Rechtsprechung Bayern

Vergabe öffentlicher Aufträge

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Folge dieser Aufgabenzuteilung ist es, dass die Vergabestelle zur Beantwortung der damit verbundenen typischen Fragestellungen und zur Rechtsverteidigung im Nachprüfungsverfahren nicht berechtigt ist, einen Anwalt zu beauftragen und dem Bieter im Falle ihres Obsiegens die dadurch entstehenden Kosten aufzuerlegen. Darauf weist das Bayerische Oberste Landesgericht (Bay-ObLG) in seinem unten vermerkten Beschluss vom 6.6.2023 wie folgt hin:

„Nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. mit Art. 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 BayVwVfG sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Diese Frage ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Abzustellen ist darauf, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine (angebliche) Missachtung vergaberechtlicher Bestimmungen von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzutragen. Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände in der Person des Beteiligten maßgeblich sein, wie etwa seine sachliche und personelle Ausstattung (BGH, Beschluss vom 26.9.2006 – X ZB 14/061), BGHZ 169, 131 Rn. 61). Die Einzelfallentscheidung ist auf der Grundlage objektiv anzuerkennender Erfordernisse im Rahmen einer ex ante-Prognose zu treffen (OLG Celle, Beschluss vom 5.11.2020 – 13 Verg 7/ 20), wobei ergänzend auch der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.3.2021 – Verg 10/20).

Dementsprechend wird von der Rechtsprechung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den öffentlichen Auftraggeber regelmäßig nicht für notwendig erachtet, wenn eine vergaberechtliche Angelegenheit lediglich einfache, auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen auf der Grundlage geklärter Rechtsgrundsätze aufwirft, deren Darlegung und Vertretung im Nachprüfungsverfahren von der Vergabestelle ohne Weiteres erwartet werden kann. Stehen dagegen nicht einfache, insbesondere rechtlich noch ungeklärte oder nicht dem klassischen Vergaberecht zuzurechnende Rechtsfragen im Streit, spricht dies tendenziell für die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung. Weitere Faktoren, die im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sprechen können, sind der typische Zeitdruck im Nachprüfungsverfahren und eine besondere Bedeutung bzw. ein erhebliches Gewicht des zu vergebenden Auftrags (vgl. BayObLG, NZBau 2023, 347 Rn. 17 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Vergabestelle nicht notwendig. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung war weder wegen der Komplexität des Sachverhalts noch wegen der Schwierigkeit der Rechtsfragen erforderlich. Der (nur) 16-seitige Nachprüfungsantrag beschränkte sich auf zwei Themenkomplexe. Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung vom 10.1.2023 ausgeführt, das Nachprüfungsverfahren lasse sich auf zwei eng umgrenzte Rechtsfragen reduzieren. Sowohl die Eignungsprüfung (§ 42 Abs. 1 VgV) als auch die Preisprüfung (§ 60 VgV) gehören zu den originären Aufgaben der Vergabestelle, sodass es zur Beantwortung der damit verbundenen typischen Fragestellungen und zur Rechtsverteidigung im Nachprüfungsverfahren nicht ohne weiteres eines anwaltlichen Beistands bedarf.“

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 6.6.2023 – Verg 8/23

Beitrag entnommen aus Die Gemeindekasse Bayern 18/2024, Rn. 154.