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Presserecht: Anspruch der Presse auf Namensnennung des Verteidigers eines Beschuldigten

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Art. 3, 4 BayPrG, § 160 StPO, § 169 GVG, § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO

Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Mandantengeheimnis, Persönlichkeitsrechte, Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, Name des Verteidigers

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20.08.2025, Az. 7 CE 25.1263

Bemerkungen der Landesanwaltschaft Bayern

I. Gegenstand des Verfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) war die Frage, ob die Presse gegenüber der Staatsanwaltschaft einen Anspruch auf Nennung des Namens des Strafverteidigers eines Beschuldigten während des laufenden Ermittlungsverfahrens besitzt.

Nachdem das Oberverwaltungsgericht Hamburg (OVG Hamburg) mit Beschluss vom 07.04.2025, Az. 3 Bs 20/25, juris, einen derartigen Anspruch in einem gleichartigen Fall bejaht hatte, machte ein Redakteur einer überregionalen Zeitung, gestützt auf diese Entscheidung, einen presserechtlichen Anspruch auf Nennung des Namens des Anwalts eines Tatverdächtigen gegenüber der Staatsanwaltschaft München geltend.

Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft verweigerte die begehrte Auskunft mit der Begründung, während des Ermittlungsverfahrens sei es Teil des Mandantengeheimnisses, welchen Anwalt ein Beschuldigter nehme.

Das Verwaltungsgericht München wies mit Beschluss vom 18.06.2025, Az. M 10 E 25.3465, juris einen auf die begehrte Auskunft gerichteten Eilantrag des Redakteurs zurück.

Dessen Beschwerde blieb erfolglos.

II. Der BayVGH begründete seine Entscheidung wie folgt:

1. Es sei, ohne dies abschließend klären zu müssen, bereits fraglich, ob die Offenlegung des Namens eines Strafverteidigers von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG umfasst sei, wenn das Auskunftsverlangen im Ergebnis (nur) darauf gerichtet ist, eine Kontaktaufnahme zu dem Beschuldigten zu ermöglichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (Urteil vom 19.12.2007, Az. 1 BvR 620/07, juris Rn. 28) bestehe kein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle, sondern nur ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Zugang in den Fällen, in denen eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist, der Staat den Zugang aber in nicht hinreichender Weise eröffnet.

Da sich das vorliegende Strafverfahren noch im Stadium des nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahrens befinde, sei die Informationsquelle gerade nicht aufgrund rechtlicher Vorgaben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt.

2. Jedenfalls durfte die Erteilung der vom Antragsteller begehrten Auskunft nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) wegen bestehender Verschwiegenheitspflichten verwehrt werden. Art. 4 Abs. 2 BayPrG sieht ausdrücklich vor, dass eine Auskunft verweigert werden darf, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.

Zwar stehe der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht per se jeglichem presserechtlichen Auskunftsverlangen entgegen, im Stadium des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens überwögen jedoch schutzwürdige Interessen des betroffenen Strafverteidigers und seines Mandanten sowie das Geheimhaltungsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Antragstellers, als Vertreter der Presse den Namen des betreffenden Strafverteidigers zu erlangen.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren diene der Klärung eines Verdachts, weshalb es nicht von Beginn an „offen“, d.h. unter Bekanntgabe aller ermittelten oder auch nur den Anfangsverdacht begründenden Tatsachen geführt werden könne.

Da der Gesetzgeber in § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) den Grundsatz der Öffentlichkeit ausschließlich für Gerichtsverhandlungen vorgesehen habe (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.01.2001, Az. 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99, juris Rn. 70), ergebe sich im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber hinsichtlich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens von dessen Nichtöffentlichkeit ausgeht und eine identifizierende Berichterstattung im Gegensatz zur Hauptverhandlung gerade ausschließen will.

Dass der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht in jeder Verfahrensart gelten muss, wurde vom BVerfG bereits mit Beschluss vom 21.10.1954, Az. 1 BvL 9/51, 1 BvL 2/53, juris Rn. 76 festgestellt, das hierzu ausführt, der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gelte nicht ausnahmslos. Entscheidend sei die Bedeutung des Verfahrens für die Öffentlichkeit und die Verfahrensbeteiligten, wobei der Rechtsschutz der Beteiligten, insbesondere der Schutz des Beschuldigten nicht außer Acht gelassen werden dürfe.

Diese gesetzgeberische Entscheidung bewirke im Rahmen der Abwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen sowie der Allgemeinheit auf der einen und dem Informationsinteresse von Presse und Öffentlichkeit auf der anderen Seite eine Vermutung für den Vorrang des Persönlichkeitsschutzes im Rahmen nicht-öffentlicher Verfahren.

Das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Strafverteidigers, welches ihm selbst die Entscheidung über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten einräumt (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983,1 BvR 209/83, juris Rn. 146, 149), genieße damit im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, dessen Beteiligter er als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§§ 1 und 3 BRAO) ist, besonderes, grundsätzlich höheres Gewicht als das Interesse von Öffentlichkeit und Presse an der Kundgabe seines Namens.

