von Wohnungen im Stadtgebiet von N., die er teilweise an Feriengäste vermietet, mit einem Normenkontrollantrag gegen die Satzung der Stadt N. über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung – ZwEVS). Die Satzung sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.
Der Normenkontrollantrag blieb weitgehend ohne Erfolg. Dem Urteil des VGH entnehmen wir:
1. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Zweckentfremdungsgesetz (ZwEWG) und die mit ihr im Zusammenhang stehenden weiteren Regelungen des ZwEWG sind mit höherrangigem Recht vereinbar
„Sie verstoßen insbesondere nicht gegen Art. 14 GG…und gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Die Ermächtigung zum Erlass eines Zweckentfremdungsverbots für Wohnraum ist durch den Gestaltungsauftrag des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gerechtfertigt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers ausreichend gewahrt. Der Eigentümer von vermieteten Wohnungen behält eine Rendite in Höhe der vertraglichen Miete, der Kostenmiete oder der ortsüblichen Vergleichsmiete; er hat die Möglichkeit, in besonders gelagerten Fällen eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten. Aufgehoben wird im Grunde nur die Möglichkeit des Verfügungsberechtigten, jede sich bietende Chance zu einer günstigeren Verwertung seines Eigentums sofort und maximal auszunutzen. Diese Möglichkeit aber ist, bei gegebener unzureichender Versorgungslage, verfassungsrechtlich nicht geschützt …Darauf hinzuweisen ist, dass der Grundstückseigentümer das Recht zum Bau einer Wohnung auf einem zunächst unbebauten Grundstück auch nur in Anwendung der Inhaltsbestimmung von Eigentum durch die staatliche Gesetzgebung (vgl. §§ 34 und 35 BauGB) oder durch die örtliche Bauleitplanung (vgl. § 30 BauGB) bekommen hat. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist bei der Beschränkung der Nutzung von Wohnraum zu anderen Zwecken entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verletzt, zumal der Wohnungseigentümer zur Vermeidung einer Unverhältnismäßigkeit im Einzelfall eine Ausnahmegenehmigung erhalten kann.“
2. Eine Zweckentfremdungsverbotssatzung muss nicht formell begründet werden
„Eine Pflicht zur formellen Begründung einer Zweckentfremdungsverbotssatzung ist gesetzlich nicht normiert. Sie ist auch nicht ausnahmsweise insbesondere im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4GG verfassungsrechtlich geboten. Für die Rechtmäßigkeit von untergesetzlichen Normen kommt es grundsätzlich nur auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens an, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive bei ihrem Erlass…Das gilt insbesondere auch für Satzungen, die kommunale Kollegialgremien erlassen … Soweit der Normgeber zur Regelung einer Frage überhaupt befugt ist, ist seine Entscheidungsfreiheit eine Ausprägung des auch mit Rechtssetzungsakten der Exekutive oder der Selbstverwaltungskörperschaft typischerweise verbundenen normativen Ermessens (vgl. Art. 1 Satz 1 ZwEWG: ,Gemeinden können‘). Die Grundsätze über die Ausübung des Ermessens beim Erlass von Verwaltungsakten sind auf die Ausübung dieses Ermessens nicht übertragbar …Die Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm kann folglich, sofern sich aus dem Gesetz nicht ausnahmsweise – wie etwa bei der Bauleitplanung (vgl. § 2 Abs. 3, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) – etwas anderes ergibt, nicht aus Mängeln im Abwägungsvorgang hergeleitet werden …; entscheidend ist vielmehr allein die inhaltliche Übereinstimmung mit höherrangigem Recht…
Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Begründung einer Norm lässt sich nicht mit einem Grundrechtseingriff, dem Erfordernis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung und einer Abwägung rechtfertigen. Sie lässt sich insbesondere nicht aus dem sog. Elfes-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/ 56 – BVerfGE 6, 32 = juris Rn. 41) herleiten (a.A. BayVGH, Beschluss vom 3.6.2022 – 12 N 21.1208 Rn. 26 ff., dort nicht entscheidungserheblich); bei dem Urteil ging es nicht um eine unterlandesgesetzliche Norm, sondern um einen Verwaltungsakt, der die Verlängerung eines Passes ablehnte. Eine Begründungspflicht kann auch nicht aus der Rechtsstaatsgarantie des Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet werden …
Es dürfte im Übrigen ohnehin gängige Praxis sein, dass die wesentlichen Informationen (,Gesetzesmaterialien‘) öffentlich, zum Beispiel im Internet, verfügbar sind. Die Information der Rechtsbetroffenen und der Öffentlichkeit über die Motive bei Satzungserlass ist auch damit gewährleistet. So macht die Antragsgegnerin hier auch geltend, dass sämtliche Unterlagen zur Zweckentfremdungsverbotssatzung in ihrem Ratsinformationssystem allen zur Verfügung stehen. Ferner bestehen auch weitgehende Informationsfreiheitsrechte nach kommunalen Satzungen oder gemäß Art. 39 BayDSG.“
3. Besondere Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen
„Die von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG verwendeten Begriffe ,ausreichende Versorgung‘ und ,zu angemessenen Bedingungen‘ entsprechen den Begriffen in Art. 6 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (MRVerbG) … Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verweisen diese Begriffe nicht auf einen wünschbaren Idealzustand, sondern auf die Sicherstellung des Normalen, da eine Beeinflussung des Wohnungsangebots mit dem Mittel des Genehmigungsvorbehalts nur in besonders gefährdeten Gemeinden einsetzen soll. Mit ,ausreichender Versorgung‘ ist daher nur ein annäherndes Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage gemeint, nicht aber ein – kurzfristig vielleicht erstrebenswertes – preisdrückendes Überangebot.
Angestrebt wird ferner nicht ein Angebot von Wohnungen besonders gehobener oder besonders einfacher Größe und Ausstattung, sondern von Wohnungen, wie sie dem allgemein für Wohnungen der entsprechenden Gegend und Lage anzutreffenden Standard entsprechen. ,Angemessene Bedingungen‘ bedeutet nicht außergewöhnlich niedrige Mieten, sondern Mieten, die – für Wohnungen der entsprechenden Art – von einem durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmerhaushalt allgemein, d.h. auch außerhalb der besonders gefährdeten Gebiete, tatsächlich aufgebracht werden, und zwar einschließlich der vom Staat gewährten finanziellen Hilfen …
Die in der gleichen Weise zu verstehende Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG muss nach dem Wortlaut der Vorschrift ,besonders gefährdet‘ sein. Verlangt wird damit kein bestimmtes quantitatives Maß der Unterversorgung.
Wesentlich ist vielmehr, ob eine Gemeinde durch sachliche Eigenarten gekennzeichnet wird, die geeignet sind, den Wohnungsmarkt für breitere Bevölkerungsschichten negativ zu beeinflussen und ihm so eine spezifische Labilität vermitteln. Sachliche Besonderheiten in diesem Sinne pflegen vor allem in Ballungsräumen, in Industriestädten, Städten mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktionen sowie (bei entsprechenden Größenverhältnissen) in Universitätsstädten vorzuliegen …
Für eine besondere Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen gibt es verschiedene Indizien.
Umstände, die für eine besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen sprechen, sind insbesondere, dass die Kaufpreise und Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, sowie geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht (vgl. die Aufzählung von Umständen, die auf eine besondere Gefährdung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen hinweisen, in § 556d Abs. 2 Satz 3 BGB).
Solche Umstände sind im Fall der Antragsgegnerin gegeben.“
Den vollständigen Beitrag lesen sie in Die Fundstelle Bayern 16/2024, Rn. 176.