Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf für ein Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) eingebracht

Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 17/21573 v. 10.04.2018). Dieser sieht in Ablösung des Bayerischen Unterbringungsgesetzes (UnterbrG) neben der Neuregelung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ein Maßnahmenbündel vor, mit dem die psychiatrische, psychotherapeutische, psychosomatische und psychosoziale Versorgung in Bayern nachhaltig verbessert werden soll. Zentraler Baustein ist hierbei die landesweite Einführung von Krisendiensten. Mit dem Gesetz soll ein Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen geleistet werden. Das Gesetz sieht des Weiteren u.a. auch Änderungen des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes (BayMRVG) vor.

Die Änderungen des BayMRVG sind einerseits redaktioneller Natur, indem künftig in Vorschriften des BayMRVG auf das BayPsychKHG verwiesen wird, andererseits werden in das BayMRVG beispielsweise Vorschriften zu Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person und zu besonderen Sicherungsmaßnahmen in angepasster Form aus dem BayPsychKHG übernommen.

Redaktionelle Änderungen werden im Bayerischen Finanzausgleichsgesetz und im Bayerischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz vorgenommen.

Grund für die Gesetzesinitiative

Problem

Die hohe Zahl gerichtlicher Unterbringungen psychisch kranker Menschen in Bayern, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Selbstbestimmungsfähigkeit von psychisch kranken Menschen, zu Zwangsmaßnahmen und zur Übertragung hoheitlicher Befugnisse (Beleihung) im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung erfordern eine dringliche und grundlegende Überarbeitung des bisherigen bayerischen Unterbringungsgesetzes (UnterbrG) von 1992. In der Mehrzahl der Länder sind bereits vergleichbare Gesetze in Kraft. Zudem enthält das UnterbrG bislang keine Regelungen zur Stärkung der psychiatrischen Versorgung.

Lösung

Erlass eines Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (BayPsychKHG), mit dem das bisherige Bayerische Unterbringungsgesetz abgelöst wird. Ziel des Gesetzes ist es, Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen soweit wie irgend möglich zu vermeiden, die Prävention von psychischen Krisen zu stärken und Menschen in psychischen Krisen noch stärker als bislang wirksam zu unterstützen. Hierzu sieht das BayPsychKHG neben der Neuregelung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, deren rechtliche Ausgestaltung sich am Schutzniveau für zivilrechtlich und im Maßregelvollzug untergebrachte Personen orientiert, ein Maßnahmenbündel vor, mit dem die psychiatrische, psychotherapeutische, psychosomatische und psychosoziale Versorgung in Bayern nachhaltig verbessert wird. Zentraler Baustein ist hierbei die landesweite Einführung von Krisendiensten. Mit dem Gesetz soll ein Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen geleistet werden und es wird ein sachgerechter Ausgleich zwischen den Belangen psychisch kranker Menschen und den Interessen des Staates, der die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und seine Bürger zu schützen hat, hergestellt. Ferner sollen die Rechtsstellung psychisch kranker Menschen, ihre Teilhabe an der Gesellschaft und ihre selbstständige Lebensführung gestärkt werden. Zudem sollen Präventionsstellen „Stopp die Gewalt in Dir“ eingeführt werden. In den Entstehungsprozess des Gesetzentwurfs waren alle mit der Behandlung und Begleitung von psychisch kranken Menschen befassten Institutionen, Verbände und Organisationen, insbesondere die Bezirke, eingebunden (Runder Tisch PsychKHG).

Begründung des Gesetzentwurfs – Allgemeines

Dieses Gesetz regelt in Teil 1 ergänzende Hilfen für Menschen mit psychischen Krisen und psychischen Störungen, insbesondere psychischen Erkrankungen, und in Teil 2 die öffentlich-rechtliche Unterbringung von Menschen mit psychischen Störungen, insbesondere Erkrankungen.

