Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf zur Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums in Bayern

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Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/17725 v. 11.07.2017). Dieser sieht entsprechende Änderungen des BayEUG vor. Die neunjährige Lernzeit wird hiernach stufenweise, beginnend mit dem Schuljahr 2018/2019 in den Jahrgangsstufen 5 und 6 eingeführt. Das Gesetz soll am 01.08.2018 in Kraft treten.

Als Grund für die Gesetzesinitiative nennt der Gesetzentwurf „aktuelle pädagogische und bildungspolitische Entwicklungen, die eine angemessene und verantwortungsvolle Antwort erfordern“ und eine Weiterentwicklung des Gymnasiums notwendig machten. Erforderlich sei insbesondere eine Antwort auf „aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, die gestiegene Heterogenität der Schülerschaft an den Gymnasien, die erhöhten Ansprüche an die Schulen, die Aussetzung der Wehrpflicht (mit Auswirkungen auf den Studien- und Berufseintritt) und den Wunsch nach mehr Zeit für Persönlichkeitsentwicklung als Voraussetzung für umfassende Aufgaben- und Problemlösekompetenz“. Auch sei zu reagieren auf die gewandelten Anforderungen an junge Erwachsene im 21. Jahrhundert, wie insbesondere die zunehmende Digitalisierung zentraler Lebensbereiche, die gestiegene Bedeutung der Naturwissenschaften und fremdsprachlicher Kompetenzen im Berufsleben, die hohe Meinungspluralität im Medienzeitalter und die Bedeutung der politischen Bildung. Schließlich sei auch dem Wunsch nach zeitlicher Entlastung der Schülerinnen und Schüler, insbesondere durch Reduzierung des Nachmittagsunterrichts, zu entsprechen.

Die Einführung der neunjährigen Lernzeit am bayerischen Gymnasium eröffne zusätzliche konzeptionelle Möglichkeiten und sichere auf diese Weise den gymnasialen Qualitätsanspruch. Dabei würden einerseits die pädagogischen Errungenschaften der letzten Jahre, die sich im G8 bewährt hätten, beibehalten, andererseits würde aber auch aktuellen Herausforderungen Rechnung getragen.

I. Konzeptionelle Eckpunkte des G9

Die konzeptionellen Eckpunkte sind von besonderem Interesse. Der Gesetzentwurf macht hierzu umfängliche Ausführungen und ist verständlich formuliert, so dass er im Folgenden vollumfänglich wiedergegeben wird:

„1. Der bewährte Qualitätsanspruch des bayerischen Gymnasiums wird gesichert.

Der Qualitätsanspruch des bayerischen Gymnasiums stellt bei seiner Weiterentwicklung die oberste Richtschnur dar. Die jungen Menschen sollen hier Studierfähigkeit, vertiefte Allgemeinbildung, Reflexionsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein erwerben. Dazu bedarf es einer hohen Qualität gymnasialer Bildung. Das bayerische Abitur bleibt Maßstab in Deutschland.

2. Neun Jahre Lernzeit von Jahrgangsstufe 5 bis 13 – „Gymnasium aus einem Guss“

Das bayerische Gymnasium umfasst künftig in einem organischen Bildungsgang die Jahrgangsstufen 5 bis 13. Die zweite Fremdsprache setzt weiterhin in Jahrgangsstufe 6, das Profil der Ausbildungsrichtungen in Jahrgangsstufe 8 ein – auch diese Bereiche profitieren somit von einem zusätzlichen Lernjahr. Nach Jahrgangsstufe 10 wird der Mittlere Schulabschluss erreicht, die „neue“ Jahrgangsstufe 11 bildet künftig die Einführungsphase der Oberstufe. Der Lehrplan wird konzeptionell auf die neunjährige Lernzeit ausgerichtet, dabei wird auch die Oberstufe einbezogen. Er stellt das zentrale Element der Qualitätssicherung und – durch vertieften Kompetenzerwerb – auch -steigerung dar.

