Rechtsprechung Bayern

Entziehung der Fahrerlaubnis

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Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 20.5.2025 lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Durch polizeiliche Mittteilung vom 12.12.2023 wurde dem Landratsamt bekannt, dass der Antragsteller am 29.10.2023 gegen 2:50 Uhr (vor Zeitumstellung) bei einer Fahrt mit seinem Fahrrad alleinbeteiligt ohne Fremdeinwirkung vermutlich infolge seiner Alkoholisierung gestürzt sei. Beim Eintreffen der Polizeibeamten sei er bereits durch den Rettungsdienst, u.a. aufgrund einer Gesichtsverletzung, behandelt worden. Bei einer informatorischen Befragung habe er angegeben, mit dem Fahrrad vom Dorffest unweit der Unfallstelle losgefahren und aus unbekannter Ursache gestürzt zu sein, wodurch er sich die vorliegenden Verletzungen zugezogen habe. Er sei zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert worden. Er habe erheblich alkoholisiert gewirkt, was sich an einer verwaschenen Aussprache, deutlichem Alkoholgeruch und unsicherem Gang gezeigt habe. Ein freiwilliger Atemalkoholtest um 2:22 Uhr (nach Zeitumstellung) habe einen Atemalkoholwert von 1,09 mg/l ergeben.

Aufgrund der Angaben des Antragstellers und der Schwere seiner Verletzungen habe man davon ausgehen müssen, dass er mit dem Fahrrad gefahren sei. Eine um 2:50 Uhr (nach Zeitumstellung) im Krankenhaus entnommene Blutprobe habe einen Blutalkoholwert von 2,21 ‰ ergeben. Nachdem der Antragsteller darüber telefonisch in Kenntnis gesetzt worden sei, habe er sich nicht weiter zur Sache äußern wollen. Er sei absolut fahruntüchtig gewesen. Nach seinen ersten Einlassungen vor der Belehrung als Beschuldigter sei er mit dem Fahrrad gefahren, was aufgrund des vorliegenden Verletzungsbilds habe nachvollzogen werden können. Zeugen des Sturzes hätten nicht ermittelt werden können.

Nach Akteneinsicht erklärte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20.6.2024, er werde sich – unter dem Vorbehalt, dass dessen Anordnung als unverhältnismäßig angesehen werde – einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen, legte jedoch in der Folge kein Gutachten vor. Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis trug der Antragsteller vor, er sei zur Ausübung seines Berufs, zur Mithilfe im landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb seines Vaters und zur Ausübung seines Dienstes bei der Freiwilligen Feuerwehr auf die Fahrerlaubnis angewiesen.

Mit Bescheid vom 26.9.2024 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, den Führerschein spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.

Am 9.10.2024 kam der Antragsteller seiner Abgabepflicht nach und ließ beim Verwaltungsgericht (VG) Anfechtungsklage erheben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Dabei erklärte er an Eides statt, dass er sein Fahrrad geschoben und nicht gefahren habe und sich auch nicht daran erinnere, gegenüber der Polizei gesagt zu haben, gefahren zu sein.

Mit Beschluss vom 20.11.2024 lehnte das VG den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Soweit wie hier ein ausdrückliches Beweisverwertungsverbot nicht bestehe, sei im Einzelfall zwischen dem Integritätsinteresse des von dem Eingriff betroffenen Grundrechtsträgers und dem Gewicht der sonst zu beachtenden Belange abzuwägen. Diese Abwägung falle im Fahrerlaubnisrecht in aller Regel zulasten des Fahrerlaubnisinhabers aus, da im rein präventiven, auf keine Bestrafung gerichteten Fahrerlaubnisverfahren mit erheblichem Gewicht Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer zu beachten seien.

Die Beschwerde des Antragstellers war erfolglos. Der VGH führt Folgendes aus:

„Weiter ist … auch die Annahme des VG nicht zu beanstanden, es stehe mit hinreichender Gewissheit fest, dass der Antragsteller das Fahrrad geführt habe. Nachdem der Antragsteller dies bei der spontanen Schilderung des Unfallhergangs gegenüber der Polizei selber angegeben hat, handelt es sich hierbei nicht um einen vagen Verdacht. Dem steht weder die Beweiswürdigung im Verfahren … entgegen noch, dass der Antragsteller nunmehr geltend macht, er könne sich an diese Aussage alkoholbedingt oder aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht mehr erinnern. Vielmehr ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb er sich am 29.10.2023 einer Trunkenheitsfahrt bezichtigt haben sollte, obwohl er nach seinen Angaben dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei. Aus dem polizeilichen Bericht ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für ein Missverständnis. Vielmehr war der Antragsteller trotz seiner Alkoholisierung durchaus noch in der Lage, über die Fahrtstrecke und die Unfallursache zu reden, zu gehen und einen Atemalkoholtest durchzuführen.

Das VG hat in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar gewürdigt, dass er die ursprüngliche Angabe auch im strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht sogleich widerrufen hat, sondern sich nach der Beschuldigtenbelehrung zunächst nicht zur Sache geäußert und dann darauf zurückgezogen hat, eine Trunkenheitsfahrt könne ihm mangels Zeugen nicht nachgewiesen werden. Hinzu kommt das Verhalten im Strafverfahren, in dem er der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO gegen eine Geldauflage zugestimmt hat, und im Verwaltungsverfahren, in dem er der mit Kosten verbundenen Beibringungsaufforderung, wenn auch unter Vorbehalt, nachkommen wollte (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2022 – 11 CS 22.166 – juris Rn. 19).

Eine Gesamtwürdigung dieser Indizien lässt das Bestreiten der Trunkenheitsfahrt im Entziehungsverfahren als nicht glaubhaft erscheinen. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ist das VG nicht davon ausgegangen, dass allein die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 StPO ein ausreichendes Indiz für eine Trunkenheitsfahrt sei, sondern hat dies nur nachvollziehbar als eines von mehreren Indizien dahingehend gewertet.

Soweit er pauschal behauptet, seine Angaben gegenüber der Polizei am Unfalltag seien ,definitiv nicht verwertbar‘, setzt er sich nicht mit den gerichtlichen Ausführungen und der hierfür angeführten Rechtsprechung auseinander, wonach Erkenntnisse – selbst wenn sie unter Verstoß gegen strafprozessuale Beweiserhebungsvorschriften gewonnen worden seien – im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren grundsätzlich keinem Verwertungsverbot unterliegen (… vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 30; B.v. 22.1.2024 – 11 CS 23.1451 – juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; …). Gründe, weshalb dies hier ausnahmsweise anders zu sehen sein sollte, sind nicht dargelegt.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob sich aus dem Verletzungsbild des Antragstellers hinreichende Schlüsse auf den Unfallhergang ziehen lassen. Jedenfalls hat der Antragsteller nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Verletzungsbild eine Fahrt mit dem Fahrrad ausschließt.“

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20.5.2025 – 11 CS 24.2074

Beitrag entnommen aus Die Fundstelle Bayern 17/2025, Rn. 184.