Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat sich im unten vermerkten Urteil vom 19.12.2024 mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei leitungsgebundenen Einrichtungen eine Teilaufgabenübertragung auf einen Zweckverband nach Art. 22 Abs. 1 Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG) zulässig ist und welche Folgen hieraus resultieren. Das Urteil basiert im Wesentlichen auf folgendem Sachverhalt:
Der inmitten stehenden Beitragserhebung lag ein Beitragsbescheid zugrunde, der den Investitionsaufwand für die Sanierung der von einem Zweckverband betriebenen Kläranlage abrechnete. Dieser Zweckverband besteht aus zwei Verbandsgemeinden und hat die Aufgabe, diese Kläranlage mit einem gemeinsamen Hauptsammler zur Zuleitung und Reinigung der Abwässer aus den beiden Verbandsgemeinden zu betreiben. Hingegen ist es nicht dessen Aufgabe, die gesamte Entwässerungseinrichtung zu betreiben, die zusätzlich noch aus dem Kanalnetz und anderen Einrichtungsteilen besteht. Der maßgebliche Bescheid war durch eine der beiden Verbandsgemeinden auf Basis gemeindlichen Satzungsrechts nach Maßgabe des auf sie entfallenden Sanierungskostenanteils erlassen worden. Dem Urteil entnehmen wir:
1. Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Beitragssatzung
Das Gericht betont:
„Diese Kläranlage liegt im Aufgabenbereich des Zweckverbandes…, der ein Klärwerk mit einem gemeinsamen Hauptsammler zur Zuleitung und Reinigung der Abwässer aus den Verbandsgemeinden betreibt, und ist im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Beitragsbescheids nicht Bestandteil der Entwässerungseinrichtung der Beklagten und auch nicht satzungsmäßiger Bestandteil einer anderen öffentlichen Entwässerungsanlage. Der Beklagten fehlte im Zeitpunkt des Satzungserlasses auch die Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Beitrags-satzung. Soweit eine Kommune die ihr gemäß Art. 34 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) obliegende Aufgabe der Abwasserbeseitigung auf einen anderen Aufgabenträger übertragen hat, fehlt ihr die Kompetenz zum Betrieb einer eigenen Entwässerungseinrichtung. Dies gilt auch für den Fall, dass wie hier nur eine Teilaufgabe, nämlich die Planung, die Errichtung, der Betrieb und die Erhaltung einer Kläranlage mit Hauptsammler übertragen wurde. Denn eine Entwässerungseinrichtung kann nur in dem Umfang von einer Kommune als öffentliche Einrichtung gewidmet und betrieben werden, in dem ihr auch die Aufgabe der Abwasserbeseitigung obliegt (BayVGH, U. v. 14.03.1985 – 23 B 81 A.1257 – BayVBl. 1985, 469).
Durch die ursprüngliche Verbandssatzung des Zweckverbandes … vom 24.06.1974 wurde die Aufgabe, ein Klärwerk mit einem gemeinsamen Hauptsammler zur Zuleitung und Reinigung der Abwässer aus den Verbandsgemeinden zu planen, zu errichten, zu betreiben und zu erhalten, auf den Zweckverband übertragen (§ 5 Abs. 1 der Verbandssatzung). Damit ging gemäß Art. 23 KommZG in der Fassung des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit vom 12.07.1966 (GVBl 1966 S. 218, ber. S. 314) die Befugnis zum Erlass der dazugehörigen Satzungen und Verordnungen sowie die damit zusammenhängenden Befugnisse auf den Zweckverband über, ohne dass es der zusätzlichen ausdrücklichen Übertragung nach § 5 Abs. 4 und 5 der Verbandssatzung noch bedurft hätte. Dort ist allerdings klar geregelt, dass der Zweckverband das Recht hat, an Stelle der Verbandsmitglieder Satzungen und Verordnungen zu erlassen. Insoweit kann von der Gründung lediglich eines „Innenverbandes“, der gleich einem Erfüllungsgehilfen für die Verbandsmitglieder handelt (ThürOVG, U. v. 29.09.2008 – 4 KO 1313/05 – juris Rn. 57; zum Begriff des aufgabenlosen Zweckverbands: SächsOVG, B. v. 16.03.2004 – 5 BS 254/02 – juris), keine Rede sein. Von der ihm durch die Verbandssatzung eingeräumten Satzungsbefugnis hat der Zweckverband jedoch keinen Gebrauch gemacht.“
2. Die Rückübertragung der Rechtsetzungsbefugnis vom Zweckverband auf die Verbandsgemeinden erfordert genauso wie deren Ausschluss eine klare und unmissverständliche satzungsmäßige Regelung
Hierzu führt das Gericht aus:
„Die Formulierung, dass ,die Befugnisse der Verbandsmitglieder zum Erlass von Beitrags- und Gebührensatzungen unberührt bleiben‘, lässt bereits nicht erkennen, ob es sich hierbei um die Satzungskompetenz des Zweckverbandes oder (klarstellend) die verbleibende Satzungskompetenz der Mitgliedsgemeinden für ihre Ortsnetze handeln sollte. Denn die Satzungskompetenz der Mitgliedsgemeinden hinsichtlich der Zentralkläranlage konnte nicht ,unberührt‘ bleiben, weil diese bereits bei der Gründung des Zweckverbandes durch die Verbandsatzung vom 24.06.1974 übergegangen war. …
Angesichts des Ausnahmecharakters des Art. 22 KommZG wäre eine eindeutige und klare Regelung erforderlich gewesen. Unklarheiten führen dazu, dass es bei dem gesetzlichen Regelfall des Übergangs der Befugnisse verbleibt.“
3. Entwässerungssatzung als Grundlage für eine gültige Beitragssatzung
Die Umlegung des Investitionsaufwands über Beiträge nach Art. 5 KAG setzt voraus, dass für die Anlage entweder durch den Zweckverband oder eine oder mehrere (anteilige) Mitgliedsgemeinden eine Entwässerungssatzung erlassen wurde. Fehlt es daran und wird der entsprechende Investitionsaufwand durch eine Mitgliedsgemeinde durch Beiträge abgerechnet, führt dies zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung.
Dazu heißt es in dem Urteil:
„Die Beklagte durfte den auf sie entfallenden Anteil für die Herstellung der Kläranlage nicht zum Aufwand für die Herstellung der von ihr betriebenen öffentlichen Entwässerungsanlage rechnen. Denn er ist dem Zweckverband … entstanden, weshalb im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheids vom 27.02.2014 dieser, nicht aber die Beklagte, befugt gewesen wäre, hierfür Beiträge zu erheben, sofern der Zweckverband eine rechtsgültige Stammsatzung und Abgabensatzung erlassen hätte (vgl. hierzu BayVGH, U. v. 07.11.1991 – 23 B 89.3403 – BeckRS 1991, 9527).
…
Letztlich ist auch bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder eine andere Mitgliedsgemeinde ihre Entwässerungssatzung auf die Anlagen des Zweckverbandes erstreckt hätte. Vielmehr besteht für die Zentralkläranlage von keinem Rechtsträger, also auch nicht vom Zweckverband, eine Entwässerungssatzung. Fehlt es daran und wird der entsprechende Investitionsaufwand durch die Beklagte in die Herstellungsbeiträge einkalkuliert, führt dies zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung.“
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 19.12.2024 – 20 B 22.28
Beitrag entnommen aus Die Gemeindekasse Bayern 16/2025, Rn. 133.