3. Individuelle Lernzeit

Schülerinnen und Schüler sollen ihre Lernzeit bis zum Abitur an jedem Schulstandort individuell um ein Jahr verkürzen können (institutionell verankerte „Überholspur“). Im Rahmen eines auf zwei Jahre angelegten strukturierten Förder- und Begleitangebots sollen diese Schülerinnen und Schüler in Zusatzkursen vorbereitet werden:

  • Die Schule stellt durch geeignete Maßnahmen sicher, dass Schülerinnen und Schüler rechtzeitig informiert, gezielt angesprochen und entsprechend beraten werden.
  • Sie erhalten strukturierte Förder- und Begleitmodule. In diesem Modell werden über einen Zeitraum von zwei Jahren vor dem Auslassen der Jahrgangsstufe 11 (d.h. in den Jahrgangsstufen 9 und 10) am Nachmittag Zusatzmodule, i.d.R. in Kernfächern (d.h. Deutsch, Mathematik, Fremdsprache), im Umfang von bis zu vier Wochenstunden pro Schuljahr eingerichtet.
  • Die betreffenden Schülerinnen und Schüler können dann am jeweiligen Schulstandort, im jeweiligen Zweig und bis zur Jahrgangsstufe 10 in derselben Klasse verbleiben.
  • Schülerinnen und Schülern, die die Lernzeit verkürzen, soll eine Lehrkraft als spezieller Ansprechpartner („Mentor“) zur Verfügung stehen und sie bis zum Eintritt in die Qualifikationsphase beraten und begleiten.
  • Schulen, an denen die Lernzeitverkürzung für einen vergleichsweise großen Anteil der Schülerinnen und Schüler etwa durch besonders gut gestaltete Förder- und Begleitmodule erfolgreich umgesetzt wird, sollen zusätzliche Unterstützung erhalten.

4. Optionales Auslandsjahr (Internationalisierung)

Schülerinnen und Schüler können sich im neuen bayerischen Gymnasium unter Inanspruchnahme der genannten Förderangebote alternativ zur „Überholspur“ auch auf einen Auslandsaufenthalt vorbereiten, mit dem ein Jahr der Beschulung in Bayern ausgelassen werden soll. Einen zusätzlichen Anreiz für ein solches Auslandsjahr könnte ein Stipendienprogramm bieten, das Schülerinnen und Schülern unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bestimmte Schulleistungen) im Vorfeld und während eines Auslandsaufenthalts unterstützt.

5. Eröffnung neuer konzeptioneller Möglichkeiten

Die Einführung einer grundständig neunjährigen Lernzeit eröffnet zusätzliche konzeptionelle Möglichkeiten. Die zusätzliche Lernzeit soll – je nach Fach und Ausgestaltung der Stundentafel – einerseits für Vertiefung und zusätzliche Wiederholung, darüber hinaus aber auch zur Behandlung zusätzlicher, d.h. neu aufzunehmender Inhalte im Sinne eines vertieften Kompetenzerwerbs genutzt werden. Das neue bayerische Gymnasium wird aktuelle Herausforderungen einbeziehen (z.B. politische Bildung, Persönlichkeitsbildung, Digitalisierung, gestiegene Bedeutung der Naturwissenschaften und fremdsprachlicher Kompetenzen im Berufsleben, Studien- und Berufsorientierung, MINT, außerschulische Lernorte, Vertiefung der Studierfähigkeit).

6. Innovative Konzeption der „neuen“ Jahrgangsstufe 11

Als Einführungsphase der Oberstufe kommt der „neuen“ Jahrgangsstufe 11 eine besondere Bedeutung zu. Sie wird dieser Funktion entsprechend inhaltlich und konzeptionell ausgestaltet. Zur Vorbereitung auf die Qualifikationsphase der Oberstufe sollen verstärkt vorwissenschaftliche Kompetenzen (Propädeutik) erworben werden, mit der Vorverlagerung des P-Seminars aus der Qualifikationsphase in die neue Jahrgangsstufe 11 ist zudem eine Neuakzentuierung der beruflichen Orientierung vorgesehen. Die Jahrgangsstufe 11 bietet ferner Raum für eine Stärkung der digitalen und politischen Bildung. Auch die Teilnahme an Begabtenförderungsangeboten (wie z.B. „Projekt Unitag“, Frühstudium) bietet sich auf Grund des fortgeschrittenen Reifegrads der Schülerinnen und Schüler in dieser Jahrgangsstufe an. All dies leistet einen wesentlichen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung der jungen Erwachsenen auf ihrem Weg in die Qualifikationsphase und zum Abitur.

