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BGH: Bundespräsident Gauck zu Besuch beim BGH – Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ohne unabhängige Justiz nicht vorstellbar

[…] Gegenstand der Fachgespräche war insbesondere die aktuelle Situation der Zivil- und Strafsenate beim BGH. Dabei wurden unter anderem die seit 2012 eklatant gestiegene Zahl der Nichtzulassungsbeschwerden in Zivilverfahren und die erhebliche Zunahme der Belastung der Ermittlungsrichterinnen und Ermittlungsrichter sowie der Strafsenate des BGH durch Ermittlungs- und Strafverfahren im Zusammenhang mit dem islamistischen Terrorismus erörtert. Die Präsidentin des BGH Bettina Limperg betonte die Notwendigkeit, durch eine verstärkte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Arbeit des BGH und die Bedeutung der Rechtsprechung den Menschen näher zu bringen.

Bundespräsident Joachim Gauck unterstrich die Bedeutung, die rechtsstaatlichen Strukturen und unabhängigen Gerichten zukomme, und erinnerte in diesem Zusammenhang an seine persönlichen Erfahrungen in der DDR:

„Ich habe im Alltag, wie die überwiegende Zahl der Bewohner der DDR, selbst erfahren, was es heißt, wenn der Staat mit unterschiedlicher Elle misst und für die Bürger nicht die gleichen Regeln und Normen gelten wie für die Herrschenden.“

Rechtliches Gehör sei ein hohes Gut.

„Die Menschen der ehemaligen DDR haben es sich in der Friedlichen Revolution hart erkämpft. Auch deswegen sind mir die unabhängigen Gerichte und die Menschen, die hier arbeiten, besonders wichtig. Ich bin dankbar für Ihre Leidenschaft, Ihr Engagement und Einfühlungsvermögen – Sie erfüllen diese Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger“, sagte Bundespräsident Joachim Gauck.

Allerdings würden die jüngsten Geschehnisse in manchen Ländern Europas und in der Türkei die Frage nahelegen, ob schon vergessen worden sei, wie es etwa in Mittelosteuropa bis 1989 um die Kontrolle der Macht durch das Recht und Gerichte bestellt war.

„Die Errungenschaften einer unabhängigen Justiz, die allein dem Recht verpflichtet ist und keiner Staatsführung, auch keiner Ideologie oder Idee, werden heute nicht überall als unverzichtbar angesehen. Damit wird der Rechtsstaat in Frage gestellt, ein Grundwert unserer westlichen Zivilisation, eine unverzichtbare kulturelle Errungenschaft. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind ohne unabhängige Justiz nicht vorstellbar“, betonte das Staatsoberhaupt.

Die Präsidentin des BGH Bettina Limperg zeigte sich über den Besuch des Bundespräsidenten sehr erfreut:

„Ich empfinde den heutigen Besuch des Bundespräsidenten als Zeichen seiner Wertschätzung gegenüber den Menschen, die hier ihren Dienst in der Rechtspflege leisten. Besonders gefreut hat mich, dass der Bundespräsident großen Wert darauf gelegt hat, mit möglichst vielen Gerichtsangehörigen und dabei mit Vertretern aller Berufsgruppen ins Gespräch zu kommen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dankbar dafür, dass sich das Staatsoberhaupt ein Bild der von der Arbeitssituation vor Ort gemacht hat und ein offenes Ohr für die Schilderung der zunehmenden Arbeitsbelastung des Bundesgerichtshofs hatte.“

Hintergrund

Der BGH ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Zivil- und Strafrechtspflege, der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit. Er wurde am 01.10.1950 errichtet und hat seinen Sitz in Karlsruhe. Der 5. Strafsenat des BGH hat seinen Sitz seit Juli 1997 in Leipzig; zuvor war er in Berlin ansässig. Neben der Präsidentin sind am BGH 134 Richterinnen und Richter tätig, darunter 17 Vorsitzende Richterinnen und Richter. Sie üben ihre Rechtsprechungstätigkeit in den zwölf Zivilsenaten, den fünf Strafsenaten, den acht Spezialsenaten und als Ermittlungsrichter aus. Insgesamt arbeiten beim BGH 428 Menschen.

BGH, Pressemitteilung v. 06.12.2016