Das Gesetz verfolgt folgende Ziele:

  1. Die deutliche Verbesserung der psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen und psychosozialen Hilfesysteme, insbesondere durch den bayernweit flächendeckenden Ausbau von psychosozialen Beratungs- und Hilfeangeboten für Menschen in psychischen Krisen (Krisendienste). Diese sollen nach und nach so ausgestattet werden, dass sie auch von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Menschen mit Hör- oder Sprachbeeinträchtigung, uneingeschränkt genutzt werden können.
  2. Die Stärkung der Prävention psychischer Störungen, insbesondere psychischer Erkrankungen, und Reduzierung der damit verbundenen Begleiterscheinungen wie Selbst- oder Fremdgefährdung.
  3. Die Festigung der Stellung der organisierten Selbsthilfe, insbesondere der maßgeblichen Verbände der Psychiatrieerfahrenen und der Angehörigen psychisch Kranker in den psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Hilfesystemen.
  4. Eine speziell auf die Belange Bayerns zugeschnittene Psychiatrieberichterstattung als Mittel der Qualitätssicherung und als Steuerungselement der Versorgungssysteme.
  5. Die Sicherstellung des Schutzes der Bevölkerung und der psychisch kranken Menschen in Fällen der Fremd- und Selbstgefährdung. Vorrangiges Ziel ist es, Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen auf das absolute Mindestmaß zu reduzieren.
  6. Die Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz für öffentlich-rechtlich untergebrachte Menschen, ihre Angehörigen sowie die Beschäftigten in den Unterbringungseinrichtungen.
  7. Die Stärkung der Qualität und der Qualitätssicherung der öffentlich-rechtlichen Unterbringung.
  8. Ein modernes Recht der öffentlich-rechtlichen Unterbringung soll dazu beitragen, dass zivil- und öffentlich-rechtliche Unterbringung jeweils entsprechend ihrer Zielrichtung zur Anwendung kommen.

Eckpunkte der gesetzlichen Regelung sind:

1. Eigenständiges Gesetz

Ein eigenständiges BayPsychKHG ist ein wichtiger Beitrag zur Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Störungen. Hiermit folgt Bayern der überwiegenden Anzahl der Länder, welche die öffentlich-rechtliche Unterbringung (einschließlich des Hilfenteils) getrennt von der strafrechtlichen Unterbringung im Maßregelvollzug geregelt haben. Ziel des Gesetzes ist es, Unterbringungen und Zwangsmaßnahmen soweit wie irgend möglich zu vermeiden, die Prävention von psychischen Krisen zu stärken und Menschen in psychischen Krisen noch stärker als bislang wirksam zu unterstützen.

Bei der Ausgestaltung des Gesetzes wurden die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die UN-Kinderrechtskonvention, das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe und der Bayerische Aktionsplan Inklusion berücksichtigt. In Bezug auf die im BayPsychKHG getroffenen datenschutzrechtlichen Regelungen kommt der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGV), soweit ihr Anwendungsbereich eröffnet ist, ein Anwendungsvorrang zu.

2. Regelung zur Stärkung der psychiatrischen Versorgung in Bayern

Teil 1 des Gesetzes enthält ein Maßnahmebündel, mit dem die psychiatrische, psychotherapeutische, psychosomatische und psychosoziale Versorgung nachhaltig verbessert wird:

a) Flächendeckender Auf- und Ausbau, Betrieb sowie die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Krisendienste zur Versorgung von Menschen in psychischen Krisen

Für die Versorgung von Menschen in psychischen Krisen soll ein, im Endausbau täglich und rund um die Uhr erreichbares, psychosoziales Beratungs- und Hilfeangebot (Krisendienst) flächendeckend in Bayern auf- bzw. ausgebaut und betrieben werden. Damit wird eine wichtige Lücke im psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen und psychosozialen Versorgungssystem geschlossen. Ein derartig spezialisiertes Hilfesystem gibt es bisher in keinem Flächenland. Die Versorgungslücke ist mit ein Grund, dass Krisen derzeit häufig nicht rechtzeitig abgefangen werden können und betroffene Personen mangels anderer, niedrigschwelliger Angebote in stationäre psychiatrische Behandlung eingewiesen werden müssen. Mit den Krisendiensten kann sich die Zahl von stationären psychiatrischen Behandlungen verringern.

b) Stärkung der Zusammenarbeit der zur Sicherstellung der psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen und sozialen Versorgung gesetzlich Verpflichteten (Versorgungsverpflichtete)