7. Stundentafel (Stundenumfang, Fächerkanon)

Das Ziel der breiten, vertieften Allgemeinbildung wird auch die Stundentafel des neunjährigen Gymnasiums prägen. Folgende Akzente sollen gesetzt werden:

  • 17 bis 19 Wochenstunden zusätzlicher Pflichtunterricht gegenüber G8
  • Reduzierung des Nachmittagsunterrichts in Unter- und Mittelstufe
  • Beginn der zweiten Fremdsprache auch künftig in Jahrgangsstufe 6
  • Erwerb des Mittleren Schulabschlusses nach Jahrgangsstufe 10
  • Einbeziehung aktueller Entwicklungen (z.B. Stärkung der digitalen Bildung/Informatik, der politischen Bildung, der Studien- und Berufsorientierung)
  • Beibehaltung der Grundstruktur der bisherigen Oberstufe
  • Erhalt der Intensivierungsstunden in bestimmtem Umfang
  • Stärkung der Kernfächer
  • Stundenausstattung pro Fach entspricht mindestens der im G8 (kein Fach wird schlechter gestellt).

Die Konkretisierung erfolgt durch die Änderung der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern. Auf diesen Eckpunkten wird vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst folgender Rahmen für den Pflichtunterricht vorgeschlagen:

 

 

 

 

Die Erlaubnis zum Vorrücken in die Jahrgangsstufe 11 des Gymnasiums schließt den Nachweis eines mittleren Schulabschlusses unverändert ein (Art. 25 Abs. 2 BayEUG).“

II. Kosten

So wie die konzeptionellen Eckpunkte auf das besondere – inhaltlich geprägte – Interesse der Lehrerschaft stoßen werden, sind die Kosten von besonderem – finanziellen – Interesse für die Träger des Personal- bzw. Sachaufwands, für Staat und Kommunen, und nicht zuletzt für die Privatschulen. Bei derart umfänglichen Änderungen aber auch für die Gesellschaft als solches. Auch hier macht der Gesetzentwurf umfängliche und verständliche Ausführungen, weshalb er umfassend wiedergegeben werden soll:

„1. Allgemeines 

Allgemein gilt bei der Umstellung auf eine neunjährige Lernzeit, dass in den Jahren des Aufwuchses auf Grund geringerer Stundentafelumfänge die Bedarfe im Vergleich zu einem reinen G8 bei gleichbleibender Schülerzahl zunächst sinken. Mehrbedarfe gegenüber einem reinen G8 (sog. Kostenaufschlag) entstehen dann, wenn der erste Jahrgang in das 13. Schuljahr eintritt und die Schülerzahl sprunghaft ansteigt. Dies ist bei einer Umstellung auf ein neunjähriges Gymnasium mit den Jahrgangsstufen 5 und 6 im Schuljahr 2018/2019 zum Schuljahr 2025/2026 (und damit zum Doppelhaushalt 2025/2026) der Fall. Im Vorgriff auf den „Kostenaufschlag“ fallen zum Schuljahr 2020/2021 durch die laufende Pilotphase der Mittelstufe Plus ohnehin Mehrbedarfe i.H.v. ca. 150 Stellenäquivalenten an (die restlichen Stellenäquivalente zum Schuljahr 2025/2026).

2. Kosten für den Staat

2.1 Personalkosten

Unter rechnerischer Annahme der genannten Eckdaten zu einer möglichen Stundentafel und einer zusätzlichen Pflichtbelegung von 17 bis 19 Wochenstunden aus Schülersicht führt eine Kostenabschätzung für ein grundständiges neunjähriges Gymnasium gegenüber einem reinen G8 zu Mehrbedarfen i.H.v. ca. 1.000 Stellenäquivalenten (StÄ) (entspricht ca. € 100 Mio. p. a. Stand 2026). Auf zeitliche Bedarfsschwankungen (vor „Kostenaufschlag“ zunächst Absinken der Bedarfe) soll durch geeignete Maßnahmen reagiert werden (z.B. Sperrung von Stellen im Haushalt, Einführung eines Arbeitszeitkontos, Einstellung in Vorjahren auf Basis von 2/3-Verträgen, ggf. „Einschleifen“ von Mehrbedarfen).

Eine genauere Kostendarstellung ist erst nach der Konkretisierung durch die Änderung der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern, insbesondere die genaue Verteilung der Pflicht- und Intensivierungsstunden auf die einzelnen Jahrgangsstufen, möglich, für die ebenfalls zunächst eine Verbandsanhörung durchzuführen ist.

