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BVerfG: Mündliche Verhandlung in Sachen „Numerus clausus zum Studium der Humanmedizin“ am 04.10.2017

Der Erste Senat des BVerfG verhandelt am Mittwoch, 04.10.2017, 10.00 Uhr über zwei Richtervorlagen des VG Gelsenkirchen zu der Frage, ob die für die Studienplatzvergabe für das Fach Humanmedizin im Hochschulrahmengesetz (HRG) und in den Vorschriften der Länder zur Ratifizierung und Umsetzung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vorgesehenen Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Derzeit werden die verfügbaren Plätze für bundesweit zulassungsbeschränkte Studiengänge nach Quoten vergeben. Für einige besondere Konstellationen sind Vorabquoten vorgesehen. Sodann gibt es eine Abiturbestenquote (20% der Plätze) und eine Wartezeitquote (20% der Plätze), in denen die Vergabe zentral durch die Stiftung für Hochschulzulassung erfolgt. Die übrigen Plätze (60%) werden in einem eigenständigen Auswahlverfahren der Hochschulen nach bestimmten, von den Hochschulen innerhalb gewisser Vorgaben weitgehend frei wählbaren und kombinierbaren Kriterien vergeben. Wegen der drastisch angestiegenen Zahl von Studienplatzbewerbern für Humanmedizin bei kaum gestiegener Zahl der verfügbaren Studienplätze hat sich die Kapazitätssituation zunehmend verschärft. Während zum Wintersemester 1994/95 noch 7.366 Studienplätze für 15.753 Bewerber verfügbar waren, standen etwa zum Wintersemester 2014/15 nur noch 9.001 Studienplätze für 42.999 Bewerber zur Verfügung. Die Dauer der Wartezeit für einen Studienplatz in der Wartezeitquote beträgt mittlerweile 15 Semester.

In den zu verhandelnden konkreten Normenkontrollverfahren stellt sich unter anderem die Frage, ob die in den ersten Entscheidungen des BVerfG zum Numerus clausus aus den 1970er Jahren vorgenommenen Konkretisierungen des Grundrechts auf freie Wahl des Berufs und der Ausbildungsstätte der Fortentwicklung bedürfen (vgl. zur früheren Rechtsprechung etwa die Urteile des Ersten Senats v. 18.07.1972 – 1 BvL 32/70 u. a. -, BVerfGE 33, 303, und v. 08.02.1977 – 1 BvF 1/76 u. a. -, BVerfGE 43, 291). Die Anforderungen an absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung sind seinerzeit nur als verfassungsmäßig erachtet worden, wenn sie – u.a. – in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden und wenn Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber sowie unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen.

Das vorlegende VG Gelsenkirchen ist der Auffassung, im Auswahlverfahren der Hochschulen verletze der Verzicht auf sog. Landesquoten angesichts der fehlenden bundesländerübergreifenden Vergleichbarkeit der Abiturnoten das aus der Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz hergeleitete Teilhaberecht der Studienplatzbewerber bei der Vergabe der Studienplätze. Zudem sei die Wartezeitquote gleichheitswidrig ausgestaltet, weil sich die Wartezeit nach der Dauer der seit dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung vergangenen Zeit bemesse und in der Folge langjährig Wartende von später hinzukommenden sog. Gelegenheitsbewerbern „überholt“ werden könnten. Schließlich beanstandet das VG eine Überbetonung der Abiturnote (Grad der Qualifikation) im Gesamtsystem auf Grund ihres Stellenwerts sowohl in der Abiturbestenquote als auch im Auswahlverfahren der Hochschulen. Dies habe zur Folge, dass trotz des Hinzutretens weiterer Auswahlkriterien eine sehr große Gruppe potentieller Bewerber faktisch von vornherein von jeglicher Zulassungschance ausgeschlossen sei.

Die Verhandlungsgliederung finden Sie hier.

BVerfG, Pressemitteilung Nr. 69 v. 09.08.2017

Redaktioneller Hinweis

  • Zur Rechtsentwicklung im Hochschulrecht vgl. hier.