Rechtsprechung Bayern

Widmung eines Eigentümerweges

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Dem unten vermerkten rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg (VG) vom 29.6.2023 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger erwarben 2015 ein Grundstück, das mit einem Baudenkmal bebaut ist, sowie den Miteigentumsanteil an einem Wegegrundstück, das als einzige Wegeverbindung zu dem Anwesen führt. Im Bestandsverzeichnis der Beklagten für Eigentümerwege existiert zu dem betreffenden Wegegrundstück eine Eintragung vom 15.6.1963, die neben Angaben zur Bezeichnung, zur Flurnummer und zum Anfangs- und Endpunkt folgende Widmungsbeschränkung enthält: „nur Fußgängerweg“.

Im Dezember 2018 klagte ein weiterer Miteigentümer und Anlieger des betreffenden Wegegrundstücks vor dem Landgericht auf Unterlassung der Befahrung des Weges mit Kraftfahrzeugen durch die Kläger. Daraufhin wandten sich die Kläger im Jahr 2019 an die Beklagte und begehrten von dieser die Aufhebung der Widmung als Fußgängerweg, alternativ die Erweiterung der Widmung auf den Anliegerverkehr. In der Klage vor dem VG beantragten sie die Feststellung der Nichtigkeit der Eintragung des Weges, hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Widmung und Neuentscheidung über die Widmung nach der Rechtsauffassung des Gerichts.

Das VG hat die Klage abgewiesen, seinem Urteil entnehmen wir:

1. Keine Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit

„Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, der auch auf Eintragungen eines Weges in ein Bestandsverzeichnis nach Art. 67 BayStrWG anwendbar ist (BayVGH, Urteil vom 12.12.2000 – 8 B 99.3111 – juris Rn. 45), ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschluss vom 19.10.2015 – 5 P 11.14 – juris Rn. 21) ist ein Fehler besonders schwerwiegend im Sinn des dieser Regelung zugrunde liegenden allgemeinen Grundsatzes, wenn er ein Handeln als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt. Die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, das Handeln als verbindlich anzuerkennen…

Die schwere Fehlerhaftigkeit ist nur dann offenkundig oder offensichtlich, wenn sie für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich ist …

Mängel, die ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der Materie überhaupt nicht erkennbar werden, erfüllen diese Voraussetzung nicht (BayVGH, Beschluss vom 21.12.2017 – 8 ZB 17.1189 – juris Rn. 30 m.w.N.). Ferner gilt es im Rahmen der Rechtsbereinigung nach Art. 67 Abs. 3 und 4 BayStrWG zu beachten, dass diese außerordentlich komplexe juristische Fragen aufwirft, die auch für einen Fachmann nicht leicht zu überblicken sind …

Gemessen an diesen Maßstäben leidet die Eintragung des streitgegenständlichen Weges … in das Bestandsverzeichnis der Beklagten an keinem besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Eine Nichtigkeit unter dem Gesichtspunkt der Unbestimmtheit folgt nicht aus den Angaben zum Weg im Bestandsverzeichnis der Beklagten für Eigentümerwege. Gleichwohl die Angaben im Hinblick auf die angegebene Länge des Weges (die wohl nicht zutreffend ist) und den Umfang der Widmung im nördlichen Bereich der FlNr. … (der Anschluss an FlNr. … vor dem Anwesen … ist nicht als weiterer Endpunkt benannt) gewisse Unschärfen beinhalten, geht das Gericht vorliegend davon aus, dass sich aus der Eintragung noch hinreichend genug der von der Widmung betroffene Bereich entnehmen lässt. Insofern gilt es auch zu beachten, dass Bestimmtheitsmängel nur dann zu einer Nichtigkeit der Eintragung führen, wenn sie deren völlige Unbestimmtheit oder Unverständlichkeit zur Folge haben … Die Angaben zum streitgegenständlichen Weg im Bestandsverzeichnis sind vorliegend nicht derart ungenau, dass sie die Eintragung völlig unbestimmt oder unverständlich machen würden. Dafür, dass der gesamte Bereich der FlNr. … und damit auch der Bereich im Anschluss an die FlNr. … vor dem Anwesen … von der Eintragung erfasst ist, spricht insbesondere, dass es sich bei der FlNr. … um ein Wegegrundstück handelt und die Widmung in der Eintragung nicht auf einen Teilbereich der Flurnummer beschränkt wurde. Dass das Grundstück zum Zeitpunkt der Eintragung einen abweichenden Zuschnitt hatte, wurde von den Beteiligten nicht vorgetragen und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich. Nach alledem ist davon auszugehen, dass die gesamte Flurnummer von der Widmung betroffen ist. Eine zur Nichtigkeit führende Unbestimmtheit ist damit nicht anzunehmen.“

