Diese Thematik war Gegenstand des unten vermerkten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13.7.2023. Es hat seiner Entscheidung folgenden Leitsatz vorangestellt:
Der Kontakt zu Kollegen während des Dienstes gehört grundsätzlich zur Ausübung des Dienstes i.S.v. § 31 BeamtVG1), sodass hieraus resultierende Körperschäden von der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn umfasst sind. Anderes gilt etwa, wenn das schädigende Ereignis nach den Umständen des Einzelfalls in einem dienstfremden Zusammenhang steht, wenn sich der Geschädigte dienstpflichtwidrig verhalten, das schädigende Ereignis selbst provoziert oder sich aktiv an einer „Rauferei“ beteiligt hat.
Um Folgendes ging es im Einzelnen: Der Kläger ist Beamter der Bundespolizei. Er erstrebt die Anerkennung eines erlittenen Körperschadens als Dienstunfall. Im Vorraum der Waffenkammer kam es zu einem Handgemenge zwischen zwei Kollegen des Klägers und diesem, nachdem der Kläger seinen Kollegen zugerufen hatte, dass sie auch „Brüder“ sein könnten. Die Kollegen hielten ihn an wenigstens einem Arm und einem Bein fest und versuchten, ihn gewaltsam zu fixieren, wobei er das Gleichgewicht verlor. Als ein hinzutretender Beamter die Kollegen aufforderte aufzuhören, knackte es beim Abstützen mit dem linken Außenspann laut im linken Knie des Klägers, woraufhin sich das Handgemenge auflöste. Der Kläger erlitt eine Verstauchung des linken Kniegelenks, Haarrisse im Schienbeinzwischenhöcker und eine Eindrückungsfraktur der vierten Rippe; er war elf Wochen dienstunfähig. Die vom Kläger beantragte Anerkennung als Dienstunfall lehnte die Beklagte ab; der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Die Revision führt zur Aufhebung der vorangegangenen Entscheidung und zur Zurückverweisung. Dem Urteil ist auszugsweise zu entnehmen:
„Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG … ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung … des Dienstes eingetreten ist.
a) Das gesetzliche Merkmal, in Ausübung des Dienstes‘ verlangt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 – 2 C 17.16 Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 30 Rn. 14 m.w.N.). Maßgebend hierfür ist der Sinn und Zweck der beamtenrechtlichen Dienstunfallfürsorge. Dieser liegt in einem über die allgemeine Fürsorge hinausgehenden besonderen Schutz des Beamten bei Unfällen, die außerhalb seiner privaten (eigenwirtschaftlichen) Sphäre im Bereich der in der dienstlichen Sphäre liegenden Risiken eintreten, also in dem Gefahrenbereich, in dem der Beamte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig wird (BVerwG, Urteile vom 29.8.2013 – 2 C 1.12 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 25 Rn. 10 f. und vom 17.11.2016 – 2 C 17.16 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 30 Rn. 14).
Ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Regelung und dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn kommt dem konkreten Dienstort des Beamten eine herausgehobene Rolle zu. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen, unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Zu diesem Bereich zählt der Dienstort, an dem der Beamte seine Dienstleistung erbringen muss, wenn dieser Ort zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn gehört. Risiken, die sich hier während der Dienstzeit verwirklichen, sind dem Dienstherrn zuzurechnen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet hat, dienstlich geprägt ist. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft …
Hierdurch werden die Sphären des Beamten und des Dienstherrn nach praktikablen und sachgerechten Kriterien abgegrenzt. Es wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch bei der Dienstausübung regelmäßig dienstliche und private Aspekte nicht streng voneinander zu trennen sind und es nur darum gehen kann, wann und unter welchen Voraussetzungen die auch bei der Ausübung des Dienstes naturgemäß gegebene “Gemengelage” eindeutig dem privaten Bereich des Beamten zuzurechnen und daher von der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn auszunehmen ist. Eine Interpretation, die darauf abstellte, ob der Beamte gerade im Augenblick der Einwirkung des Ereignisses auf seinen Körper mit einer spezifisch dienstlichen Verrichtung befasst war, ginge an der Lebenswirklichkeit vorbei und risse Vorgänge, die bei lebensnaher Betrachtung nur als Gesamtverhalten gewertet werden können, auseinander. Zudem stellte diese Ansicht an den Nachweis des Vorliegens eines Dienstunfalls Anforderungen, die sowohl den Dienstherrn als auch den Beamten überfordern könnten …
b) Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch dann, wenn das Unfallereignis aus Verhaltensweisen unter Kollegen während des Dienstes entstanden ist.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Frage, ob Verhaltensweisen unter Beamten während des Dienstes – wie etwa Scherze und, Neckereien‘ – zur Ausübung des Dienstes gehören und daher von der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn umfasst sind, stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig. Zwar spricht der räumliche, zeitliche und sachliche Zusammenhang hier grundsätzlich für eine Zuordnung der Geschehnisse zur Ausübung des Dienstes.
Anderes gilt aber etwa, wenn das schädigende Ereignis nach den Umständen des Einzelfalls in einem dienstfremden Zusammenhang steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.9.1989 – 2 B 103.89 – für eine tätliche Auseinandersetzung), wenn sich der Geschädigte dienstpflichtwidrig verhalten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.9.2022 – 2 A 17.21 – Buchholz 232.0 § 61 BBG 2009 Nr. 3 Rn. 99 f.), das schädigende Ereignis selbst provoziert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.5.1974 – 2 B 66.73 – Buchholz 232 § BBG Nr. 53 S. 71) oder sich aktiv an einer, Rauferei‘ beteiligt hat … In diesen Fällen sind etwaige Schäden nicht mehr vom Schutzzweck der Dienstunfallfürsorge des Dienstherrn erfasst.
Zu Recht ist das Berufungsgericht dabei davon ausgegangen, dass maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung allein das Verhalten des geschädigten Beamten ist. Darauf, ob der oder die Schädiger mit ihrem Verhalten einen dienstbezogenen Zweck verfolgt haben oder es ggf. sogar grundlos zu dem Geschehensablauf und der Auswahl des Geschädigten kam, kommt es nach dem Schutzzweck der Dienstunfallfürsorge nicht an. Auch in diesem Fall ist der Beamte dem Geschehen, in Ausübung des Dienstes‘ ausgesetzt.“
Ausgehend hiervon könne nach Auffassung des BVerwG mangels tragfähiger Feststellungen nicht beurteilt werden, ob das Unfallereignis im vorliegenden Fall, in Ausübung des Dienstes‘ i.S.d. § 31 BeamtVG geschehen sei. Die erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen und sodann zu würdigen haben.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.7.2023 – 2 C 3.22
1) Wird ausführlich ausgeführt.
1) Der Dienstunfall ist vergleichbar in Art. 46 im Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz (Bay- BeamtVG) geregelt.
Beitrag entnommen aus Die Fundstelle Bayern 17/2024, Rn. 190.