Mit dem unten vermerkten Beschluss vom 17.4.2024 hat das Amtsgericht München (AG) eine Klage auf Erstattung der Kosten einer Notunterkunft gegen den Untergebrachten an das zuständige Verwaltungsgericht (VG) verwiesen.
Die Verpflichtung zur Unterbringung von Obdachlosen gehört zu der von der Gemeinde im eigenen Wirkungskreis zu vollziehenden Pflichtaufgabe, die öffentliche Sicherheit und Ordnung im örtlichen Bereich aufrechtzuerhalten. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) können die Gemeinden als Sicherheitsbehörden für den Einzelfall Anordnungen treffen, um Gefahren abzuwehren und Störungen zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen.
Dazu gehört, Obdachlosen eine vorübergehende Unterkunft einfacher Art zur Verfügung zu stellen, um eine konkrete Gefahr für deren Leben und Gesundheit bei fehlender Unterbringung, beispielsweise infolge der Witterung, abzuwenden. In erster Linie sollen Obdachlose in gemeindeeigenen oder der Gemeinde zur Verfügung stehenden Unterkünften (angemietete Wohnungen, Pensionen oder Gasthöfe) untergebracht werden.
Im vorliegenden Fall hatte sich der Beklagte an die nach Landesrecht zuständige Sicherheitsbehörde (Klägerin) für die Hilfe zur Vermeidung von Obdachlosigkeit gewandt. Diese hatte den Beklagten an ein Unternehmen vermittelt, das eine Notunterkunft anbot. Bereits im Vorfeld hatte die Klägerin im Rahmen einer Kooperation mit dem Unternehmen diesem mittels eines Rahmenvertrags Bezahlung zugesagt gegen die Abtretung von Ansprüchen aus zustande kommenden Verträgen zwischen dem Unternehmen und Untergebrachten. Die Klägerin war der Auffassung, dass ein solcher Vertrag zwischen dem Unternehmen und dem Beklagten zustande gekommen ist und es sich, weil es sich dabei um einen zivilrechtlichen Vertrag handle und dieser die Klage begründe, auch um eine zivilrechtliche Streitigkeit handle. Hintergrund dessen war, dass vor dem VG Klagen auf Kostenbeteiligung gegen Hilfebedürftige mangels Leistungsfähigkeit der Hilfebedürftigen wiederholt abgewiesen worden waren. Dem Beschluss des AG lässt sich Folgendes entnehmen:
1. Streitentscheidend ist auch bei Vorliegen eines zivilrechtlichen Vertrages das öffentlich-rechtliche Kostenrecht
„Auch dann, wenn ein Vertrag zwischen Unternehmen und Beklagtem zustande gekommen sein mag und die Entgeltansprüche aus diesem Vertrag an die Klägerin abgetreten wären, handelt es sich um eine nach öffentlichem Recht zu beurteilende Streitigkeit: Eine öffentlich-rechtlich zu beurteilende Rechtsstreitigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn Normen des öffentlichen Rechts streitentscheidend und so klagebegründend oder -versagend sein werden, denen nur ein Träger staatlicher Gewalt unterfällt. Dies ist hier der Fall, weil öffentlich-rechtliches Kostenrecht streitentscheidend sein wird.“
2. Vertrag zwischen dem Untergebrachten und dem die Notunterkunft bietenden Unternehmen?
„Der Vortrag der Klägerin dazu, dass erst vor Ort bei dem Obdach bietenden Unternehmen ein Vertrag zustande gekommen sei, ist rechtlich fraglich, weil dann, wenn sämtliche Informationen zu dem behaupteten Vertrag – Platz, Dauer, Kosten – von Klägerseite mitgeteilt wurden und bei Verlassen der Behörde klar war, dass entsprechend der Zuweisung durch die Klägerin die Beklagtenpartei bei Ankunft in der Unterkunft dort bereits einen Platz haben würde, ein erneuter Vertrag fraglich erscheint: Jemand, der davon ausgeht, bereits Anspruch zu haben, erklärt dann mit der Inanspruchnahme der Leistung keine erneute Vertragsannahme.“
3. Kostenbeteiligung des Untergebrachten an den Kosten der Unterbringung
„Allerdings beurteilt sich die Frage einer Zuständigkeit nicht nach der Schlüssigkeit des Vorbringens, sondern danach, wie der einem solchen Vorbringen zugrundeliegende Streit, wie er sich als, Gegenstand‘ begreifen lässt, zu beurteilen ist.
Maßgeblich ist nicht, wie die Klägerin ihre Forderung begründet sieht, sondern wie bei, natürlicher Betrachtung‘ und damit bei einer nicht aus ihren Zusammenhängen gerissenen Beschreibung das Geschehen aus unbeteiligter Sicht berichtet werden würde. Dann liegt auf der Hand, dass dieses Geschehen nicht erst dann beginnt, wenn der Beklagte nach der Erzählung der Klägerin beim wohnungsbietenden Unternehmen erscheint und dort nach Vorbringen und rechtlicher Bewertung der Klägerin erstmals einen Vertrag abschließt. Bei unbeteiligter Sicht beginnt das Geschehen als konkretes Streitgeschehen zwischen den Parteien in dem Moment, in dem sich der Beklagte an die Klägerin wandte und wegen drohender Obdachlosigkeit um Hilfe nachsuchte.
Selbst wenn zeitlich nach diesem Beginn des Streitgeschehens die Klägerin auf die von ihr benannte Unterbringungsmöglichkeit verwies und am Unterbringungsort dann gesonderte Vereinbarungen zwischen Beklagtem und Einrichtungsträger geschlossen worden wären und die Klägerin sich diese Ansprüche abtreten ließ, ändert dies nichts an dem, wie der Streit zu begreifen ist: Die Abtretung erfolgt im Rahmen einer Zahlungsvereinbarung mit den Einrichtungen, nach der die Klägerin die Unterbringungskosten übernimmt und so die Bezahlung des privaten Trägers verauslagt. Selbst wenn Zahlung aus abgetretenem Recht beansprucht wird, lässt sich auch dann nicht anders von der Forderung der Klägerin gegenüber dem Beklagten sprechen, als dass sie sich vom Beklagten zurückholt, was sie für diesen verauslagt und für ihn an Kosten hatte.
Bei unbeteiligter Wiedergabe ihres Begehrens streitet die Klägerin also um Erstattung von ihr durch Zusagen eingegangene Zahlungsverpflichtungen und damit um Kostenbeteiligung daran, dass sie Hilfe zur Vermeidung von Obdachlosigkeit organisiert und bezahlt hat.“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Fundstelle Bayern 17/2024, Rn. 188.