Art. 12 GG, Art. 6 HZG, § 33 HZV
Studienortwechsel; Härtefall; Anspruch auf Schaffung eines Studienplatzes
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2025, Az. 7 CE 25.10005
Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern
I. Die Antragstellerin beantragte bei der Universität Regensburg die Genehmigung eines Studienortwechsels im Fach Humanmedizin von Hannover nach Regensburg für das 2. klinische Semester (6. Fachsemester) zum Wintersemester 2024/2025. Zur Begründung trug sie vor, dass ihr aufgrund ihrer Erkrankung (Osteochondrosis dissecans im rechten oberen Sprunggelenk) und der damit einhergehenden Schmerzen die Fortführung des Studiums nur in Regensburg, wo sie die benötigte Unterstützung erhalte, möglich sei, weshalb ein Härtefall vorliege.
II. Die Universität lehnte den Antrag mangels freier Studienplätze ab. Gegen die Ablehnung ihres Eilantrags durch das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 14.02.2025, Az.: RO 1 E HK 24.10088, erhob die Antragstellerin Beschwerde, die sie im Wesentlichen damit begründet, dass ihr aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Fortsetzung des Studiums nur in Regensburg möglich sei, wo sie Unterstützung durch ihre Eltern und ihre Therapeuten erhalte. Ihr grundrechtlicher Teilhabeanspruch sei durch Zuweisung an einen Studienort, an dem sie ihr Studium nicht beenden könne, nicht erfüllt. Einer Bewerberin, welche eine besondere Härte für sich in Anspruch nehmen kann, dürfe die Erschöpfung der Kapazität nicht entgegengehalten werden.
III. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) wies die Beschwerde zurück und stellte klar, dass allein das Vorliegen eines Härtefalls bei erschöpfter Kapazität keinen Anspruch auf einen Studienplatz in einem zulassungsbeschränkten Studiengang am Wunschort vermittelt.
1. Gegen die Festsetzung der Zulassungszahlen für Studienanfänger und Studienanfängerinnen sowie für höhere Semester im Studienjahr 2024/2025 in der Zulassungszahlsatzung der Universität und die zugrundeliegende Kapazitätsermittlung habe die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen erhoben.
2. Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) erfolge eine Zulassung für ein höheres Fachsemester nur, wenn die Zahl der in diesem Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die hierfür festgesetzten Zulassungszahlen sinkt.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Zulassungszahlsatzung 2024/2025 würden Bewerberinnen und Bewerber für ein höheres Fachsemester, für das Zulassungszahlen festgesetzt sind, in dem Umfang aufgenommen, in dem die Zahl der im entsprechenden Fachsemester eingeschriebenen Studierenden die festgesetzte Zulassungszahl unterschreitet.
Die für das jeweilige Fachsemester festgesetzten Studienplätze seien im Hinblick auf ihre durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition zunächst an diejenigen zu vergeben, die bereits im Studiengang Medizin eingeschrieben sind (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern (Bayerisches Hochschulzulassungsgesetz – BayHZG). Nur sofern die ermittelte und festgesetzte Kapazität nicht bereits durch diese Studierenden ausgeschöpft ist, sind die noch verbleibenden Studienplätze grundsätzlich in der in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bis 5 und Abs. 2 BayHZG vorgesehenen Reihenfolge zu vergeben.
Da die vorliegend für das 2. klinische Semester festgesetzten 40 Studienplätze laut der amtlichen Statistik der Universität mit der Einschreibung von 48 Studierenden im 2. klinischen Semester des Studiengangs Medizin (davon 6 beurlaubt) ausgeschöpft sei, wobei es sich ausschließlich um Studierende, die sich zum Weiterstudium im 2. Semester des klinischen Studienabschnitts zurückgemeldet haben, handle, könne sich die Antragstellerin mangels freier Plätze nicht mit Erfolg auf die Härtefallregelung des Art. 6 Abs. 2 BayHZG berufen.
Damit komme es bereits nicht darauf an, ob die Antragstellerin das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte i.S.v. Art. 6 Abs. 2 BayHZG überhaupt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht habe.
3. Der Antragstellerin stehe auch kein Anspruch auf Schaffung eines über die Kapazität hinausgehenden zusätzlichen Studienplatzes im 2. klinischen Semester des Studiengangs Medizin an der Universität Regensburg zu. Der grundrechtliche Teilhabeanspruch greife – auch in Härtefällen – nur, wenn Kapazität vorhanden ist.
Der BayVGH verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 18.07.1972, Az. 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/7, juris Rn. 63; Urteil vom 19.12.2017, Az.1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14, juris Rn. 106), wonach Art. 12 GG (nur) ein derivatives Teilhaberecht gewährt, welches (ausschließlich) auf Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazität gerichtet ist.
Oberlandesanwältin Beate Simmerlein ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Schul- und Hochschulrecht, Medienrecht, Landesbeamtenrecht und Waffenrecht.
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