Auch sei zu Lasten des Informationsinteresses von Presse und Öffentlichkeit zu berücksichtigen, dass der begehrte Name des Strafverteidigers unter das in § 43a der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) normierte Mandantengeheimnis falle.

Das OVG Hamburg habe, soweit es die Rechte des Strafverteidigers als lediglich in der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht wenig geschützten Sozialsphäre berührt ansehe, weder berücksichtigt, dass der Strafverteidiger vorliegend seine berufliche Tätigkeit in einem nicht-öffentlichen Ermittlungsverfahren wahrnehme, das im Grundsatz – auch im Interesse der Allgemeinheit – gerade auf die Wahrung der Anonymität aller Beteiligten ausgelegt sei, noch, dass der Name des Strafverteidigers – und zwar unabhängig davon, ob dieser Pflicht- oder Wahlverteidiger sei – unter das Mandantengeheimnis falle.

Die Grundpflicht des Rechtsanwalts zur Verschwiegenheit, die den Mandanten schütze, liege dabei auch im Interesse der Allgemeinheit an der rechtsstaatlichen Rechtspflege, für die eine anwaltliche Verschwiegenheit unerlässlich ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 30.04.2004, Az. 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01, juris Rn. 101 m.w.N.).

In Anbetracht der möglichen Folgen, die ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger auch für die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft während des Ermittlungsverfahrens haben könne, liege es zudem im öffentlichen Interesse, Störungen des Vertrauensverhältnisses im Stadium des Ermittlungsverfahrens zu vermeiden.

Dass unmittelbarer Adressat des § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO unzweifelhaft der Rechtsanwalt und nicht die nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG auskunftsverpflichtete Stelle ist, sei unerheblich, denn andernfalls könnte das Mandantengeheimnis dadurch ausgehebelt werden, dass Strafverfolgungsbehörden Informationen unbegrenzt herausgeben müssten. In einem Stadium, in dem die Beteiligten des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gerade unbehelligt von Öffentlichkeit und Presse tätig werden sollen, müsse ausgeschlossen sein, dass versucht wird, durch eine entsprechende Berichterstattung Einfluss auf den Strafverteidiger zu nehmen, wenn dieser eine Zusammenarbeit mit den Medien ablehnt.

3. Das vom Antragsteller geltend gemachte gesteigerte Informationsinteresse an der Berichterstattung sei im Stadium des Ermittlungsverfahrens demgegenüber geringer zu bewerten als die aufgezeigten Geheimhaltungsinteressen.

Der BayVGH stellt hier zwar klar, dass bei der Recherche und Berichterstattung über ein Strafverfahren der Schutz der Pressefreiheit weiter reiche als in Fällen, in denen die Presse eine Berichterstattung zu Unterhaltungszwecken anstrebt, da staatliche Gewalt – überdies in besonders einschneidender Weise – ausgeübt werde.

Die Durchsetzung des Informationsinteresses der Presse dürfe auch nicht von einer staatlichen Inhaltsbewertung des Informationsanliegens abhängig gemacht werden (stRsp., vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2016, Az. 6 C 65.14, juris Rn. 18 f.).

Zu berücksichtigen sei aber auch, dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit in der Phase des Ermittlungsverfahrens auch dann geringer ist, wenn – wie vorliegend – die Strafverfolgungsbehörden bereits mittels Pressemitteilung und Pressekonferenz über die Tat und die wichtigsten Tatumstände berichtet haben. Dies stelle keinen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Presse, sondern lediglich eine Bewertung des Grades des Öffentlichkeitsintereses dar.

Vorliegend müsse außerdem insbesondere berücksichtigt werden, dass die beabsichtigte Recherche maßgeblich davon abhängt, ob der Strafverteidiger und sein Mandant überhaupt zur Auskunft bereit sind, was wiederum unwahrscheinlich erscheint, wenn diese – wie vorliegend – nicht von selbst an die Presse herantreten, sondern im Stadium des Ermittlungsverfahrens in der gesetzlich vorgesehenen Anonymität bleiben wollen.

4. Soweit der Antragsteller auf die publizistische Sorgfaltspflicht verweist, in Fällen der Verdachtsberichterstattung grundsätzlich vorher mit dem Verdächtigen Kontakt aufzunehmen und von diesem eine Stellungnahme einzuholen, verkenne er, dass die grundsätzlich bestehende „Anhörungspflicht“ des Verdächtigen vor einer Verdachtsberichterstattung naturgemäß nur zum Zug kommen kann, wenn der Verdächtige bekannt bzw. kontaktierbar ist.

5. Wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs, könne die Frage, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, dahinstehen.

 

Oberlandesanwältin Beate Simmerlein ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Schul- und Hochschulrecht, Medienrecht, Landesbeamtenrecht und Waffenrecht.

 

 

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