Dem unten vermerkten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts München (VG) vom 27.11.2024 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Beklagte war von 2008 bis 2022 ehrenamtlicher erster Bürgermeister einer Gemeinde. Seit dem 1.4.2023 erhält er Ehrensold in Höhe von 1.366 EUR.
Am 19.1.2023 erhob die Disziplinarbehörde Disziplinarklage und beantragte, gegen den Beklagten die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/10 für die Dauer von acht Monaten zu verhängen.
Bezüglich der zugrundeliegenden Vorwürfe führte sie aus, dass die staatliche Rechnungsprüfungsstelle des Landratsamts für die Gemeinde während der Amtszeit des Beklagten als ehrenamtlicher erster Bürgermeister u.a. für die Rechnungsjahre 2012 bis 2015 sowie für die Rechnungsjahre 2016 bis 2018 Rechnungsprüfungsberichte erstellt habe, die jeweils zahlreiche Prüfungsbeanstandungen zu unrechtmäßigen Zuständen in der Gemeinde enthielten. Obwohl dem Beklagten der Rechnungsprüfungsbericht für 2012 bis 2015 als Berichtsentwurf bereits mit Schreiben vom 19.5.2017 übermittelt worden sei und der betreffende Bericht für 2016 bis 2018 seit 15.5.2020 vorgelegen habe, habe der Beklagte beide Rechnungsprüfungsberichte dem Gemeinderat erst am 28.1.2021 zur Kenntnis gegeben. Wesentliche Prüfungsbeanstandungen seien über einen langen Zeitraum nicht behandelt worden.
Hervorzuheben sei insbesondere die Prüfungsbeanstandung Tz 8 aus dem Rechnungsprüfungsbericht der Jahre 2016 bis 2018. Danach sei die fehlende Einberufung des Gemeinderats zur Behandlung der extern durchgeführten Kalkulation der Abwassergebühren zu beanstanden. Durch die verspätete Vorlage an den Gemeinderat sei laut Prüfbericht ein jährlicher Verlust an Gebühren von ca. 100.000 EUR entstanden.
Das VG hat gegen den Beklagten als Disziplinarmaßnahme die Kürzung des Ruhegehalts um 1/10 für die Dauer von vier Monaten verhängt. Seinem Urteil entnehmen wir:
1. Zeitnahe Übermittlung eines Rechnungsprüfungsberichts an den Gemeinderat als Dienstpflicht des Bürgermeisters
„Das Gericht sieht im Einklang mit der Disziplinarbehörde als erwiesen an, dass der Beklagte zu verantworten hat, den Rechnungsprüfungsbericht der staatlichen Rechnungsprüfungsstelle des Landratsamts für die Rechnungsjahre 2012 bis 2015, der seit dem Mai 2017 in Entwurfsform bei der Gemeinde vorlag und mit Schreiben vom 4.7.2017 endgültig übermittelt wurde, nicht zeitnah dem Gemeinderat zur Kenntnis gebracht zu haben. In der Folge ist ihm auch vorzuwerfen, dass die zahlreichen Beanstandungen darin, die zu erheblichen Teilen die Behandlung durch den Gemeinderat erforderten (z.B. Tz 7, 8 und 9 wegen Satzungsrecht) mit Ausnahme derjenigen unter Tz 15 und 16 über lange Zeit unerledigt blieben.
Die Gemeinde bzw. der Beklagte wurde mit Schreiben des Landratsamts vom 27.7.2017 zur im Hinblick auf Art. 30 Abs. 3 GO als zwingend angesehenen Vorlage gegenüber dem Gemeinderat und u.a. zur Stellungnahme zu den Tz 1 bis 32 bis zum März 2018 aufgefordert. Mit Schreiben vom 18.1.2019 wurde nochmals an die Frist erinnert sowie um Stellungnahme und Abarbeitung der Beanstandungen gebeten. Mit Schreiben vom 17.10.2019 wurde unter Bezugnahme auf mehrfache (telefonische) Aufforderungen zur Stellungnahme eine Frist hierfür bis Ende Dezember 2019 gesetzt. Darüber hinaus wurde die Gemeinde ausdrücklich angewiesen, das betreffende Schreiben dem Gemeinderat vorzulegen.
Des Weiteren wurde auch der Rechnungsprüfungsbericht für die Rechnungsjahre 2016 bis 2018, der der Gemeinde seit dem 15.5.2020 vorlag, nicht alsbald dem Gemeinderat zur Kenntnisnahme gegeben. Hierauf wirkte der Beklagte auch nicht hin, nachdem das Landratsamt mit Schreiben vom 2.7.2020 zur Vorlage beider Rechnungsprüfungsberichte gegenüber dem Gemeinderat sowie jeweils zu Stellungnahmen zu den Beanstandungen aufforderte und mit Schreiben vom 26.10.2020 für die Vorlage der Rechnungsprüfungsberichte eine Frist bis zum 4.12.2020 setzte. Der Gemeinderat erhielt erst anlässlich der Gemeinderatssitzung am 28.1.2021 Kenntnis.
Der Beklagte hat die Vorwürfe eingeräumt. In der mündlichen Verhandlung hat er sich dahingehend eingelassen, dass er den Gemeinderat frühzeitig hätte informieren müssen, hierauf und in der Behandlung der Beanstandungen aus den Rechnungsprüfungsberichten angesichts vielfältiger anderweitiger Aufgaben aber nicht sein Fokus gelegen habe.
Darüber hinaus ist als erwiesen anzusehen, dass dem Beklagten – wie unter Tz 8 im Rechnungsprüfungsbericht der Jahre 2016 bis 2018 dargelegt – bereits mit Schreiben vom 16.2.2018 u.a. die Kalkulation der Abwassergebühren der hiermit beauftragten Firma … vorgelegt wurde, eine Einberufung des Gemeinderats zur Behandlung der Kalkulation bzw. zur Frage einer Satzungsänderung aber wiederum nicht zeitnah erfolgte.“
2. Umgehung der Überwachungsfunktionen des Gemeinderates nach Art. 30 Abs. 3 GO als Dienstvergehen
„Durch das ihm zur Last gelegte Verhalten hat der Beklagte ein einheitliches innerdienstliches Vergehen begangen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Er hat vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen, verstoßen (vgl. § 34 Satz 1 BeamtStG in den im Tatzeitraum geltenden Fassungen). Der Beklagte hatte auch als Ehrenbeamter alle Aufgaben seines Bürgermeisteramtes gründlich und gewissenhaft zu erfüllen. Er durfte insbesondere nicht nach Gutdünken einzelne Bereiche seiner ehrenamtlichen Tätigkeit hintanstellen und dadurch die Überwachungsfunktionen des Gemeinderates nach Art. 30 Abs. 3 GO konterkarieren.
Ihm stand im Hinblick auf die Erstellung der Tagesordnung kein materielles Vorprüfungsrecht zu (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2011 – 4 CS 11.1927 – juris Rn. 9). Es wäre Sache des Gemeinderats gewesen, die weitere Behandlung der Rechnungsprüfungsberichte und der darin enthaltenen Beanstandungen zu beschließen. Gleiches gilt hinsichtlich der im Februar 2018 vorgelegten Abwassergebührenkalkulation. Die zeitnahe Kenntnisnahme des Gemeinderats hätte diesen in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob die vorgelegte Kalkulation einer Satzungsregelung zugrunde gelegt werden soll oder Anlass für Nachkalkulationen bestand.“
[…]Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Fundstelle Bayern 16/2025, Rn. 167.

