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Staatsangehörigkeitsrecht: Zur Identitätsklärung bei einem als Flüchtling anerkannten Einbürgerungsbewerber

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§ 10 StAG, § 73 Abs. 1 Nr. 1 AsylG

Einbürgerung; Erfordernis der geklärten Identität und Staatsangehörigkeit, Anerkannter Flüchtling; Syrien; Passbeantragung bei Auslandsvertretung des Verfolger- bzw. Herkunftsstaates

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 05.06.2025, Az. 5 ZB 24.2165

Orientierungssatz der Landesanwaltschaft Bayern

Einem anerkannten Flüchtling ist es im Rahmen der staatsangehörigkeitsrechtlichen Identitätsklärung nicht von vornherein unzumutbar, bei der Auslandsvertretung des Verfolgerstaates (Herkunftslandes) einen Reisepass zu beantragen.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

I.

Der Kläger, ein syrischer Staatsangehöriger, weigerte sich unter Hinweis auf seinen Status als anerkannter Flüchtling im Einbürgerungsverfahren zum Nachweis seiner Identität einen Pass vorzulegen und mit der syrischen Auslandsvertretung in Kontakt zu treten, um diesen zu beantragen. Daraufhin lehnte das Landratsamt die Einbürgerung nach § 10 StAG ab. Die Klage hiergegen hatte zum überwiegenden Teil Erfolg (Urteil des VG München vom 10.10.2024, Az. M 27 K 23.4702). Hiergegen stellte der beklagte Freistaat Bayern durch die Landesanwaltschaft Bayern Antrag auf Zulassung der Berufung. Aufgrund der veränderten Verhältnisse in Syrien infolge des Sturzes des Assad-Regimes am 07./08.12.2024 beantragte der Kläger einen syrischen Reisepass, nach dessen Vorlage er schließlich eingebürgert wurde. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.

II.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) stellte daher mit vorliegendem Beschluss das Berufungszulassungsverfahren ein und erklärte die erstinstanzliche Entscheidung des VG München für wirkungslos. Im Rahmen der nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung äußerte sich das Gericht auch zu den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Danach wäre der Kläger voraussichtlich unterlegen.

Dies begründet der BayVGH (Rn. 6 f.) wie folgt:

1. Die summarische Prüfung ergebe, dass der Beklagte zu Recht die Vorlage eines Passes zum Nachweis der Identität des Klägers gefordert habe und der Kläger durch Unterlassen der Passvorlage seiner Mitwirkungslast im Einbürgerungsverfahren nicht hinreichend nachgekommen sei. Auch noch vor dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien im Dezember 2024 habe es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts objektiv möglich und subjektiv zumutbar erschienen, bei der syrischen Auslandsvertretung einen Pass zu beantragen (so auch in Fällen von anerkannten Flüchtlingen OVG Saarlouis, Beschluss vom 04.12.2024, Az. 2 D 74/24, juris Rn. 16 ff. [Syrien]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.08.2023, Az. 9 A 4347/19, juris Rn. 8 [Syrien]).

2. Das Argument des Klägers, dass von einer Unzumutbarkeit auszugehen sei, weil er mit der Beantragung des Passes bei der konsularischen Vertretung Syriens den Widerruf seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft riskiert hätte, § 73 Abs. 1 Nr. 1 AsylG, greife wohl nicht.

Zwar sei die Beantragung eines Passes grundsätzlich, aber auch nur als Indiz für eine Unterschutzstellung im Sinne der Vorschrift zu werten (vgl. noch ausdrücklich § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung). Entscheidend sei, ob aus dem Verhalten des Asylberechtigten auf eine veränderte Einstellung zum Heimatstaat geschlossen werden könne. Namentlich entfalle die Indizwirkung und trete kein Asylrechtsverlust ein, wenn die Passbeantragung erforderlich sei, um Amtshandlungen von Behörden der Bundesrepublik Deutschland vornehmen zu lassen oder vorzubereiten (vgl. schon zur Vorgängerregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG BVerwG, Urteil vom 02.12.1991, Az. 9 C 126.90, juris Rn. 10 f.; vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 73 AsylVfGNG, Rn. 53 ff.).

Angesichts der hier gegebenen Aufforderung der deutschen Behörden, für die Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren einen syrischen Reisepass vorzulegen, dürfte aus der Passbeantragung gerade kein Anhaltspunkt dafür abgeleitet werden können, dass der Antragsteller sich in Wahrheit wieder dem Herkunftsstaat zugewendet hat. Einen Verlust seines Asylrechts hätte der Kläger also wohl nicht zu befürchten gehabt.

3. Nach Auffassung des BayVGH dürfte den weiteren Einwänden des Klägers, es wäre ihm als anerkanntem Flüchtling unzumutbar, sich an die Behörden seines Verfolgerstaates unter dem Assad-Regime zu wenden (z.B. wegen der Passgebühr oder einer erhöhten Gefahrenlage für seine Familie), ebenso wenig zu folgen sein.

Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts und schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht, Polizei- und Sicherheitsrecht.

 

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