Art. 118 BV; Art. 51 VfGHG (Begründungserfordernis; Darlegung der Grundrechtsverletzung; Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Entscheidung; Entscheidung, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen ist; Willkür)
Nichtamtlicher Leitsatz
Mangels hinreichender Substanziierung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren.
BayVerfGH, Entscheidung vom 12.06.2025, Vf. 16-VI-22
Zum Sachverhalt
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil des Arbeitsgerichts M vom 22. Juli 2021 – 31 Ga 77/21, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens der Stadt M abgewiesen wurde, sowie gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts M vom 28. Januar 2022 – 7 SaGa 25/21, mit dem die Berufung zurückgewiesen wurde.
Der einem Schwerbehinderten gleichgestellte Beschwerdeführer ist seit 9. Januar 2007 bei der Stadt M als Angestellter beschäftigt und nach EGr 5 TVöD eingruppiert. Seit 14. August 2019 ist er von der Arbeitsleistung freigestellt. Der Beschwerdeführer wurde in den Jahren 2016, 2018 und 2019 amtsärztlich untersucht.
Aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 29. September 2016 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer derzeit und bis auf Weiteres keine Tätigkeiten mehr ausüben könne, die Flexibilität und Konfliktfähigkeit verlangten, keine Tätigkeiten in schwierigem Umfeld (Kontakt mit betroffenen Verkehrsteilnehmern, Passanten, Anwohnern), mit unvorhersehbar wechselnden zeitlichen, örtlichen und inhaltlichen Anforderungen, mit konfliktträchtigem Bürgerkontakt und keine, die mit ständigem Gehen (15 bis 20 km ohne Pause) oder ständigem Treppensteigen verbunden seien; abgesehen von den letztgenannten seien die aufgeführten Leistungsbeschränkungen behinderungsbedingt. Aus amtsärztlicher Sicht sei ein Einsatz des Beschwerdeführers im Außendienst nicht mehr möglich. Zu einem im Wesentlichen gleichen Ergebnis kam das amtsärztliche Gutachten vom 14. März 2018. Nach dem zuletzt erstellten amtsärztlichen Gutachten vom 19. September 2019 bestehen unter anderem folgende Leistungsbeschränkungen allgemein: keine Gehstrecken über 2 km ohne Pausen, nur gelegentliches Heben und Tragen von Lasten über 10 kg bis maximal 15 kg, keine Tätigkeiten mit konfliktträchtigem Publikumsverkehr/Bürgerkontakt. Die Leistungseinschränkungen seien dauerhaft, eine Nachuntersuchung nicht notwendig.
Am 18. Februar 2021 bewarb sich der Beschwerdeführer auf die von der Stadt M ausgeschriebene Position als „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr”, Eingruppierung nach A 9/E 9a TVöD. Aufgaben waren nach der Ausschreibung die Leitung eines Teams mit circa zwölf Außendienstkräften in personeller, organisatorischer und fachlicher Hinsicht sowie die Ausbildung neuer Mitarbeitender in Theorie und Praxis. Zudem solle der Bewerber bei der Verbesserung der Verkehrssicherheit und der Aktualisierung von Verkehrseinrichtungen und Verkehrsbeschilderungen mitwirken und Sondereinsätze wie zum Beispiel den „Blitzermarathon” durchführen. Aufgrund der Besonderheiten des Aufgabengebiets, Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen in Tempo-30-Zonen und Tempo-30-Strecken, sei Schichtarbeit zu leisten, was eine gewisse Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung erfordere. Für die Stelle komme es insbesondere auf folgende Kompetenzen an: Fachkenntnisse des Verwaltungsrechts und Organisationsgeschick (grundlegend); verantwortungsvolle Mitarbeiter/-innen-Führung, insbesondere Einfühlungsvermögen und Motivationsfähigkeit (ausgeprägt); Kommunikationsfähigkeit, insbesondere situationsgerechtes Auftreten und Kommunikationsvermögen (ausgeprägt).
Die Arbeitsplatzbeschreibung (gültig ab 1. Januar 2017) der Stadt M für die ausgeschriebene Stelle umfasste das „Durchführen von Klärungs- und Konfliktgesprächen und Aufgreifen gruppendynamischer Prozesse”, die „fach- und sachgerechte Information bis hin zur Schlichtung in speziellen Einzel- beziehungsweise Streitfällen (auch vor Ort im Außendienst)”, das „Durchführen von Ortsbesichtigungen und Geschwindigkeitsprobemessungen” und das Abwickeln von „Parteienverkehr”. Unter „erforderliche Fachkenntnisse” wurde eine „erhöhte Kommunikationsfähigkeit besonders in Stresssituationen” aufgeführt. Zu den „dienstlichen Beziehungen” gehörten externe „dienstliche Kontakte” „häufig zu impulsiven Bürgerinnen und Bürgern (z. B. bei der eigenverantwortlichen Entscheidung) in schwierigen Fällen”. Unter „Erfahrung” wurden als Anforderungen aufgeführt „Selbstständigkeit, Eigeninitiative, Flexibilität, Belastbarkeit unter Termindruck, Stresssituationen sowie bei Konflikten, Fingerspitzengefühl, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick”. Ferner wurden unter diesem Unterpunkt der „Kontakt mit Teilnehmer/-innen des Straßenverkehrs sowie unbeteiligten Bürgerinnen und Bürgern”, die „Außendiensttätigkeit” und das „Zurücklegen langer Strecken auch zu Fuß (z. B. Ortsbesichtigung längerer Straßenzüge), das Mitführen von Gerätschaften/dienstlichen Gegenständen (Handradarmessgerät, ggf. mit Batterieblock, Rollgroßkoffer mit Verkehrszählgeräten, sonstige Ausrüstungsgegenstände und Unterlagen)” genannt. Die Bewerbungsfrist lief bis 5. März 2021.
