Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 28.6.2024 lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Antragsteller stürzte mit einem „E-Bike“ auf einem Geh- und Radweg entlang einer Bundesstraße und musste ärztlich versorgt werden. Eine daraufhin bei ihm entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 2,34 Promille. Mit Schreiben vom 18.8.2023 forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller auf, bis zum 1.11.2023 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Zu klären sei, ob aufgrund der Fahrt mit dem Fahrrad als fahrerlaubnisfreiem Fahrzeug unter Alkoholeinfluss zu erwarten sei, dass der Antragsteller zukünftig auch ein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Für den Fall, dass der Antragsteller dauerhaft auf Alkohol verzichten müsse, wurde gefragt, ob ein ausreichend langer Abstinenzzeitraum sowie ein gefestigter Einstellungs- und Verhaltenswandel vorliege. Der Antragsteller teilte der Fahrerlaubnisbehörde im September mit, eine Mitarbeiterin der Begutachtungsstelle habe ihm erklärt, eine Begutachtung bis zum 1.11.2023 habe keinen Sinn, da ein längerer Abstinenzzeitraum nachzuweisen sei. Zugleich legte er ein Schreiben der Begutachtungsstelle vor, in dem es heißt, aufgrund des späten Auftragseingangs sei es voraussichtlich nicht möglich, den Auftrag fristgerecht zu bearbeiten, und bat die Fahrerlaubnisbehörde um Fristverlängerung.
Diese lehnte eine Verlängerung der Frist mit Schreiben vom 13.9.2023 ab. Die gewährte Frist von zweieinhalb Monaten sei ausreichend. Anderenfalls müsse der Antragsteller sich mit einer neuen Begutachtungsstelle in Verbindung setzen, die einen zeitnahen Termin anbieten könne. Da der Antragsteller im weiteren Verlauf kein Gutachten vorlegte, entzog ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn, seinen Führerschein innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Der beim Verwaltungsgericht (VG) gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage war erfolglos. Der VGH bestätigte die Entscheidung des VG. Seinem Beschluss können wir Folgendes entnehmen:
1. Auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und einer BAK von mindestens 1,6 Promille ist regelmäßig ein medizinischpsychologisches Gutachten beizubringen
„Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes…und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis- Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980) … hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist unter anderem, wer – ohne alkoholabhängig zu sein – Alkohol missbräuchlich konsumiert, indem er das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennt (Anlage 4 Nr. 8.1 zur FeV).
Hat ein Fahrerlaubnisinhaber ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt, ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch- psychologisches Gutachten beizubringen ist (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Dies gilt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht nur für eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch für eine Fahrt mit einem nicht motorisierten Fahrzeug, also auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 4.12.2020 – 3 C 5.20…). Zu letzteren zählen auch solche mit elektrischer Trethilfe im Sinne des § 63a Abs. 2 StVZO (sog. Pedelecs; vgl. dazu Borgmann, NZV 2023, 300/301), wie es hier in Rede steht. Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug und somit auch mit einem Fahrrad eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Daher ist in diesen Fällen regelmäßig die Untersuchung mittels medizinisch-psychologischer Fachkunde veranlasst, ob sich das mit dem Fahrrad gezeigte Verhalten auch auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken kann (BayVGH, B. v. 7.9.2023 – 11 CS 23.1298 – juris Rn. 13).“
2. Wird ein Gutachten nicht (rechtzeitig) beigebracht, darf die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel auf die Nichteignung des Betroffenen schließen
„Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zum Schutz der Verkehrssicherheit zwingend vorgegeben, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde insoweit ein Ermessen zukäme. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf die Behörde bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19) bzw. kein ausreichender Grund für die Weigerung vorliegt …“
3. Für die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist eine Frist von zwei Monaten grundsätzlich ausreichend
„Das VG ist … zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller das … angeordnete Gutachten ohne ausreichenden Grund nicht beigebracht hat. Die in der Gutachtensanordnung gesetzte Frist von gut zwei Monaten war nicht bereits von vornherein zu kurz. Dient die Vorlage des Gutachtens – wie hier – der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. In diesem Fall ist den Eignungszweifeln so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht. Davon ausgehend erachtet der Senat eine Frist von zwei Monaten grundsätzlich für ausreichend … Dass hier eine davon abweichende Beurteilung geboten sein könnte, ist nicht ersichtlich.“
[…]Den vollständigen Text lesen Sie in Fundstelle Bayern 4/2025, Rn. 43.