2.2 Privatschulförderung

Ersatzschulen werden nach den Bestimmungen des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG) staatlich gefördert. Mit dieser Förderung trägt der Freistaat Bayern der verfassungsrechtlich garantierten Privatschulfreiheit Rechnung. Hinsichtlich der Mehrkosten ist davon auszugehen, dass diese bei Einbeziehung der Jahrgangsstufe 6 in ein grundständiges neunjähriges Gymnasium im Schuljahr 2018/2019 zum Schuljahr 2025/2026 auftreten. Die staatlichen Zuschüsse sind schülerzahlbezogen; der Betriebszuschuss i.H.v. 112 v.H. des Lehrpersonalaufwands wird für Personal- und Sachaufwand gewährt. Die derzeitigen staatlichen Zuschüsse von ca. € 235,8 Mio. werden sich prognostisch um ca. € 14,1 Mio. jährlich erhöhen (davon € 4,6 Mio. staatlicher Schulgeldersatz und ca. € 9,5 Mio. an Betriebs- und Versorgungszuschüssen; prognostische Einsparungen hinsichtlich möglicher Änderungen bei der Gewährung der Betriebs- und Versorgungszuschüsse (primär des G8-Zuschlags) wurden dabei in der Summe bereits berücksichtigt).

Für die zusätzlichen Schüler sind auch an den privaten Schulen Baumaßnahmen erforderlich. Gem. Art. 43 BaySchFG erhalten die Schulträger Zuschüsse bis zu 50 v.H. der zuschussfähigen Kosten als freiwillige Zuwendung nach Maßgabe des Staatshaushalts.

3. Kosten für die Kommunen

Bei Einführung eines grundständigen neunjährigen Gymnasiums findet das Konnexitätsprinzip Anwendung, da der Staat den Kommunen besondere Anforderungen (Ausstattung einer zusätzlichen Jahrgangsstufe) an die Erfüllung bestehender Aufgaben stellt.

Konnexitätsrelevant ist dabei jeweils ausschließlich der durch das neunjährige Gymnasium bedingte Teil der Kosten; andere Faktoren – wie z.B. demografiebedingte Mehrbedarfe oder Änderungen im Übertrittsverhalten – werden im Rahmen der üblichen Leistungen bezuschusst.

Die Konnexitätsregelung dient auch dazu, dem Gesetzgeber die finanziellen Konsequenzen seiner Entscheidungen über die Übertragung von Aufgaben an die Kommunen oder deren Erweiterung umfassend vor Augen zu führen. Eine grobe Abschätzung kann die zu erwartenden Kosten wie folgt darstellen:

3.1 Sachaufwandsträgerschaft (Pflichtaufgabe)

Kreisfreie Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände sind nach dem BaySchFG Träger des Sachaufwands der staatlichen und natürlich auch der kommunalen Gymnasien.

Das Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst geht bei Einführung des neunjährigen Gymnasiums von folgenden Voraussetzungen aus:

Für den Schulbau ist mit einmalig grob geschätzt rd. € 500 Mio. zu rechnen (aufgeteilt voraussichtlich auf die Haushaltsjahre 2021 bis 2025 entsprechend den in einer Bekanntmachung im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden zu findenden Bestimmungen über die Deckung der Kosten).

Diese Grobabschätzung möglicher Schulbaukosten durch Einführung eines G9 beruht auf folgenden Parametern:

  • Ausgehend von den amtlichen Schülerzahlen der Schuljahre 2010/2011 (letztes Schuljahr mit 9 Jahrgängen) und 2016/2017 (aktuelle amtliche Statistik) wurden die Schülerzahlen auf Kreisebene entsprechend der Bevölkerungsvorausberechnung des Landesamts für Statistik für die schulartrelevante Altersgruppe der 10- bis 19-Jährigen auf das Schuljahr 2025/2026 „demografisch“ projiziert. Anschließend wurde der Schülerzuwachs durch das G9 im Schuljahr 2025/2026 aufgeschlagen.
  • Für die in den Kreisen prinzipiell verfügbare Raumkapazität wurde zunächst von den Schülerplätzen des Jahres 2011 ausgegangen. Der Baubestand des Jahres 2011 wurde um einen pauschalen Abschlag in Höhe von 5% gemindert, da einige Räume heute evtl. nicht mehr als Klassenräume nutzbar sind. In einem weiteren Schritt werden „Raumverluste“ auf Grund der seit 2010/2011 gesunkenen durchschnittlichen Klassenstärken über einen zweiten Abschlag auf die Bestandskapazität berücksichtigt (je Entwicklung im Kreis), der sich im Ergebnis auf weitere gut 5% beläuft. Die seit 2010 erfolgten 12 Schulneugründungen werden mit ihrer Kapazität dem Bestand zugeschlagen.
  • Auf Basis dieser rechnerischen Setzungen und Modellrechnungen ist mit einer Schülermehrung im Schuljahr 2025/2026 gegenüber dem Jahr 2011 auf Grund der Demografie und einer G9-Einführung nur in bestimmten kreisfreien Städten und Landkreisen zu rechnen.
  • Für diese kreisfreien Städte und Landkreise wurden die Kosten der Schülerzahlmehrungen rechnerisch zunächst mit bis zu 5% des Bestands durch Erweiterung bestehender Gymnasien abgedeckt (= Kosten für einen zusätzlichen Klassenraum einschl. ¼ Fachraum und 30% Aufschlag für weitere Nutzfläche mit dem Kostenrichtwert pro m² der Zuweisungsrichtlinie – FAZR). Darüber evtl. hinausgehende Schülerzuwächse werden durch Neuerrichtung von Gymnasien abgedeckt (= Schätzwert auf Basis der Baukosten der zurückliegenden Neugründungen unter Fortschreibung der damaligen Baupreise auf das heutige Preisniveau mittels der seither erfolgten Anpassungen des Finanzausgleichsgesetz (FAG)-Kostenrichtwerts). Die Kosten für Erweiterungsbauten und Neuerrichtungen werden zudem über die Regionalfaktoren des BKI-Index (Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern) kreisbezogen an das regionale Baupreisniveau angepasst.
  • Der auf die demografische Entwicklung entfallende Anteil der Baukosten wurde auf Basis der Schülerzahlentwicklung ermittelt, wie sie sich bei einem Verbleib im G8 ohnehin vollzogen hätte. Die Bezuschussung dieser demografiebedingten Baukosten erfolgt regulär nach den jeweiligen FAG-Fördersätzen der Kommunen. Nur der verbleibende Anteil der Baukosten ist damit G9-bedingt.

Diese der Abschätzung notwendig zu Grunde zu legenden Annahmen führen nicht zu einem Ausschluss des Rechtsanspruchs des einzelnen kommunalen Sachaufwandsträgers auf Kostenersatz nach dem Konnexitätsprinzip. Die bei wirtschaftlicher Verwaltungstätigkeit nach dem Konnexitätsprinzip notwendig anfallenden Kosten und der dafür zu gewährende finanzielle Ausgleich der Mehrbelastung werden in einer Bekanntmachung im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden näher umschrieben, um handhabbare Maßstäbe für die jeweilige Einzelfallprüfung bei der Auszahlung der nach Bedarf bereitzustellenden Mittel zu gewährleisten.

3.2 Schülerbeförderungskosten

Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den Jahrgangsstufen 5 bis 10, die gegenüber ihrer Wohnsitzkommune (Landkreis bzw. kreisfreie Stadt) ggf. einen Anspruch auf Übernahme und Organisation der Beförderung zu ihrer Schule haben, wird durch die Lernzeitverlängerung nicht verändert. Die Schülerzahlmehrung um rd. ein Achtel wird somit relevant für die Gruppe der Schüler in den Jahrgangsstufen 11 bis 13. Da diese grundsätzlich einen Familieneigenanteil i.H.v. derzeit € 420 pro Schuljahr zu tragen und gegenüber dem Aufgabenträger der Schülerbeförderung (nur) einen Anspruch auf Erstattung der darüber hinausgehenden Kosten haben, können Mehrkosten im Regelfall nur bei Überschreiten der € 420-Familienbelastungsgrenze entstehen. Zudem liegen nicht bei allen Schülern die Voraussetzungen (z.B. Schulwegmindestlänge, Besuch der nächstgelegenen Schule) für den Erhalt der Leistungen vor. Zur Anzahl der berechtigten Schüler sowie derjenigen Schüler, die auf Grund der Härtefallregelungen die volle Kostenerstattung erhalten, liegen keine Daten vor. G9-bedingte Gesamtmehrkosten können daher nur sehr grob mit € 5,2 Mio. abgeschätzt werden.

