Das unten vermerkte Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes vom 6.6.2023 soll Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt fördern. Dazu gab es im Wesentlichen Änderungen in den Sozialgesetzbüchern (SGB II, III, V, IX, XI, XII, XIV). Die Änderungen traten/treten zum 14.6.2023/1.1.2024 in Kraft. Der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV) fasst das Gesetz in seinem unten vermerkten Rundschreiben vom Juni 2023 wie folgt zusammen:
I. Änderungen zum 14.6.2023
„1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
Gemäß § 49 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Insbesondere in den Absätzen 3, 6 und 8 führt § 49 SGB IX Leistungen auf, die den Berechtigten zustehen. Während der Regierungsentwurf nur eine formale Änderung der Untergliederung in Absatz 8 Satz 1 Nr. 4 vorsah, wurde auf Vorschlag des Bundesrates das Jobcoaching in die Beschlussempfehlung zum Gesetz in den Leistungskatalog des § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2a SGB IX aufgenommen.
Jobcoaching am Arbeitsplatz ist ein bedarfsabhängiger, zeitlich begrenzter, ziel- und ergebnisorientierter Prozess von i.d.R. mehreren Monaten und kann innerhalb von oder in Kombination mit anderen Unterstützungsangeboten durchgeführt werden. Jobcoaching am Arbeitsplatz dient der Heranführung, Anlernung, Einübung an die jeweiligen Anforderungen des Arbeitsplatzes und setzt damit vor der Arbeitsassistenz an. Obgleich das Jobcoaching bereits als Hilfe zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes nach § 49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX subsumiert werden konnte, bestand laut Bundesrat ein Klarstellungsbedürfnis, das Jobcoaching als ein definiertes Leistungsangebot in den Katalog des § 49 Abs. 8 SGB IX aufzunehmen.
2. Aufhebung der Deckelung beim Budget für Arbeit
Beim Budget für Arbeit beträgt der vom Leistungsträger zu erstattende Lohnkostenzuschuss gem. § 61 Abs. 2 Satz 2 SGB IX bis zu 75 Prozent des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts, höchstens jedoch 40 Prozent der monatlichen Bezugsgröße (nach § 18 Abs. 1 SGB IV). Für die Unterstützung einer Erwerbstätigkeit wird die Deckelung des Lohnkostenzuschusses im sog. Budget für Arbeit von Menschen mit Behinderungen entfallen.
Künftig kann dann ein Arbeitsverhältnis mit bis zu 75 Prozent des regelmäßigen Arbeitsentgelts gefördert werden. Durch die Abschaffung der Deckelung wird sichergestellt, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss gewährt werden kann. Auf Vorschlag des Bundesrates sollte die Aufhebung der Deckelung nicht erst zum 1.1.2024 in Kraft treten, dies sei schon wegen der Erhöhung des Mindestlohns im Oktober 2022 geboten. Im Gesetzesbeschluss wurde das Inkrafttreten entsprechend auf den Tag nach der Verkündung vorgezogen.
Die Öffnungsklausel aus § 61 Abs. 2 Satz 4 SGB IX ,Durch Landesrecht kann von dem Prozentsatz der Bezugsgröße nach Satz 2 zweiter Halbsatz nach oben abgewichen werden‘ ist ebenfalls aufgehoben. Dabei handelt es sich um eine Folgeänderung. Durch den Wegfall der Deckelung bedarf es keiner landesrechtlichen Öffnungsklausel mehr.“
II. Änderungen zum 1.1.2024
„1. Einführung einer vierten Staffel bei der Ausgleichsabgabe
Private und öffentliche Arbeitgeber haben nach § 154 Abs. 1 SGB IX auf wenigstens fünf Prozent der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Diese Regelung gilt für Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen. Wird diese Beschäftigungspflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt, sind die Arbeitgeber verpflichtet, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Die Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber, die keine schwerbehinderten Menschen beschäftigen, wurde um eine vierte Staffel erweitert. Sie wird mit Wirkung zum 1.1.2024 eingeführt und ist erstmalig zum 31.3.2025 fällig.
Die Einführung der vierten Staffel hat für die betroffenen Betriebe, mit Ausgleichsabgaben i.H.v. 720 Euro pro Monat und unbesetztem Pflichtarbeitsplatz, mehr als eine Verdoppelung der Ausgleichszahlungen zur Folge.
1.1 Kritik
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) sieht Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzliche Belastung kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) rund 146 Mio. Euro jährlich betrage. Zudem stellt der NKR fest, dass fast die Hälfte der KMU eine Ausgleichsabgabe nur deshalb zahlen müssen, weil keine geeigneten Bewerber für einen Pflichtarbeitsplatz zur Verfügung stehen würden. Der NKR regt deshalb an, durch eine Evaluierung bessere Erkenntnisse über die Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderung und die Einstellungspraxis der Unternehmen sowie die Praktikabilität der Regelungen zu gewinnen.
Den Einwänden des NKR entgegnete die Bundesregierung, dass die Belastung in der genannten Höhe nur zustande käme, soweit die betroffenen Unternehmen ihr Einstellungsverhalten nicht ändern würden.
1.2 Zugang zum ersten Arbeitsmarkt
Auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales wurde ein Absatz 2a als Ergänzung des § 159 SGB IX in den Gesetzesbeschluss aufgenommen. Die Regelung soll Menschen mit Behinderungen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt durch Setzen von Anreizen bei Arbeitgebern erleichtern.
,(2a) Ein schwerbehinderter Mensch, der unmittelbar vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter beschäftigt war oder ein Budget für Arbeit erhält, wird in den ersten zwei Jahren der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.‘
2. Aufhebung der Bußgeldvorschrift des § 238 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX
Ein Verstoß gegen die grundsätzliche Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen kann derzeit mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro geahndet werden. Mit Einführen der vierten Staffelung wird die bußgeldbewehrte Sanktionierung von Arbeitgebern, die gegen die Beschäftigungspflicht verstoßen, aufgehoben.
3. Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes
Zur Sicherstellung eines zeitnahen Abschlusses von Bewilligungsverfahren vor den Integrationsämtern sieht das Gesetz vor, für Leistungen, auf die ein Anspruch gem. § 185 SGB IX besteht (Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen der unterstützten Beschäftigung), eine Genehmigungsfiktion einzuführen. Sind in dem Antrag die Leistungen nach Art und Umfang genau bezeichnet und wurde innerhalb von sechs Wochen über den Antrag nicht entschieden, gilt nach § 185 Abs. 9 SGB IX die Leistung als genehmigt. Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine Vorgabe des Koalitionsvertrages.“
Fazit und Handlungsempfehlung
„Das neue Gesetz birgt für Arbeitgeber Chancen und Risiken:
Durch die Abschaffung der Deckelung beim Budget für Arbeit etwa wird sichergestellt, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober 2022 nun bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss an Arbeitgeber gewährt werden kann.
Die Einführung der 4. Staffel der Ausgleichsabgabe bedeutet für die Arbeitgeber allerdings eine wesentliche Erhöhung der Abgabe bei Nichtbesetzung von Pflichtarbeitsplätzen.
Um dieser Situation zu begegnen, wird empfohlen, sich mit den geltenden Verpflichtungen rechtzeitig zu befassen und die Vorgaben umzusetzen, um die entsprechenden wirtschaftlichen Folgen möglichst zu vermeiden.“
Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts vom 6.6.2023 (BGBl I Nr. 146).
Rundschreiben des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e.V. vom Juni 2023 – Nr. A 5/2023 S. 19.
Entnommen aus der Fundstelle Bayern Heft 22/2023, Rn. 255.