Mit (interner) Vormerkung vom 18. März 2021 stellte das Personal- und Organisationsreferat unter Bezugnahme auf die drei amtsärztlichen Gutachten einerseits und die Anforderungen aus der Ausschreibung und der Arbeitsplatzbeschreibung andererseits fest, dass der Beschwerdeführer nicht die erforderliche gesundheitliche Eignung besitze und daher nicht weiter im Stellenbesetzungsverfahren berücksichtigt werden könne.
Mit Schreiben vom 6. April 2021 teilte die Stadt M. dem Beschwerdeführer mit, geeignet im Sinn des Art. 33 Abs. 2 GG sei nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher und psychischer Hinsicht gewachsen sei. Nach eingehender Prüfung der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der amtsärztlichen Gutachten vom 29. September 2016, 14. März 2018 und 19. September 2019 erfülle der Beschwerdeführer die speziellen Anforderungen für die Stelle als „Teamleitung Überwachung fließender Verkehr” gesundheitlich nicht.
Mit Schreiben vom 14. April 2021 übermittelte die Stadt M dem Beschwerdeführer im Rahmen der von diesem begehrten Akteneinsicht die Vormerkung vom 18. März 2021 samt Ausschreibungstext, die Arbeitsplatzbeschreibung und die amtsärztlichen Gutachten aus den Jahren 2016, 2018 und 2019. Eine weitere Einbeziehung in das Stellenbesetzungsverfahren sei vor diesem Hintergrund nicht möglich.
Nachdem sich der Beschwerdeführer an die Referatspersonalrätin gewandt hatte, teilte diese mit E-Mail vom 11. Mai 2021 mit, sie sei am 18. März 2021 telefonisch von der zuständigen Stelle der Stadt M über die Bewerbung und die nicht erfüllten Zulässigkeitsvoraussetzungen des Anforderungsprofils informiert worden.
Mit Schreiben vom 12. Mai 2021 teilte das Personal- und Organisationsreferat der Stadt M dem Beschwerdeführer mit, auf seine erneute Bitte um Information, aus welchen Gründen er nicht im Bewerbungsverfahren berücksichtigt werden könne, werde hierzu „letztmalig” ergänzend Stellung genommen. Nach § 165 Satz 4 SGB IX sei eine Einladung von schwerbehinderten Bewerbern zum Vorstellungsgespräch entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehle. Der Begriff „Eignung” umfasse über die fachliche Eignung hinaus auch die charakterliche und die gesundheitliche Eignung. Der Beschwerdeführer könne die speziellen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle wie aus dem Ausschreibungstext und der konkreten Stellenbeschreibung ersichtlich nicht erfüllen. Dies wird im Einzelnen ausgeführt. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch würde sich in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen.
Mit E-Mail vom 11. Juni 2021 teilte das Personal- und Organisationsreferat der Stadt M dem Beschwerdeführer mit, das Ausschreibungsverfahren sei nunmehr abgeschlossen. Für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle sei Herr H vorgesehen. Weiter enthält das Schreiben den Satz „Wir danken Ihnen für Ihr Interesse. Wegen eventueller Rückfragen zu diesem Stellenbesetzungsverfahren setzen Sie sich bitte innerhalb von zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens mit uns in Verbindung”. Es sei geplant, Herrn H zeitnah auf die Stelle umzusetzen.
Mit Erklärung zu Protokoll vom 30. Juni 2021 beantragte der Beschwerdeführer beim Arbeitsgericht M., der Stadt M im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig, längstens bis zwei Wochen nach einer erneuten Entscheidung über die Bewerberauswahl, zu untersagen, die zu besetzende Stelle als Teamleitung Überwachung fließender Verkehr in Vollzeit zu besetzen beziehungsweise eine bereits erfolgte Besetzung rückgängig zu machen.
Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers mit dem angegriffenen Endurteil vom 22. Juli 2021 ab. Gegen das den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 2. August 2021 zugestellte Urteil legten diese mit Schriftsatz vom 27. August 2021 Berufung ein, die das Landgericht mit dem ebenfalls angegriffenen, am 28. Januar 2022 verkündeten Urteil zurückwies.
Mit Schreiben vom 13. März 2022 legte zunächst der Beschwerdeführer selbst unter Vorlage des Sitzungsprotokolls vom 28. Januar 2022, in dem der Tenor des Urteils vom 28. Januar 2022 enthalten ist, „Verfassungsbeschwerde wegen Verschleppung meines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz durch das Landesarbeitsgericht M” ein. Mit Schreiben vom 28. März 2022 ergänzte er seine Begründung und übermittelte das vollständig abgefasste Urteil des Landesarbeitsgerichts.
Nach einem Hinweis des Referenten des Verfassungsgerichtshofs, dass die Verfassungsbeschwerde wegen offensichtlich fehlender Substanziierung unzulässig sei und keine Aussicht auf Erfolg habe, legte der Beschwerdeführer, nunmehr anwaltlich vertreten, mit Schriftsatz vom 22. Mai 2022, eingegangen am selben Tag, die Verfassungsbeschwerde neu ein. Sie richtet sich nun gegen das Urteil des Arbeitsgerichts M vom 22. Juli 2021 – 31 Ga 77/21 und das des Landesarbeitsgerichts M vom 28. Januar 2022 – 7 SaGa 25/21.
Beitrag entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 19/2025, S. 663.