Jedoch könnten eventuellen Mehrkosten Einsparungen bei den Beförderungskosten durch den Wegfall von Nachmittagsunterricht gegenüberstehen. Bei der Schätzung der Entwicklung der Schülerbeförderung bei Einführung des achtjährigen Gymnasiums wurde davon ausgegangen, dass der vermehrte Nachmittagsunterricht zu erhöhtem Aufwand für die Landkreise von ca. € 4,5 Mio. führen wird. Dieser wird den Landkreisen vom Freistaat Bayern durch Erhöhung der Zuweisungen um jährlich € 4,5 Mio. voll erstattet. Da der Grund für diesen Ausgleich jedenfalls spätestens ab dem Schuljahr 2025/2026 wegfällt, kann der Betrag bei der Ermittlung einer etwaigen kommunalen Mehrbelastung gegengerechnet werden (Nr. II.2.3 der Konsultationsvereinbarung).

Von den kommunalen Spitzenverbänden wird bestritten, dass sich durch den Wegfall von Nachmittagsunterricht im neunjährigen Gymnasium Einsparungen bei den Beförderungskosten ergäben. Der Grund für die damalige Erhöhung der Zuweisungen, der vermehrte Nachmittagsunterricht im G8, fällt aber in jedem Fall weg. Andere Gründe für die Beibehaltung von Beförderungsaufwand können nicht als durch das neunjährige Gymnasium bedingt anerkannt werden.

Die verbleibende Mehrbelastung i.H.v. geschätzt rd. 0,7 Mio. (ggf. abzüglich eines kommunalen Eigeninteresses) ist dabei den Kommunen zu 100% vom Staat zu erstatten: zum einen über die reguläre FAG-Bezuschussung, zum anderen über den Kostenausgleich im Zuge der Konnexität. Da der Staat den Kommunen zu den Kosten der notwendigen Beförderung einschließlich der Aufwendungen für die Kostenerstattung pauschale Zuweisungen nach Maßgabe der bisherigen allgemeinen Regeln i.H.v. derzeit ca. 60% gewährt (Art. 4 SchKfrG, Art. 10a FAG), ist für den Konnexitätsausgleich nur der den Kommunen verbleibende Eigenanteil im Bereich der Gymnasien maßgeblich.

3.3 Aufwendungen für Lernmittel für die zusätzlichen Schüler im neunjährigen Gymnasium

Bis einschließlich Schuljahr 2024/2025 entsteht gegenüber dem achtjährigen Gymnasium kein Mehraufwand für Lernmittel. Der zeitlich zusammentreffende Lehrplanwechsel ist nicht durch das neunjährige Gymnasium bedingt. Einmalige zusätzliche Anschaffungskosten entstehen im Schuljahr 2025/2026 durch die Ausstattung einer weiteren Jahrgangsstufe mit rd. 10 Büchern im Wert von durchschnittlich € 30 (ca. € 300 Euro je Schüler). Bei ca. 33.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern entspricht dies rd. € 9,9 Mio. für die Erstanschaffung der Lernmittel. Da eine vollständige Finanzierung der Bücher erfolgt ist, werden die staatlichen Zuweisungen an die kommunalen Träger des Schulaufwands in Höhe von (derzeit) € 26,67 gem. Art. 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BaySchFG für die zusätzlichen Schüler vom Schuljahr 2025/2026 bis zum Schuljahr 2028/2029 für vier Jahre ausgesetzt. Damit setzt unter Berücksichtigung der bestehenden Erfahrungen bezüglich der Lebensdauer von Schulbüchern die staatliche Regelförderung gem. BaySchFG zum Schuljahr 2029/2030 wieder ein.

3.4 Personalkosten an kommunalen Gymnasien

Personalmehrkosten gegenüber einem reinen G8 können sich für die Kommunen wie für den Staat auch bei Einbeziehung der Jahrgangsstufe 6 in ein grundständiges G9 im Schuljahr 2018/2019 erst zum Schuljahr 2025/2026 ergeben. Auf der Grundlage der amtlichen Schülerzahlen 2016/2017 ist für die kommunalen Gymnasien proportional zu den im staatlichen Bereich erforderlichen ca. 1.000 StÄ mit entsprechenden Personalmehrkosten für ca. 86 StÄ im Wege der Schätzung zu rechnen. Für Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen des strukturierten Förder- und Begleitangebots in Zusatzkursen in den Jahrgangsstufen 9 und 10 darauf vorbereitet werden, ihre Lernzeit zu verkürzen, fallen zunächst zusätzliche Stunden an, die jedoch bei Auslassen der Jahrgangsstufe 11 durch geringere Stundenbedarfe infolge der verkürzten Verweildauer der betreffenden Schülerinnen und Schüler am Gymnasium vollständig ausgeglichen werden. Da sich der staatliche Lehrpersonalzuschuss gem. Art. 17 BaySchFG an der tatsächlichen Schülerzahl bemisst, erfolgt je nach tatsächlichem Anteil der Überholer von Jahrgangsstufe 11 eine sachgerechte Berücksichtigung der tatsächlich erforderlichen Stundenbedarfe.

