Rechtsprechung Bayern

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) befasste sich in seinem unten vermerkten Beschluss vom 15.1.2024 mit verallgemeinerungsfähigen Fragen im Zusammenhang mit der Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts (Art. 39 BayNatSchG) durch die staatliche Kreisverwaltungsbehörde (Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO) zugunsten einer kreisangehörigen Gemeinde. Dabei wurde die Spezialregelung des Art. 39 BayNatSchG zu Erkenntnissen aus dem „allgemeinen“ Verwaltungsrecht in Beziehung gesetzt.

Streitgegenständlich war ein Bescheid, mit dem eine Kreisverwaltungsbehörde das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht zugunsten einer kreisangehörigen Stadt ausgeübt hatte. Gegen diesen Bescheid erhob der Käufer eine Anfechtungsklage, die das Verwaltungsgericht abwies. Den dagegen vom klagenden Käufer gestellten Antrag, die Berufung zuzulassen, hat der VGH abgelehnt. Seinem Beschluss ist u.a. Folgendes zu entnehmen:

1. Die Frist für die Ausübung des „naturschutzrechtlichen“ Vorkaufsrechts wird erst durch die Mitteilung eines (vollständigen) Kaufvertrags gegenüber der unteren Naturschutzbehörde ausgelöst

„Nicht zur Berufungszulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führt die klägerische Kritik an der verwaltungsgerichtlichen Annahme, die Kreisverwaltungsbehörde habe die zweimonatige Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts (Art. 39 Abs. 7 i.V.m. § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB) gewahrt. Entgegen der klägerischen Einschätzung, wonach bereits das notarielle Schreiben vom 4.3.2021, mit dem der Kaufvertragsschluss dem Landratsamt im Hinblick auf ein denkbares naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht angezeigt wurde, die Ausübungsfrist in Lauf gesetzt habe, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass erst die Vorlage des vollständigen Kaufvertrags die Ausübungsfrist auslöst. Dies ist in der Senatsrechtsprechung (BayVGH, Urteil vom 8.12.2011 – 14 BV 10.559 – VGH n.F. 64, 247 Rn. 23 m.w.N.; dazu UA Rn. 24 a.E.) geklärt.

Soweit die Antragsbegründung den früheren Beginn der Ausübungsfrist für das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht daraus herleitet, dass das Landratsamt bereits mit Bescheid vom 10.3.2021 ein Negativzeugnis nach dem Grundstücksverkehrsgesetz ausgestellt habe, ohne sich insoweit zum naturschutzrechtlichen Vorkaufsrecht zu äußern, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen. Zum einen befasst sie sich nicht deutlich genug mit dem verwaltungsgerichtlichen Argument …, es sei weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich, dass der Behörde damals der ganze Kaufvertragsinhalt mitgeteilt worden sei. Soweit in der Antragsbegründung außerdem ausgeführt wird, innerhalb des Landratsamts sei nicht nach Sachgebieten zu differenzieren, was das Landratsamt auch selbst nicht getan habe, unterbleibt entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eine Auseinandersetzung mit der vom Verwaltungsgericht insoweit rezipierten Senatsrechtsprechung, nach der sehr wohl innerhalb des Landratsamts zwischen der für den Vollzug des Grundstücksverkehrsgesetzes zuständigen Stelle einerseits und der unteren Naturschutzbehörde andererseits zu differenzieren ist (BayVGH, Beschluss vom 28.10.2019 – 14 ZB 18.2060 – BayVBl 2020, 236 Rn. 14 f. m.w.N.) … Soweit die Antragsbegründung eine Zurechnung der Kenntnis zwischen Landratsamt und der Stadt, für die das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht vom Landratsamt ausgeübt wurde, annimmt, führt dies schon deshalb nicht zur Berufungszulassung, weil gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG die in § 469 Abs. 1 BGB vorgeschriebene Mitteilung gerade gegenüber der Kreisverwaltungsbehörde zu erfolgen hat, was dazu führt, dass nur eine solche die Ausübungsfrist des Landratsamts auslöst.“

2. Bei einer Vorkaufsrechtsausübung durch die Kreisverwaltungsbehörde zugunsten einer kreisangehörigen Gemeinde obliegt die Anhörungspflicht der Kreisverwaltungsbehörde, nicht der Gemeinde

„Nicht zur Berufungszulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führt die Rüge, der Kläger sei nicht ordnungsgemäß angehört worden (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG), weil der städtische Gremienbeschluss über das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht vom 21.7.2021 bereits erfolgt sei, bevor sich die Klägerbevollmächtigten am 28.7.2021 gegenüber dem Landratsamt im Rahmen einer vom Landratsamt eingeräumten Stellungnahmefrist geäußert hatten, wobei die Stadt mit Schreiben vom 3.8.2021 zum Ausdruck gebracht habe, dass sie auf diesen Anwaltsschriftsatz nicht mehr eingehen wolle. Diese Kritik berücksichtigt nicht hinreichend, dass gemäß Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nicht der Stadt, sondern ausschließlich dem Landratsamt als staatlicher Kreisverwaltungsbehörde (vgl. Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO) oblag, und zwar auch dann, wenn die Kreisverwaltungsbehörde (wie hier) ein der Stadt (gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG) zustehendes naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht zu deren Gunsten ausübt; in solchen Fällen obliegt der Stadt lediglich die Entscheidung darüber, ob sie gegenüber der Kreisverwaltungsbehörde eine Vorkaufsrechtsausübung (zu ihren Gunsten) ,verlangt‘ (vgl. Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayNatSchG).

