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BayVGH zum Abschleppen nicht zugelassener Kfz – Auch bei regelkonformem Parken möglich

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern zu BayVGH, Beschl. v. 17.02.2017 – 8 ZB 15.2237 / Weitere Schlagworte: Unmittelbare Ausführung einer Abschleppmaßnahme nach Sondernutzungsrecht; Kostenerhebung; Verhältnismäßigkeit der unmittelbaren Ausführung / Landesrechtliche Normen: BayStrWG

von Oberlandesanwalt Marcus Niese, Landesanwaltschaft Bayern

Leitsatz des BayVGH:

Wird ein nicht zum öffentlichen Verkehr zugelassenes Kfz, das auf öffentlichem Straßengrund abgestellt ist, nach Sondernutzungsrecht im Wege der unmittelbaren Ausführung abgeschleppt, so kommen die Grundsätze für das Abschleppen verbotswidrig geparkter, aber zum öffentlichen Verkehr zugelassener Fahrzeuge nicht zur entsprechenden Anwendung.

Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern

Die Entscheidung des BayVGH spricht die unterschiedlichen Anforderungen an, die für das Abschleppen nicht zugelassener Fahrzeuge einerseits und zugelassener Fahrzeuge andererseits von öffentlichem Straßengrund gelten. Nicht zum öffentlichen Verkehr zugelassene Kraftfahrzeuge können nach Straßenrecht allein schon wegen der fehlenden Zulassung abgeschleppt werden; es ist nicht zu­sätzlich erforderlich, dass das Fahrzeug verbotswidrig abgestellt ist und den Verkehr behindert oder gefährdet.

Ausgangspunkt der Entscheidung war die Anfechtung eines Kostenbescheides, der den Kläger zur Zahlung der Auslagen verpflichtet hatte, die durch das Abschleppen eines auf einem regulären Parkplatz im öffentlichen Straßengrund abgestellten, offensichtlich fahrtüchtigen, aber nicht zugelassenen LKW schon vier Stunden nach dem Parkbeginn entstanden waren. Das Parken ohne Zulassung war erkennbar auf einen Verkauf des Fahrzeugs zurückzuführen.

Die Auslagenerhebung (Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG) basiert nach dem Urteil des BayVGH auf einer rechtmäßigen (Art. 16 Abs. 5 KG) Amtshandlung.

Zum einen sei der Voraustatbestand einer fiktiven Grundverfügung nach Art. 18a Abs. 1 Satz 1 BayStrWG deshalb erfüllt, weil das Abstellen des nicht zugelassenen Fahrzeugs auf öffentlichem Straßengrund eine unerlaubte Sondernutzung i.S.d. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG darstelle (Rn. 12 f.).

Zum anderen wäre der tatsächliche Erlass einer solchen „normalen“ Grundverfügung vorliegend i.S.v. Art. 18a Abs. 1 Satz 2 BayStrWG nur unter unverhältnismä­ßigem Aufwand möglich gewesen. Denn Halterermittlungspflichten bei Fahrzeugen ohne Kennzeichen würden die behördliche Aufgabenerfüllung im Bereich der Massenverwaltung nachhaltig behindern oder gar zum Erliegen bringen (Rn. 16).

Der weit gefasste Leitsatz findet im Urteil in Rn. 17 eher versteckt Niederschlag. Das Abschleppen straßenverkehrsrechtlich verboten abgestellter Fahrzeuge – zugelas­sen oder nicht – erfolgt üblicherweise auf Veranlassung der Polizei auf der Rechts­grundlage des Art. 25 Abs. 1 Nr. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG. Voraussetzung für ein solches polizeilich veranlasstes Abschleppen ist, dass das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug den Verkehr behindert oder gefährdet (vgl. VwV zu Art. 25 PAG). In die­sem Sinne hätte im vorliegenden Fall der nicht zugelassene, aber ordnungsgemäß geparkte LKW nicht abgeschleppt werden können. Dies hinderte aber – und dies hat der BayVGH mit dem Leitsatz klargestellt – nicht das Abschleppen des nicht zu­gelasse­nen Fahrzeugs auf der Grundlage des Art. 18a Abs. 1 BayStrWG. Dass ein verkehrstüchtiges Fahrzeug nicht ohne Weiteres schon nach kurzer Standzeit Flüs­sigkeiten verliert bzw. ein parkendes Fahrzeug einen Parkplatz belegt und damit an­deren Verkehrsteilnehmern wegnimmt – der BayVGH spricht dies in Rn. 17 an –, ist jeweils evident. Behinderungen oder Gefahren im Sinne der im Leitsatz erwähnten „Grunds­ätze für das Abschleppen verbotswidrig geparkter, aber zum öffentlichen Verkehr zugelassener Fahrzeuge“ lassen sich hieraus freilich nicht herleiten. Darauf kommt es aber bei Abschleppvorgängen nach Art. 18a Abs. 1 BayStrWG auch nicht an. Ent­sprechendes muss – erst recht – für das Abschleppen von Autowracks gelten.

Net-Dokument: BayRVR2017041801 (über die ohne Leerzeichen einzugebende Net-Dokumenten-Nummer ist der Beitrag über die BayRVR-interne Suche und i.d.R. auch über Google jederzeit eindeutig identifizierbar und direkt aufrufbar)

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Anmerkung der Redaktion

Oberlandesanwalt Marcus Niese ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. für das Straßen- und Wegerecht, das Luftverkehrsrecht sowie das Wasserstraßen- und Eisenbahnkreuzungsrecht zuständig.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen zum 15. eines jeden Monats (ggfls. am darauf folgenden Werktag) eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor: Beiträge der LAB.