Rechtsprechung Bayern

Bodenverunreinigung durch verschiedene chemische Reinigungsbetriebe

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Amtliche Leitsätze:

1. Es ist mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar, bereits in einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung gegenüber einem Zustandsverantwortlichen den Verkehrswert, der für den Grundstückszustand nach Abschluss der angeordneten oder erstrebten Sanierung prognostiziert wird, als Belastungsobergrenze betragsmäßig festzulegen, wenn eine gesteigerte Ungewissheit über die Sanierungsdauer oder den Sanierungserfolg besteht. Die Behörde ist in diesem Fall (nur) berechtigt und verpflichtet, darüber zu entscheiden, ob die Haftung auf den Verkehrswert beschränkt ist oder wegen Besonderheiten des Einzelfalls ausnahmsweise den Verkehrswert über- oder unterschreitet. Eine betragsmäßige Festlegung der Haftungsgrenze ist erst nach Abschluss der Sanierung oder einer anderweitigen Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit durch gesonderten Bescheid möglich.

2. Für die Bestimmung des Verkehrswerts sind namentlich die §§ 192 ff. BauGB und die Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung maßgeblich. Verbleibende Restkontaminationen (Restbelastungen) sind hiernach ebenso zu berücksichtigen wie gegebenenfalls ein merkantiler Minderwert auch im Falle der erfolgreichen Sanierung. Zugrunde zu legen sind für die Wertbestimmung außerdem nicht nur die konkrete gegenwärtige Nutzung des betroffenen Grundstücks, sondern jede planungsrechtlich gegenwärtig oder auch absehbar zulässige Nutzung. Dingliche Belastungen, insbesondere Grundpfandrechte und der Umfang ihrer Valutierung, sind für die Höhe des Verkehrswerts nicht relevant.

3. Dingliche Belastungen des verunreinigten Grundstücks müssen bei der Bestimmung des Haftungsbetrags nicht aus Gründen der Zumutbarkeit in der Weise berücksichtigt werden, dass der an sich aus dem Verkehrswert gebildete Haftungsbetrag im Umfang der dinglichen Belastungen beziehungsweise im Umfang der Valutierungsbeträge zu reduzieren ist.

BayVGH, Urteil vom 26.09.2023, 24 B 22.167 (nicht rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Der Kläger wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung und eine betragsmäßig festgesetzte Belastungsgrenze.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einer gewerblich genutzten Halle bebauten Grundstücks Flur-Nr. 1. Er erwarb das Grundstück, das zuvor jahrzehntelang von verschiedenen chemischen Reinigungsbetrieben genutzt wurde, im September 1989. Nachdem anschließend der Besitz auf ihn übergegangen war, meldete er 1990 einen Werkzeug- und Formenbaubetrieb an. Als Eigentümer wurde er erst 2000 eingetragen. Nach § 15 des Kaufvertrags sicherte die Verkäuferin dem Kläger zu, in den nächsten zehn Jahren sämtliche Kosten für etwaige Umweltschäden aus ihrem Betrieb der chemischen Reinigung zu übernehmen beziehungsweise ihm entstehende Kosten zu erstatten.

Das Grundstück ist vielfach dinglich belastet. In der zweiten Abteilung des Grundbuchs wurde 2001 ein Bodenschutzlastvermerk nach § 25 BBodSchG eingetragen. In der dritten Abteilung sind seit den 1990er und 2000er Jahren unter anderem zugunsten einer Bank eine Grundschuld zu 355 000,00 DM und eine Grundschuld ohne Brief zu 1 Mio. DM sowie für den Freistaat Bayern eine Zwangssicherungshypothek über rund 617 000,00 Euro eingetragen, deren Löschung aber zwischenzeitlich bewilligt wurde.

Ende 1988 stellte das Landratsamt I (im Folgenden: Landratsamt) fest, dass der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen durch die jeweiligen Reinigungsbetriebe nicht korrekt erfolgt sei, insbesondere Schadstoffe in größerem Umfang vergraben worden seien. Namentlich die Gehalte an Tetrachlorethen seien sehr hoch. Es erließ deshalb im Jahr 1990 gegenüber der Voreigentümerin und Betreiberin der chemischen Reinigung einen Bescheid zur Schadenserkundung. Die Voreigentümerin befolgte den Bescheid nicht. Daraufhin beauftragte das Landratsamt selbst ein Institut mit einer Untersuchung. Es wurden erhebliche Kontaminationen des Grundstücks festgestellt.

Da es dem Landratsamt nicht möglich erschien, die Schäden auf Handlungen konkreter früherer Eigentümer beziehungsweise Betriebsinhaber zurückzuführen, verpflichtete es im August 1993 den Kläger durch Bescheid, ein Fachinstitut zu beauftragen und bereits begonnene Sanierungsarbeiten fortzusetzen. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben (AN 13 K 94.00950), das gerichtliche Verfahren ruht bis heute. 1997 vereinbarte der zuständige Landkreis mit der Gesellschaft für Altlastensanierung in Bayern mbH die Durchführung einer fünfjährigen Sanierung und die Aufteilung der auf rund 1 Mio. DM geschätzten Sanierungskosten. In einem gesonderten Vertrag verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Gesellschaft, in Raten 150 000,00 DM zur Sanierung beizutragen. Er kam seinen Verpflichtungen teilweise nach. 2003 kam es zu einer Anschlussvereinbarung.

Im Jahr 2005 wurde die Sanierung zunächst beendet. Da jedoch im Jahr 2009 ein erneuter Anstieg der Schadstoffkonzentrationen festgestellt wurde, verpflichtete das Landratsamt den Kläger zunächst im Dezember 2010 mit Bescheid, weitere Schadensuntersuchungen vorzunehmen, und sodann auf der Basis der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse mit Bescheid vom 21. Mai 2012, näher bezeichnete Sanierungsmaßnahmen (Nr. 1) innerhalb bestimmter Fristen (Nr. 3) durchführen zu lassen und über den Sanierungsfortschritt zu berichten (Nrn. 2, 4). Die Belastungsgrenze wurde auf 183 000,00 Euro festgesetzt (Nr. 5), ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 6) und der Kostenbetrag der Ersatzvornahme, bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren, vorläufig mit circa 56 000 Euro brutto veranschlagt (Nr. 7). Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 8).

Hiergegen erhob der Kläger am 29. Juni 2012 Klage. In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2014 äußerte das Verwaltungsgericht Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Anordnung, ordnete aber auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an, um Einigungsgespräche zu ermöglichen. Eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens gelang in der Folge jedoch nicht. Mit Bescheid vom 17. März 2015 änderte das Landratsamt den Bescheid vom 21. Mai 2012 und präzisierte insbesondere die zu erreichenden Sanierungsziele und ergänzte die Gründe.

Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Januar 2019 den Bescheid in der Gestalt des Änderungsbescheids auf.

Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung.

In der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2023 führte der Beklagte aus, dass inzwischen das Sanierungsziel aus dem streitgegenständlichen Bescheid erreicht worden sei. Da jedoch die Schadstoffwerte wieder angestiegen seien, werde derzeit durch das Landratsamt noch ein Monitoring betrieben. Bisher sei nur eine leicht steigende Tendenz der Werte festzustellen. Es stehe jedoch noch nicht abschließend fest, ob weitere Maßnahmen zur Sanierung des Grundstücks in Zukunft erforderlich seien. Weiter erklärt der Beklagte, dass seit den 1990er-Jahren insgesamt Sanierungskosten von rund 980 000 Euro entstanden seien. Der Kläger habe sich mit rund 45 000 Euro beteiligt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

[…]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern Heft 3/2024, S. 87 ff.