Bei Kosten von ca. € 80.700 je StÄ (= Musterlehrer bei der Gewährung von Lehrpersonalzuschüssen) entspricht dies jährlich rd. € 6,9 Mio. (davon 61 v.H. als Lehrpersonalzuschuss und im Übrigen als Kostenausgleich im Rahmen der Konnexität). Die kommunalen Spitzenverbände halten diese Schätzung hinsichtlich des Kostenausgleichs im Rahmen der Konnexität gegenüber den ihnen tatsächlichen entstehenden Kosten als zu niedrig angesetzt. Sie gehen von rd. € 30.000 bis € 40.000 je StÄ mehr aus.

Für den finanziellen Ausgleich nach dem Konnexitätsprinzip gilt für alle o.g. Punkte die Revisionsklausel der Nrn. II. 2.5.3 und 2.5.4 der Konsultationsvereinbarung vom 21.05.2004 (GVBl. S. 218). Die Mehrbelastung wird für die Gesamtheit der betroffenen Gemeinden und unter Berücksichtigung des bestehenden kommunalen Eigeninteresses festgestellt (vgl. Nr. 2.5.1 Konsultationsvereinbarung).

4. Kosten für die Wirtschaft und den Bürger

Der Staat unterstützt die privaten Schulträger unverändert beim Personalaufwand (einschließlich Versorgung) und beim Schulaufwand nach Maßgabe der bisherigen allgemeinen Regeln, d.h. insbesondere auch entsprechend der ggf. erhöhten Schülerzahl (Art. 38, 40, 43, 45, 46, 47 BaySchFG). Auch das privat erhobene Schulgeld erhöht sich entsprechend der Schülerzahl.“

III. Wesentliche Änderungen des BayEUG

1. Art. 9 BayEUG

Betroffen ist auf gesetzlicher Eebene insbesondere Art. 9 BayEUG. Dieser lautet nach dem Gesetzentwurf (Änderungen durchgestrichen bzw. gefettet) wie folgt:

Art. 9 Das Gymnasium

(1) Das Gymnasium vermittelt die vertiefte allgemeine Bildung, die für ein Hochschulstudium vorausgesetzt wird; es schafft auch zusätzliche Voraussetzungen für eine berufliche Ausbildung außerhalb der Hochschule.

(2) 1Das Gymnasium umfasst die Jahrgangsstufen 5 bis 12 13. 2Es baut auf der Grundschule auf, schließt mit der Abiturprüfung ab und verleiht die allgemeine Hochschulreife.

(3) 1Am Gymnasium können folgende Ausbildungsrichtungen eingerichtet werden:

(1. Sprachliches Gymnasium; am Sprachlichen Gymnasium kann ein humanistisches Profil mit Latein als erster oder zweiter und Griechisch als dritte Fremdsprache eingerichtet werden; ein solches Gymnasium führt die Bezeichnung „Humanistisches Gymnasium“,
(2. Naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium,
(3. Musisches Gymnasium,
(4. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Gymnasium; dabei wird ein wirtschaftswissenschaftliches und/oder ein sozialwissenschaftliches Profil eingerichtet.

(1. Humanistisches Gymnasium,
(2. Sprachliches Gymnasium,
(3. Naturwissenschaftlich-technologisches Gymnasium,
(4. Musisches Gymnasium,
(5. Wirtschaftswissenschaftliches Gymnasium,
(6. Sozialwissenschaftliches Gymnasium.

2Bei der Ausbildungsrichtung nach Satz 1 Nr. 3 können bestehende Sonderformen mit den Jahrgangsstufen 7 bis 12 13 weitergeführt werden.