Im Interesse eines effizienten Einsatzes der in der psychiatrischen, psychotherapeutischen, psychosomatischen und sozialen Versorgung zur Verfügung stehenden Hilfeangebote haben in aller Regel viele Vertreterinnen und Vertreter der Psychiatrie, der Psychotherapie, der Psychosomatik, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, der Suchtmedizin, insbesondere aber auch der Kinder- und Jugendhilfe, der Familienhilfe und weiterer Hilfesysteme zusammenzuarbeiten. Analog zu dem Bundesteilhabegesetz wird nun erstmals in einem Landesgesetz die vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Versorgungsverpflichteten einschließlich solcher Institutionen, die mittelbare gesetzliche Verpflichtungen in diesem Bereich haben, vorgeschrieben.

c) Stärkung der Prävention psychischer Störungen, insbesondere psychischer Erkrankungen

Die Versorgungsverpflichteten werden aufgefordert, ihre bereits umfänglichen Präventionsmaßnahmen speziell auch auf die psychische Gesundheit zu richten. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da psychische Krankheiten mittlerweile zu den häufigsten Krankheiten gehören. Des Weiteren dienen die Maßnahmen zur Zurückdrängung der nach wie vor vorhandenen Stigmatisierung der betroffenen Menschen.

d) Verpflichtende Einbindung der Selbsthilfe der Psychiatrieerfahrenen und der Angehörigen psychisch kranker Menschen in die Versorgungsplanung und Weiterentwicklung der psychiatrischen Therapiekonzepte

Die organisierte Selbsthilfe ist in der Planung und Ausgestaltung der psychiatrischen Versorgung im Rahmen des Trialogs seit Jahren involviert. Die Versorgung verdankt der Selbsthilfe wichtige Impulse. Mit diesem Gesetz wird die Stellung der organisierten Selbsthilfe weiter gefestigt. Die maßgeblichen psychiatrischen Selbsthilfeorganisationen in Bayern sind nun bei der Ausgestaltung der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung in den Planungsregionen sowie bei der Weiterentwicklung psychiatrischer Therapiekonzepte angemessen zu beteiligen.

e) Einführung einer regelmäßigen bayerischen Psychiatrieberichterstattung alle 3 Jahre als Grundlage für die laufende bedarfsgerechte Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung

Eine effiziente psychiatrische Versorgung setzt eine aussagefähige Psychiatrieberichterstattung voraus. Deshalb wird die Staatsregierung dem Landtag regelmäßig einen umfassenden schriftlichen Bericht zur Situation der psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Versorgung vorlegen.

3. Neuregelung des Rechts der öffentlich-rechtlichen Unterbringung

Teil 2 des Gesetzes regelt die öffentlich-rechtliche Unterbringung von Personen, die auf Grund einer psychischen Störung, insbesondere Erkrankung, Rechtsgüter anderer, das Allgemeinwohl oder sich selbst erheblich gefährden. Die Regelungen dienen dem Schutz der Betroffenen und der Allgemeinheit und sollen für die untergebrachten Menschen, ihre Angehörigen und die Beschäftigten in den Einrichtungen Rechtssicherheit und Transparenz schaffen. Im Hinblick auf den durch Art. 5 erfassten Personenkreis (Menschen mit einer psychischen Störung in Situationen der Fremd-, aber auch der Selbstgefährdung) orientiert sich die rechtliche Ausgestaltung des Rechts der öffentlich-rechtlichen Unterbringung im BayPsychKHG am Schutzniveau für zivilrechtlich und im Maßregelvollzug untergebrachte Personen. Dabei wurde insbesondere berücksichtigt, dass die Unterbringung in der Regel in allgemeinpsychiatrischen Krankenhäusern stattfindet und die Unterbringungsdauer in der Regel kurz ist.

a) Art. 5 Abs. 1 – Voraussetzungen der Unterbringung

In Bayern sollen künftig diejenigen Personen öffentlich-rechtlich untergebracht werden, die auf Grund einer psychischen Störung, insbesondere Erkrankung, Rechtsgüter anderer, das Allgemeinwohl oder sich selbst erheblich gefährden und die sich in einem Zustand befinden, der die freie Willensbildung ausschließt.

