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BayVGH: Ersatzzwangshaft zur Durchsetzung eines Zweckentfremdungsverbots für Wohnraum rechtmäßig

Mit heute bekannt gewordenem Beschluss vom 29.08.2017 hat der BayVGH die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des VG München vom 14.07.2017, mit dem dieses auf Antrag der Landeshauptstadt München zur Durchsetzung eines Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum gegenüber dem Antragsgegner Ersatzzwangshaft von längstens einer Woche angeordnet hat, zurückgewiesen. Der Beschluss des VG München zur Anordnung der Ersatzzwangshaft ist damit rechtskräftig.

Die Landeshauptstadt München hatte den Antragsgegner mit bestandskräftigem Bescheid vom 02.06.2016 unter Androhung von Zwangsgeldern verpflichtet, die zweckfremde Nutzung einer Wohnung in München unverzüglich zu beenden und den Wohnraum nach Beendigung der zweckfremden Nutzung unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen. Eine Androhung weiterer Zwangsgelder gegenüber dem Antragsgegner erfolgte mit Bescheid vom 10.11.2016.

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Nach Ansicht des BayVGH ist dem Bescheid der Landeshauptstadt München vom 02.06.2016 das vom Antragsgegner geschuldete Verhalten in unmissverständlicher Weise zu entnehmen. Dennoch habe der Antragsgegner seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt, sondern setze sein rechtswidriges Nutzungskonzept unverändert fort, wie die zahlreichen Ermittlungen der Landeshauptstadt München belegten. Relevante Hinderungsgründe, welche der geforderten Unterlassung entgegenstehen könnten, seien nicht ersichtlich.

Ferner habe die Landeshauptstadt München sämtliche ihr zur Verfügung stehenden milderen Zwangsmittel bereits ausgeschöpft, sodass die Anordnung der Ersatzzwangshaft, welche nur ausnahmsweise zulässig sei und einer besonderen Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalls bedürfe, auch verhältnismäßig sei. Insbesondere habe den Antragsgegner selbst die mehrfache Androhung von Zwangsgeldern nicht zu beeindrucken vermocht; alle Vollstreckungsversuche zur Einbringung der Zwangsgelder seien erfolglos geblieben.

Sollte der Antragsgegner der angeordneten Verpflichtung nachkommen, müsste die Anwendung von Zwangsmitteln jedoch eingestellt werden. Zudem könnte der Antragsgegner die Vollstreckung der Ersatzzwangshaft noch durch Entrichtung der fälligen Zwangsgelder abwenden. Grund hierfür ist, dass die Ersatzzwangshaft – anders als die vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Erzwingungshaft – nur ein subsidiäres Vollstreckungsmittel darstellt, das lediglich an die Stelle des (zunächst) uneinbringlichen Zwangsgeldes tritt. Wird das Zwangsgeld nachträglich noch beglichen, entfallen damit die Voraussetzungen für die Ersatzzwangshaft und die Vollstreckung muss unterbleiben.

BayVGH, Pressemitteilung v. 31.08.2017 zum Beschl. v. 29.08.2017 – 12 C 17.1544

Redaktionelle Hinweise

  • Zur letzten Änderung des „Zweckentfremdungsgesetzes“: hier.
  • Zur Rechtsentwicklung im Wohnrecht: hier.
  • Zur Rechtsentwicklung im Kommunalrecht: hier.

Der BayVGH hat folgende Leitsätze formuliert:

  1. („Ersatz“-)Zwangshaft ist – anders als Erzwingungshaft – kein primäres (selbständiges) Vollstreckungsmittel. Sie tritt lediglich (akzessorisch) an die Stelle der Zwangsgeldforderung und ist damit gegenüber dem Zwangsgeld subsidiär.
  2. Die Anwendung von („Ersatz“-)Zwangshaft ist einzustellen, wenn der Vollstreckungsschuldner der angeordneten Verpflichtung nachkommt oder (zumindest) das Zwangsgeld entrichtet. Ersatzzwangshaft besitzt keinen Strafcharakter.
  3. Begleicht der Pflichtige unter dem Druck der (drohenden) Ersatzzwangshaft, aus welcher Geldquelle auch immer, die Zwangsgeldforderung, so hindert dies auf Grund des – im Gegensatz zur Erzwingungshaft – lediglich subsidiären Charakters der vom Gesetzgeber ausdrücklich als solche konzipierten („Ersatz“-)Zwangshaft den Beginn oder die Fortsetzung der Haft auch dann, wenn der Vollstreckungsschuldner dem von ihm geforderten Handeln, Dulden oder Unterlassen nicht nachkommt.
  4. Für eine richterliche Rechtsfortbildung ist aufgrund des eindeutigen Willens des Gesetzgebers kein Raum.