(4) 1Für die Oberstufe gelten folgende Bestimmungen: 

(1. Die Qualifikationsphase umfasst die Jahrgangsstufen 11 und 12.
(2. Die Jahrgangsstufen 11 und 12 gliedern sich in je zwei Ausbildungsabschnitte. Vorrückungsentscheidungen werden nicht getroffen. Es können Fächer und Seminare eingerichtet werden.
(3. In den Jahrgangsstufen 11 und 12 wird die Leistungsbewertung durch Noten und durch ein Punktesystem vorgenommen.
(4. Die allgemeine Hochschulreife wird auf Grund einer Gesamtqualifikation zuerkannt, die in der Abiturprüfung und in den Jahrgangsstufen 11 und 12 erworben wird.

1In der Oberstufe können Fächer und Seminare eingerichtet werden. 2Für die Jahrgangsstufen 12 und 13 gilt: 

(1. Die beiden Jahrgangsstufen bilden die Qualifikationsphase.
(2. Die beiden Jahrgangsstufen gliedern sich jeweils in zwei Ausbildungsabschnitte. Vorrückungsentscheidungen werden nicht getroffen.
(3. Die Leistungen werden durch Noten und durch ein Punktesystem bewertet.
(4. Die allgemeine Hochschulreife wird auf Grund einer Gesamtqualifikation zuerkannt, die in der Abiturprüfung und inden beiden Jahrgangsstufen erworben wird. 

2 3Das Staatsministerium wird ermächtigt, das Nähere zur Ausführung von Satz 1 Nrn. 1 bis 4 in der Schulordnung zu regeln, insbesondere das Fächerangebot und seine Zusammenfassung zu Aufgabenfeldern einschließlich der Wahlmöglichkeiten und Belegungsgrundsätze, die Leistungserhebung und -bewertung, die Voraussetzungen der Zulassung zur Abiturprüfung, die Bildung der Gesamtqualifikation, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der allgemeinen Hochschulreife und die Gestaltung der Zeugnisse.

Das Vorziehen der Formulierung „In der Oberstufe können Fächer und Seminare eingerichtet werden“ in Abs. 4 Satz 1 n.F. ermöglicht rechtstechnisch die P-Seminare in der „neuen“ Jahrgangsstufe 11, d.h. außerhalb der Qualifikationsphase der Oberstufe.

2. Art. 121 BayEUG  

Art. 121 BayEUG betrifft Übergangsvorschriften. Nach dem Gesetzentwurf lautet Abs. 3 wie folgt:

(3) 1Art. 9 in der am 31. Juli 2018 geltenden Fassung findet 

(1. im Schuljahr 2018/2019 für die Jahrgangsstufen 7 bis 12,
(2. im Schuljahr 2019/2020 für die Jahrgangsstufen 8 bis 12,
(3. im Schuljahr 2020/2021 für die Jahrgangsstufen 9 bis 12,
(4. im Schuljahr 2021/2022 für die Jahrgangsstufen 10 bis 12,
(5. im Schuljahr 2022/2023 für die Jahrgangsstufen 11 und 12 und
(6. im Schuljahr 2023/2024 für die Jahrgangsstufe 12 

weiter Anwendung. 2Das Staatsministerium kann durch Rechtsverordnung für bestimmte Schülergruppen Abweichungen dahingehend zulassen, dass

(1. Art. 9 in der am 31. Juli 2018 geltenden Fassung über Satz 1 hinaus oder
(2. Art. 9 in der ab 1. August 2018 geltenden Fassung abweichend von Satz 1 bereits vorzeitig 

Anwendung findet, wenn dies einer geordneten oder einheitlicheren Schullaufbahn dieser Gruppen dient. 

Die Übergangsregelung könne insbesondere in den Einführungsklassen – neben den Pilotschulen der Mittelstufe Plus – in gewissem Umfang zur Vermeidung des Ausfalls eines Abiturjahrgangs (auch für Wiederholer) beitragen, so der Gesetzentwurf; ferner könne den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern des ersten G9-Jahrgangs, die die Jgst. 11 überspringen wollen, Rechnung getragen werden.

IV. Weitere Informationen

  • Verfahrensverlauf, ggfls. Beiträge und amtliche bzw. kommunale Stellungnahmen auf einen Blick: hier.
  • Zum Gesetzentwurf (Vorgangsmappe des Landtags): hier.
  • Gesetzgebungsüberblick für den Freistaat Bayern: hier.

Ass. iur. Klaus Kohnen; Titelfoto/-abbildung: (c) Helmut Seisenberger – Fotolia.com