b) Art. 5 Abs. 2 Satz 1 – Unterbringung als letztes Mittel

Es soll auch künftig ausdrücklich geregelt bleiben, dass die Unterbringung nur dann angeordnet werden darf, wenn die Gefährdung nicht durch mildere Mittel abgewendet werden kann (bisher Art. 1 Abs. 1 Satz 3 UnterbrG). Dabei sind alle möglichen Hilfen auszuschöpfen. Hierzu gehört insbesondere auch die Einschaltung der Krisendienste.

c) Art. 6 – Ziel und Zweck der Unterbringung

Ziel der Unterbringung ist die Gefahrenabwehr. Weiteres Ziel ist, die untergebrachte Person zu heilen oder ihren Zustand soweit zu bessern, dass sie keine Gefahr mehr für Rechtsgüter anderer, das Allgemeinwohl oder sich selbst darstellt.

d) Art. 8 – Einrichtungen, in denen Unterbringungen stattfinden

Im Gesetzentwurf wird deutlicher als im bisherigen Unterbringungsgesetz geregelt, in welchen Einrichtungen untergebracht werden kann. In der Regel wird in psychiatrischen Krankenhäusern und Kliniken untergebracht. Kinder und Jugendliche werden in Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht. Zudem sind Regelungen zur Aufnahmepflicht, zur Zulassung sonstiger geeigneter Einrichtungen und zur Beleihung von Trägern derjenigen Einrichtungen enthalten, die nicht zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse berechtigt sind.

e) Art. 10 – Fachaufsichtsbehörde

Öffentlich-rechtlich untergebrachte Personen sind den im Maßregelvollzug untergebrachten Personen vergleichbar schutzbedürftig. Es bedarf daher ebenfalls einer Stelle, die sich um Beschwerden kümmert, berät und kontrolliert sowie Mängel erkennt und abstellt. Aus diesem Grund wird für den Aufgabenzuständigkeitsbereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung eine Fachaufsicht eingeführt und die Ausübung der Fachaufsicht dem Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) als eine dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, unmittelbar nachgeordnete zentrale Landesbehörde übertragen. Die Möglichkeit, sich bei Bedarf an andere Beschwerde- und Unterstützungsstellen zu wenden, bleibt unberührt. Dies sind beispielsweise Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher, Unterbringungsbeiräte, der Patientenbeauftragte und die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung.

f) Art. 11 ff. – Zuständigkeit der Kreisverwaltungsbehörden und der Polizei

Für das vorbereitende Verfahren zur gerichtlichen Unterbringung sollen wie bislang die Kreisverwaltungsbehörden zuständig sein (Art. 15). Für die sofortige vorläufige Unterbringung sind wie bislang die Kreisverwaltungsbehörden und die Polizei zuständig (vgl. zudem Art. 13).

g) Kapitel 4 (Art. 18 bis Art. 20) und Kapitel 5 (Art. 21 bis Art. 27) – Behandlung der untergebrachten Person, Gestaltung der Unterbringung

Die Rechte und Pflichten während der Unterbringung werden transparent geregelt. Dies betrifft beispielsweise den Behandlungsanspruch, den Behandlungsplan, Besuchs- und Kontaktrechte und die Religionsausübung.

h) Art. 18 ff. und Art. 21 ff. – Aufnahme, Behandlung, Gestaltung der Unterbringung

Die Regelungen der Kapitel 4 und 5 orientieren sich an hohen Schutz- und Transparenzstandards, die auch für Personen, von denen eine konkrete Gefahr für Rechtsgüter anderer oder das Allgemeinwohl ausgeht, gelten müssen. Dabei wurden insbesondere Besonderheiten der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, die in allgemeinpsychiatrischen Krankenhäusern stattfindet (vgl. dazu die Regelungen des Sozialgesetzbuches) und des Personenkreises der untergebrachten Personen (z. B. in der Regel deutlich kürzere Unterbringungsdauer als im Maßregelvollzug) berücksichtigt. Das Gesetz sieht aber auch Regelungen für die Fälle vor, in denen die öffentlich-rechtliche Unterbringung länger andauert (vgl. die Fälle des BayObLG, Beschluss vom 21.01.2004 – 3Z BR 241/03, NVwZ 2004, 657, vom 20.12.1990 – 3Z BR 145/90, BayObLGZ 1990, 350 und vom 05.05.1998 – 3Z BR 103/98, NJW 1999, 1789 sowie BGH, Beschluss vom 23.09.2015 – XII ZB 291/15, zu einem Fall, in dem die Fortdauer einer bereits 10 Jahre andauernden öffentlich-rechtlichen Unterbringung für weitere 2 Jahre angeordnet worden war).

