Hiermit befasste sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) im unten vermerkten Urteil vom 29.2.2024. Ihm entnehmen wir:
- Inhalt und Zweck des § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG
„Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erlischt eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter anderem dann, wenn innerhalb einer von der Behörde gesetzten angemessenen Frist nicht mit der Errichtung der Anlage begonnen worden ist. Durch die Regelung soll ausweislich der Begründung des damaligen Gesetzentwurfs der Bundesregierung verhindert werden, dass mit der Errichtung oder dem Betrieb einer genehmigten Anlage erst zu einem Zeitpunkt begonnen wird, in dem sich die tatsächlichen Verhältnisse, die der Genehmigung zugrunde lagen, wesentlich verändert haben.
Außerdem soll der Erteilung von Genehmigungen ,auf Vorrat‘ entgegengewirkt werden (vgl. BT-Drs. 7/179, S. 37 – zu § 17 des Entwurfs).Was der Genehmigungsinhaber im Einzelnen unternehmen muss, um die Errichtungsfrist zu wahren, ergibt sich zunächst und in erster Linie aus einer Auslegung der konkreten behördlichen Fristsetzung und des gesamten Genehmigungsverwaltungsakts, jeweils unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks von § 18 BImSchG.
Die in der älteren Rechtsprechung und darauf basierend auch in der Kommentarliteratur vertretene Auffassung, dass für den Beginn der Errichtung oder des Betriebs zu fordern sei, dass wesentliche Teile der Anlage tatsächlich errichtet oder in Betrieb genommen sein müssten, überzeugt nicht und wurde zwischenzeitlich wohl auch weitgehend aufgegeben … Dem steht bereits der Wortlaut entgegen, der den Errichtungsbeginn genügen lässt und nicht die tatsächliche Errichtung wesentlicher Teile oder deren Inbetriebnahme fordert. Stattdessen wird als weiteres Kriterium entweder, wenn konkrete Voraussetzungen für die Errichtung nach § 18 BImSchG im Genehmigungsbescheid nicht formuliert wurden, oder, um die Ernsthaftigkeit deren tatsächlicher Umsetzung zu prüfen, gefordert, dass der Betreiber Maßnahmen vornimmt, die er nicht oder nur mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten rückgängig machen kann. Denn dies lässt auf ein ernsthaftes Nutzen der Genehmigung schließen. Es genügt also zur Einhaltung der Frist, wenn mit den in der Fristsetzung genannten Maßnahmen (hier der Errichtung der Anlagen) in einer Art und Weise begonnen wurde, die auf die Ernsthaftigkeit der Ausnutzung der Genehmigung schließen lassen. Der Genehmigungsinhaber muss danach am vorgesehenen Standort nicht oder nur mit für ihn erheblichen wirtschaftlichen Verlusten rückgängig zu machende Maßnahmen durchgeführt haben. Dabei ist Voraussetzung, dass sich die Handlungen im Rahmen der erteilten Genehmigung halten.
Der Tatbestand von § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist also erfüllt, wenn die Maßnahmen nicht dem Genehmigungsinhalt entsprechen …“
- Beginn mit Errichtungsmaßnahmen entsprechend der Genehmigung
„Die nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. Ziffer V. der Genehmigungsbescheide maßgebliche Dreijahresfrist ist am 24.5.2021 abgelaufen. Denn die Beschlüsse des Senats vom 7.5.2018 (Windpark W2.: 22 ZB 17.2032 u.a.; Windpark W.: 22 ZB 17.2088 u.a.) wurden den damaligen Rechtsmittelführern am 22.5.2018 zugestellt, so dass die Genehmigungsbescheide zu diesem Zeitpunkt bestandskräftig wurden und die Dreijahresfrist am 23.5.2018 begann (Art. 31 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 Alt. 1 BGB) …
Die Bauarbeiten an den (Nordex-)Windenergieanlagen, deren Fundamente am 28.4.2021 (Windpark W.) bzw. am 5.5.2021 (Windpark W2.) und damit vor dem 24.5.2021 betoniert wurden, sind einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Vorbereitungsmaßnahmen – nach Auslegung der Bescheide und auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks von § 18 BImSchG – fristgerechte Errichtungsmaßnahmen zur unmittelbaren Ausnutzung der Genehmigung. Bereits die Erstellung eines Fundaments für eine Windenenergieanlage (als deren unmittelbarer, statisch unverzichtbarer und nicht abtrennbarer Bestandteil) stellt (unstreitig) eine unmittelbare Maßnahme zur Errichtung der Anlage (und nicht bloß Vorbereitungsmaßnahme o.ä.) dar.“
- Ernsthaftigkeit des Errichtungsbeginns
„Diese Errichtungsmaßnahmen stellen in ihrer Gesamtheit ernsthafte Schritte zur Umsetzung bzw. Nutzung der Genehmigungen und damit einen ernsthaften Errichtungsbeginn dar. Denn die von der Beigeladenen vorgenommenen Maßnahmen waren zum Zeitpunkt des Fristablaufs nicht oder nur mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten rückgängig zu machen.
Auf ein ernsthaftes Ausnutzen der Genehmigung kann geschlossen werden, wenn die Beigeladene zur Errichtung der Windparks am dafür vorgesehenen Standort Maßnahmen durchgeführt bzw. Handlungen von hinreichendem Intensitätsgrad und Umfang vorgenommen hat, die nicht bzw. nur mit hohem Aufwand rückgängig zu machen sind oder die für sie mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten verbunden wären, wenn die Anlage nicht errichtet würde…Zur Bewertung der Ernsthaftigkeit, d.h. etwaiger erheblicher wirtschaftlicher Verluste bei Rückgängigmachung oder Nichterrichtung, sind entgegen der Ansicht des Klägers auch Maßnahmen und Handlungen – insbesondere Vorbereitungshandlungen – berücksichtigungsfähig, welche für sich (isoliert) betrachtet, da sie kein unmittelbarer Genehmigungsbestandteil sind, keine Errichtungsmaßnahmen im engeren Sinne darstellen würden. So sind zwar etwa Abbrucharbeiten im Regelfall – auch nach der entsprechend heranziehbaren baurechtlichen Rechtsprechung … – noch als Vorbereitungshandlungen einzuordnen, es sei denn, eine Auslegung der erteilten Genehmigung und dabei insbesondere der Fristsetzung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergibt etwas anderes…
Der daraus vom Kläger abgeleitete Schluss, dass auch für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Genehmigungsausnutzung nur Maßnahmen berücksichtigungsfähig seien, welche auch für sich betrachtet eine ,Errichtungsmaßnahme i.e.S.‘ darstellten, lässt sich § 18 Abs. 1 BImSchG indes nicht entnehmen. Im Gegenteil wäre eine solche Begrenzung vom Sinn und Zweck der Norm – einer Verhinderung von ,Vorratsgenehmigungen‘ – nicht mehr gedeckt und würde den Genehmigungsinhaber übermäßig sowie ohne Rechtfertigung in seinen Rechten, etwa hinsichtlich der ihm eingeräumten Frist für den Errichtungsbeginn, einschränken. Für das Merkmal der Ernsthaftigkeit (der Genehmigungsausnutzung / des Errichtungsbeginns) darf daher, je nach Lage des Einzelfalls, auf eine (wirtschaftliche) Gesamtbewertung der Maßnahmen und Handlungen zurückgegriffen werden, in welche u.U. auch Vorbereitungshandlungen einzubeziehen sind …
[…]Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29.2.2024 – 22 A 22.40018, 22 A 22.40027
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Fundstelle Bayern 4/2025, Rn. 40.