2. Keine Nichtigkeit im Hinblick auf fehlende Bekanntmachungsunterlagen

„Eine Nichtigkeit der Eintragung kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass sich in den von der Beklagten übermittelten Unterlagen keine Dokumente zur öffentlichen Bekanntmachung der Eintragung finden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Frist für die Anlegung der Bestandsverzeichnisse nach Art. 67 BayStrWG spätestens im Jahr 1990 endete und eine Gemeinde nicht verpflichtet ist, die entsprechenden Verfahrensakten zur Dokumentation des Verfahrensablaufs über einen mehrere Jahrzehnte langen Zeitraum vorzuhalten (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – juris Rn. 55). Im Übrigen kommt vor dem Hintergrund der Komplexität der Rechtsmaterie und der daraus folgenden hohen Schwelle für die Annahme der Nichtigkeit einer Eintragung … eine Nichtigkeitsfeststellung allenfalls bei sachlichrechtlichen Mängeln der Eintragung, nicht aber – wie im Falle der öffentlichen Bekanntmachung – bei Verfahrensmängeln im Rahmen des Art. 67 Abs. 3 BayStrWG in Betracht (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – juris Rn. 54).“

3. Keine Nichtigkeit der Eintragung unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen fehlenden Erschließung

„Soweit die Klägerseite anführt, die Widmung sei spätestens mit der Genehmigung des Anbaus auf dem Anwesen … im Jahr 1975 überholt, da das Anwesen ohne eine straßenmäßige Erschließung gewesen sei, vermag dies ebenfalls nicht die Nichtigkeit der Eintragung in das Bestandsverzeichnis zu begründen. Soweit damit eine Änderung der Verkehrsbedeutung des streitgegenständlichen Weges durch die erteilte baurechtliche Genehmigung angedeutet wird, ist darauf hinzuweisen, dass eine nachträgliche Veränderung der Verkehrsbedeutung nicht die Nichtigkeit der ursprünglichen Eintragung begründet. Vielmehr führt die Änderung der Verkehrsbedeutung dergestalt, dass die Straße z.B. einer anderen Straßenklasse entspricht, gemäß Art. 7 Abs. 1 BayStrWG dazu, dass sie in die entsprechende Straßenklasse (Art. 3 BayStrWG) einzustufen ist (Aufstufung, Abstufung).

Auch führt eine etwaig entstandene Erschließungspflicht der Beklagten nicht zur Nichtigkeit der Eintragung. Dafür spricht unabhängig von der Frage, ob ein solcher Anspruch der Kläger gegen die Beklagte überhaupt besteht und inwiefern sich dieser auf eine bestandskräftige Eintragung (nachträglich) auswirken kann, jedenfalls, dass eine daraus folgende etwaige Fehlerhaftigkeit nicht offenkundig i.S.d. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist, zumal es sich dabei um komplexe Rechtsfragen handelt.

Gleichermaßen führt vorliegend eine etwaige ursprüngliche unrichtige Einstufung des Weges in die Straßenklasse der Eigentümerwege als sonstige öffentliche Wege gemäß Art. 53 Nr. 3 BayStrWG nicht zur Nichtigkeit der Eintragung.

Insofern steht eine Einstufung des Weges als beschränkt-öffentlicher Weg gemäß Art. 53 Nr. 2 BayStrWG im Raum. Ein etwaiger Verstoß in dieser Hinsicht stellt jedoch keinen schweren und offenkundigen Fehler dar, der nach dem Rechtsgedanken des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG die Nichtigkeit der Eintragung begründet.

Auch die Beschränkung der Widmung auf den Fußgängerverkehr vermag nicht die Nichtigkeit der Widmung zu begründen, da es hierbei ebenfalls an der Offenkundigkeit eines Fehlers im Sinne des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG mangelt.

Auch soweit die Klägerseite im Zusammenhang mit der Nichtigkeit der Widmung vorträgt, die Beklagte sei bei der Widmung selbst davon ausgegangen, dass die damalige Gaststätte für die Daseinsvorsorge erreichbar sein müsse und sie den Weg nur für touristische Zwecke als Fußweg habe sichern wollen, vermag sie damit nicht durchzudringen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte bei der Eintragung des Weges in das Bestandsverzeichnis tatsächlich einer Fehlvorstellung über die Bedeutung der Widmungsbeschränkung für den Anliegerverkehr zum Anwesen … unterlag. Etwaige Beweggründe und Fehlvorstellungen der Beklagten bei der Eintragung des Weges – zumal sie sich vorliegend auch nicht durch den Inhalt der Akten ergründen lassen und damit dem Bereich der Mutmaßungen zuzuordnen wären – sind im Rahmen der Beurteilung der Wirksamkeit einer Eintragung nicht maßgeblich.“

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Die Fundstelle Bayern 14/2024, Rn. 162.