i) Art. 20 und Art. 29 – Regelungen zur Behandlung von Erkrankungen und zu besonderen Sicherungsmaßnahmen

Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person und besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen stets nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen. Voraussetzungen sowie Art und Weise der Anwendung und Dokumentation von solchen Behandlungsmaßnahmen und besonderen Sicherungsmaßnahmen werden unter Berücksichtigung der engen verfassungsrechtlichen Vorgaben konkret geregelt. In beiden Fällen wird ein Richtervorbehalt eingeführt. Für besondere Sicherungsmaßnahmen beschränkt sich der Richtervorbehalt ebenso wie in § 1906 Abs. 4 BGB auf die Fälle, in denen der untergebrachten Person durch die Maßnahmen über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll. Die Fachaufsichtsbehörde soll dem Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, einmal jährlich zu Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person und besonderen Sicherungsmaßnahmen berichten. Die Konzeption zu den Regelungsbereichen zur Behandlung gegen den natürlichen Willen der untergebrachten Person und zu besonderen Sicherungsmaßnahmen wird in jeweils angepasster Form für den Bereich des BayMRVG übernommen (vgl. Art. 38b Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 13).

j) Art. 33 – Unterbringungsdatei

Bislang fehlen auf Landesebene zusammengefasste Informationen, welche Personen in Bayern wo öffentlich-rechtlich untergebracht sind oder waren. Eine Verbesserung dieser Situation ist insbesondere auf Grund des Schutzauftrags des Staates zugunsten der untergebrachten Personen, zur besseren Abschätzung von Gefahrenlagen sowie im Hinblick auf notwendige Prüf-, Beratungs- und Steuerungstätigkeiten der Fachaufsichtsbehörde im Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringung notwendig. Hierzu wird eine zentrale Unterbringungsdatei samt der notwendigen Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung und -übermittlung geschaffen. Die Datei wird von der Fachaufsichtsbehörde geführt. Zudem werden Zugriffsbefugnisse anderer Behörden, Stellen oder Dritter, unter engen Voraussetzungen und unter Einhaltung hoher datenschutzrechtlicher Schutzstandards geregelt.

k) Art. 37 – Unterbringungsbeiräte

Neben dem Schutz durch die Gerichte (Richtervorbehalte) und die (staatliche) Fachaufsichtsbehörde werden dem Vorbild des Justiz- und des Maßregelvollzugs in Bayern entsprechend unabhängige Beiräte eingeführt. Die Beiräte lösen die bisherigen Besuchskommissionen ab und sollen bei der Gestaltung der Unterbringung und der Betreuung der untergebrachten Personen mitwirken. Der oder die Vorsitzende des Beirats und deren Vertreter sollen aus der Mitte des Bayerischen Landtags gewählt werden. Beiräte sollen in den Einrichtungen gebildet werden, in denen in der Regel pro Jahr 100 Personen nach diesem Gesetz gerichtlich untergebracht werden. Dies bedeutet, dass in Bayern ca. 20 Beiräte geschaffen werden müssen. Die Möglichkeit, sich bei Bedarf an andere Beschwerde- und Unterstützungsstellen zu wenden, bleibt unberührt.

l) Art. 38b Abs. 1 Nr. 5 – Präventionsstellen

Durch eine Änderung des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes werden Präventionsstellen „Stopp die Gewalt in Dir“ eingeführt.

Weitere Informationen

  • Verbundene Meldungen: hier.
  • Gesetzentwurf (Vorgangsmappe des Landtags): hier.
  • Gesetzgebungsübersicht für den Freistaat Bayern: hier.

(koh)