Das eigentliche Verwaltungsverfahren (Art. 9 ff. BayVwVfG) zur Entscheidung über die Vorkaufsrechtsausübung mit Regelungswirkung gegenüber den Kaufvertragsparteien wird allein von der Kreisverwaltungsbehörde geführt, nicht aber von der Stadt. Vielmehr ist die Stadt insoweit – selbst wenn sie die Vorkaufsrechtsausübung verlangt – nur Verfahrensbeteiligte (Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG).

Dabei ist weder in Art. 39 BayNatSchG noch in Art. 28 BayVwVfG vorgeschrieben, dass Verfahrensbeteiligte sich zu Äußerungen anderer Verfahrensbeteiligter äußern oder solche Äußerungen für ihre eigenen Stellungnahmen berücksichtigen müssten. Vielmehr obliegt die Anhörung zur Vorkaufsrechtsausübung in solchen Fällen der staatlichen Kreisverwaltungsbehörde. Vor diesem Hintergrund ist ein etwaiger städtischer Gremienbeschluss nur die (stadtinterne) Grundlage für die städtische Stellungnahme gegenüber dem (staatlichen) Landratsamt bzw. für die Erklärung, eine Vorkaufsrechtsausübung zu ,verlangen‘, während der Verwaltungsakt über die Vorkaufsrechtsausübung selbst nicht auf einem kommunalen Gremienbeschluss beruht, sondern allein vom Landratsamt als staatlicher Kreisverwaltungsbehörde erlassen wird.

Beabsichtigt die zuständige staatliche Kreisverwaltungsbehörde, das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht (Art. 39 BayNatSchG) zugunsten einer kreisangehörigen Gemeinde auszuüben, und hört sie dazu die Kaufvertragsparteien an, so führt der Umstand, dass eine diesbezügliche Beschlussfassung des Gemeindegremiums – einschließlich des gemeindlichen Verlangens einer Vorkaufsrechtsausübung – bereits vor Ablauf der einer Kaufvertragspartei von der Kreisverwaltungsbehörde gesetzten sowie von der Kaufvertragspartei ausgeschöpften Äußerungsfrist erfolgt ist, also ihrerseits die Stellungnahme der Kaufvertragspartei nicht berücksichtigt hat, als solcher nicht zu einem Anhörungsverstoß, weil die Vorkaufsrechtsausübung und die diesbezügliche Anhörung (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG) nicht der kreisangehörigen Gemeinde obliegen.“

3. Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand gewährleisten die Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen

Der klagende Käufer rügte einen Ermessensfehler der Kreisverwaltungsbehörde, weil die Stadt bereits seit dem Jahr 2011 gegenüber dem verkaufenden Voreigentümer naturschutzrechtliche Pflichten (hier: Unterhaltung eines Biotops auf dem verkauften Grundstück) mittels einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gesichert, es aber zehn Jahre lang (seit Eintragung der Dienstbarkeit) unterlassen habe, auf deren Umsetzung hinzuwirken, was im Vergleich zur Vorkaufsrechtsausübung ein milderes Mittel gewesen wäre. Der Kläger meinte, es dürfe allgemein nicht pauschal angenommen werden, eine Privatperson sei im Hinblick auf Fachkenntnisse und Kosten nicht in gleicher Weise wie eine Behörde in der Lage, sich um ein Biotop zu kümmern, zumal die Gewerbe- und Wohneinheit des Klägers genau neben dem Grundstück liege, sodass der Kläger ein ganz erhebliches Eigeninteresse an einer im Sinn des Naturschutzes liegenden Nutzung dieses Grundstücks habe. Dieser Kritik hat sich der VGH aus folgenden Gründen nicht angeschlossen:

„Diese Argumentation lässt außer Acht, dass nach ständiger … Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (… BayVGH, Beschluss vom 26.7.2006 – 9 ZB 05.1233 – juris Rn. 20 und Urteil vom 11.8.1989 – 9 B 86.02748 – BayVBl 1990, 277) es eine allgemeine Erfahrungstatsache ist, dass Grundstücke im Eigentum der öffentlichen Hand die Verwirklichung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege besser und sicherer gewährleisten als Grundstücke in der Hand von Privatpersonen, deren privatnützige Interessen leicht in Konflikt mit den Anforderungen von Naturschutz und Landschaftspflege geraten können. Vielmehr setzt die Antragsbegründung dem nur ihre eigene gegenteilige Einschätzung entgegen, ohne sich mit der besagten ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auseinanderzusetzen. Schon aus diesem Grund sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des an diese Senatsrechtsprechung anknüpfenden verwaltungsgerichtlichen Urteils weder dargelegt noch erkennbar. Denn an einer Befassung mit dieser allgemeinen Erfahrungstatsache fehlt es auch, soweit der Kläger die Dienstbarkeitsbestellung im Jahr 2011 und die von ihm gerügte Nichtumsetzung bzw. Erweiterung des damaligen Konzepts in der Zeit danach betont. Es ist nämlich weder dargelegt noch ersichtlich, dass sich auch bei Zugrundelegung der besagten allgemeinen Erfahrungstatsache eine Umsetzung bzw. Erweiterung der Dienstbarkeit als milderes und ,gleichermaßen geeignetes‘ Mittel erweisen würden.“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 15.1.2024 – 14 ZB 22.1667

Beitrag entnommen aus Die Fundstelle Bayern 16/2024, Rn. 184.