§§ 42a, 89d SGB VIII ([Un]begleitete minderjährige Flüchtlinge; Kostenerstattung)
Amtliche Leitsätze:
- Reist ein minderjähriger Flüchtling mit einem Erziehungsberechtigten in das Bundesgebiet ein, ist der Minderjährige im Rechtssinne begleitet, nicht unbegleitet (im Anschluss an BayVGH, U.v. 21.10.2022 – 12 BV 20.2079 – juris Rn. 35; U.v. 14.10.2022 – 12 BV 20.2080– juris Rn. 39).
- Im Falle eines lediglich „nachträglichen Unbegleitetwerdens”, mit anderen Worten dann, wenn der zunächst begleitet in das Bundesgebiet eingereiste Minderjährige von seinen Personensorge- oder Erziehungsberechtigten im Bundesgebiet allein zurückgelassen wird, ist (deshalb) für einen bundesrechtlichen Kostenerstattungsanspruch aus § 89d SGB VIII kein Raum (in Fortführung von BayVGH, U.v. 21.10.2022 – 12 BV 20.2079 – juris Rn. 43 u. 47; U.v. 14.10.2022 – 12 BV 20.2080– juris Rn. 52 u. 56; U.v. 22.06.2022 – 12 BV 20.1934 – juris, Rn. 45 u. 49).
- Ziel und Zweck der Regelung des § 89d SGB VIII ist es ausschließlich, eine überörtliche Kostenerstattung in denjenigen Fällen zuzulassen, in welchen kein Anknüpfungspunkt im Inland über einen (zumindest vorübergehenden) gewöhnlichen Aufenthalt (der einreisenden Person oder deren Eltern(-teile)) besteht (vgl. BT-Drs. 13/10330 S. 20).
- In allen anderen Fällen handelt es sich um reguläre Jugendhilfe, für die § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII nicht gilt und die der jeweils zuständige örtliche Träger in finanzieller Eigenverantwortung zu erbringen hat (so zutreffend VG Augsburg, U.v. 16.06.2020 – Au 3 K 18.1530 – juris Rn. 27).
BayVGH, Beschluss vom 08.04.2025, 12 BV 25.39
(rechtskräftig)
Zum Sachverhalt:
R, geboren 2001, reiste am 22. Juli 2018 zusammen mit seinem Vater in die Bundesrepublik ein, um Verwandte zu besuchen. Nach einem Streit trennte sich R von seinem Vater und wurde am 25. Juli 2018 vom Stadtjugendamt M vorläufig in Obhut genommen. Dort gab R an, dass sein Vater vermutlich nach Albanien zurückgekehrt sei.
Durch Bescheid der Landesstelle des Freistaats Bayern für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern und Jugendlichen (Landesstelle) vom 6. August 2018 wurde R dem Kläger zugewiesen. Mit Bescheid des Klägers vom 27. November 2018 wurde R Jugendhilfe in Form der Inobhutnahme (14.08.2018 bis 11.09.2018) sowie in Gestalt von Hilfe zur Erziehung in einer Heimeinrichtung gewährt. Diese wurde mit Ablauf des 1. Juni 2019 eingestellt, da R nach Albanien zurückkehrte.
Mit Schreiben vom 28. September 2018 meldete der Kläger den Jugendhilfefall erstmals zur Kostenerstattung nach § 89d Abs. 1 SGB VIII an. Unter dem 13. November 2019 machte der Kläger Kostenerstattung für die gewährte Jugendhilfe in Höhe von insgesamt 42 506,11 Euro geltend. Mit weiteren Schreiben vom 12. März 2021 und 26. August 2022 wurden zudem Kosten für Krankenhilfe in Höhe von 37,07 Euro und 227,60 Euro geltend gemacht.
Unter dem 11. Februar 2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, eine Kostenerstattung sei nicht möglich, da R mit seinem Vater in die Bundesrepublik eingereist sei und demzufolge kein unbegleiteter ausländischer Minderjähriger gewesen sei. Eine Inobhutnahme habe daher durch die Stadt M erfolgen müssen. Der Kläger sei örtlich nicht zuständig gewesen.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 erhob der Kläger Klage auf Erstattung der Kosten für die gewährte Jugendhilfe.
Mit Urteil vom 20. November 2024 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab und ließ die Berufung zu.
Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 18/2025, S. 625.

