Rechtsprechung Bayern

Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz

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Art. 65, 68 BayBO; Art. 42a BayVwVfG; Art. 6 BayDSchG (Genehmigungsfiktion; Ablehnungsbescheid; wirksamer Verwaltungsakt; Aufhebung der Ablehnung; Wiederaufleben der Fiktionsfrist; andere öffentlich- rechtliche Anforderungen; Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz; Versagungsermessen; nachgeschobene Ermessenserwägungen; gewichtige Gründe)

Nichtamtliche Leitsätze:
  1. Die Fiktionswirkung des Art. 68 BayBO tritt nicht ein, wenn innerhalb laufender Frist eine Entscheidung ergeht. Auf deren Wirksamkeit oder Vollziehbarkeit kommt es nicht an.
  2. Ist in einem Verfahren eine Entscheidung getroffen worden, lebt die Fiktionsfrist auch dann nicht wieder auf, wenn diese Entscheidung wieder aufgehoben wird.

VG Augsburg, Urteil vom 14.03.2024, Au 5 K 23.933

(rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt für ein Einzelbaudenkmal die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung des zweiten Dachgeschosses zu Wohnraum unter Einbau von vier Fenstern in die Dachfläche.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flur-Nr. 1 der Gemarkung G, das mit einem Einzelbaudenkmal bebaut ist. Sie beantragte bei der Beklagten (Bauantrag eingegangen am 08.12.2021) die Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau von vier so genannten Lackerfenstern (großflächige Lamellenfenstern) und Nutzungsänderung der zweiten Dachgeschossebene von Speicher- zu Wohnraum.

Bereits im Jahr 2021 hatte die Klägerin die Baugenehmigung zum Ausbau des Dachgeschosses in zwei Wohneinheiten und Anbau von Balkonen sowie Errichtung einer Gaube erhalten. Die im Verfahren beteiligte Fachstelle der Beklagten „Untere Denkmalschutzbehörde“ teilte in ihrer Stellungnahme vom 3. Februar 2022 mit, die streitgegenständliche Planung sei dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) vorgestellt worden, das sich wie folgt denkmalfachlich geäußert habe:

Das Baudenkmal B-Straße 9 ist mit folgendem Text in die Denkmalliste eingetragen: „Ehemaliges Postgebäude, zweigeschossiger, giebelständiger Satteldachbau mit vorgesetztem, halbrundem Treppenhaus im Süden und östlich erdgeschossigem Anbau mit Satteldach, Blankziegel, von G W und H G, 1931; Ummauerung und Wartehalle, gleichzeitig.“

Weiter führt die Fachstelle aus, das überlieferte Erscheinungsbild des Denkmals werde ganz wesentlich von einem hochaufragenden, steilen Satteldach geprägt, da es eine geschlossene Ziegeldeckung aufweise, die nur im ersten Dachgeschoss von wenigen Satteldachgauben und im Bereich des an der Südseite vorspringenden Treppenturms unterbrochen ist. Im Rahmen eines dem jetzigen Antrag vorausgegangen Verfahrens zum Ausbau des Daches habe das Bayerische BLfD bereits weitrechende Zugeständnisse gemacht. Mit dem nun darüber hinaus geplanten Ausbau des Daches, insbesondere jedoch mit dem Einbau großflächiger Lamellenfenster in die Dachhaut, bestehe aus denkmalfachlicher Sicht kein Einverständnis. Die gewünschten Verglasungen würden in der bislang weitgehend geschlossenen Dachhaut störend wirken und das Erscheinungsbild und die Wirkung des Baudenkmals erheblich beeinträchtigen, zumal die südliche Dachfläche von der BStraße und von der G-Straße aus voll einsehbar sei. Die vorgelegte Planung müsse aus Sicht des BLfD abgelehnt werden. Die vom BLfD vorgetragenen denkmalfachlichen Belange seien zutreffend.

Das Gebäude sei genutzt und sein Erhalt damit wirtschaftlich gesichert, in der Vergangenheit seien für Nutzungs- und Veränderungswünsche der Eigentümerin bereits weitgehende Zugeständnisse gemacht worden. Die beantragte Maßnahme würde das Baudenkmal in seiner Wirkung erheblich beeinträchtigen, der Antrag sei deshalb aus der Sicht der Unteren Denkmalschutzbehörde abzulehnen.

Mit Bescheid vom 8. März 2022 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für das beantragte Vorhaben ab.

Mit Schreiben vom 6. April 2022 ließ die Klägerin Klage erheben.

Die Berichterstatterin führte am 14. Dezember 2022 einen nichtöffentlichen Augenscheinstermin durch. Im Rahmen der zum Klageverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2023 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. März 2022 auf, nachdem die Kammer darauf hingewiesen hatte, dass einiges dafür spreche, dass der Bescheid die Anforderungen an die Ausübung des der Behörde nach Art. 6 Bayerisches Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) eröffneten Ermessens nicht ausreichend erfülle und überdies auch ein Ermessensausfall in Betracht komme.

Im Nachgang ließ die Klägerin auf Anfrage der Beklagten mitteilen, sie halte an dem Bauantrag fest und bitte um einen Gesprächstermin, um eine einvernehmliche Lösung zu finden; gegebenenfalls wünsche sie den Erlass eines rechtmittelfähigen Bescheids.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Mai 2023 wurde der Antrag vom 8. Dezember 2021 auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Einbau von vier Lackerfenstern und Nutzungsänderung der zweiten Dachgeschossebene von Speicher- zu Wohnraum“ abgelehnt.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2023, bei Gericht eingegangen am 15. Juni 2023, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen: 1. Den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2023 aufzuheben, 2. Die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin zu ihrem Bauantrag vom 10. Januar 2022 eine Fiktionsbescheinigung nach Art. 42 Abs. 3 BayVwVfG i. V. m. Art. 68 Abs. 2 BayBO auszustellen, 3. Hilfsweise: Die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung erneut unter Berücksichtigung der Rechtssauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 16/2024, S. 566.