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Bayerischer Städtetag: Erwartungen der Städte an Landtag und Staatsregierung – Positionen zum Koalitionsvertrag

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Zum Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Augsburgs Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl: „Wer gleichwertige Lebensverhältnissein allen Regionen Bayerns erreichen will, muss die Bewältigung der unterschiedlichen Herausforderungen in Stadt und Land gleichermaßen in Angriff nehmen. Für die unterschiedlichen Probleme von ländlichen Gemeinden und Städten sowie in den Ballungszentren enthält der Koalitionsvertrag Absichtserklärungen und Lösungsansätze, an denen wir in den nächsten Jahren gut gemeinsam weiter arbeiten können.“

Der Koalitionsvertrag enthält laut Gribl positive Absichten und Ziele. Vieles bleibt noch unkonkret und steht unter dem Vorbehalt der Finanzierung:

„Nun kommt es darauf an, wie die einzelnen Ressorts an die Bearbeitung der Themen gehen. Die Kommunen bauen darauf, dass sich die neue Staatsregierung als fairer Partner von Städten und Gemeinden erweist. Besonders brennen den Städten die Themen Schaffung von Wohnungen und Mobilisierung von Bauland für günstigen Wohnraum, Verbesserung der Mobilität und des öffentlichen Nahverkehrs, Bildung und Kinderbetreuung, die Digitalisierung, ein leistungsfähiges Netz an Glasfaser-Datenverbindungen und Mobilfunkauf den Nägeln. Über all dem schwebt die Frage nach der Finanzierung dieser großen Herausforderungen.“

Städte und Gemeinden in Ballungszentren haben ebenso mit Herausforderungen zu kämpfen wie ländliche Gemeinden. Im ländlichen Raum haben Städte und zentrale Orte andere Herausforderungen als Gemeinden und Dörfer. Mit der Konzentration auf die Förderung von ländlichen Räumen lassen sich die Probleme von Ballungszentren mit ihren Wachstumsproblemen und Wohnungsnöten nicht automatisch lösen, meint Gribl:

„Stadt und Land sind nicht als Gegensatz, sondern als Partner zur Verwirklichung gleichwertiger Lebensverhältnisse zu behandeln. Starke Städte stärken das ganze Land – starke zentrale Orte in ländlichen Regionen stehen für einen starken Freistaat Bayern.“

Aus dem Positionspapier des Bayerischen Städtetags sind hervorzuheben:

Zur weiteren Förderung des sozialen Wohnungsbaus, ist neben dem Einsatz der Bundesmittel eine dauerhafte und verlässliche Mittelbereitstellung nötig. Die bayerische Wohnungsbauförderung muss praxisgerechter werden, etwa zur Stärkung gemeindlicher Belegungsrechte und zur Einbeziehung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften. Hierzu trifftder Koalitionsvertrag kaum Aussagen.

Gribl: „Einen positiven Ansatz bietet das Versprechen, das Investitionsniveau zu verstetigen, denn die Wohnungswirtschaft benötigt Investitionssicherheit für mehrere Jahre. Für Mieter kann die im Koalitionsvertrag angekündigte Verlängerung der Bindungsfrist für Sozialwohnungen helfen.“

Der Freistaat muss Städten und Gemeinden mehr Spielräume zu einer strategischen Flächenbevorratung einräumen. Dazu müssen die Vorkaufsrechte der Gemeinden gestärkt und der Genehmigungsvorbehalt für gemeindliche Grundstücksgeschäfte nach dem Agrarstrukturgesetz abgeschafft werden.

Gribl: „Der Koalitionsvertrag bietet einen Ansatz zur Mobilisierung von landwirtschaftlichen Grundstücken, reicht aber nicht weit genug zur Flächenbevorratung.“

Städte und Gemeinden kritisieren, dass der Ausbau der digitalen Klassenzimmer nicht in Schwung kommt, weil der Freistaat bei der Finanzierung der IT-Ausstattung an Schulen zögerlich bleibt. Der Koalitionsvertrag lässt hierzu viele Fragen offen. Es fehlt aus Sicht der Bürgermeister ein Konzept, welche Investitionen nötig sind. Und es fehlen Fördermittel für Investitionen, für den laufenden Betrieb und die Systembetreuung.

Gribl: „Der Freistaatmuss seiner Mitverantwortung für die digitale Infrastruktur an Schulen stärker als bislang gerecht werden. Es bietet sich mit der neuen Staatsregierung die Chance auf einen Neustart, um eine dauerhafte Förderung des digitalen Klassenzimmers und der Systembetreuung auf der Grundlage eines pädagogischen Gesamtkonzepts auf den Weg zu bringen. Damit alle Kinder in allen Schulen Bayerns gleiche Chancen erhalten, braucht es einheitliche Standards für das digitale Klassenzimmer und ein pädagogisches Gesamtkonzept. Mit modernen Geräten alleine ist es nicht getan: Technik hat eine dienende Funktion für Pädagogik. Laptops, Tablets und interaktive Whiteboards müssen im Unterricht sinnvoll zum Einsatz kommen. Der Koalitionsvertragenthält Ansatzpunkte für zielführende Gespräche.“

Der weitere Ausbau der Kindertagesbetreuung setzt Fachkräfte, Finanzmittel und Flächenfür den Neubau und Ausbau voraus. Notwendig sind Verbesserungen der Betriebskostenförderung und eine Beschleunigung der Ausbildung von Erziehern, da Kindergärten, Kitas und Horte unter Personalmangel leiden.

Gribl: „Die Annäherung an eine beitragsfreie Kinderbetreuung im Koalitionsvertrag klingt für Eltern nach einer Verheißung, wirft aber für die Praxis noch viele Fragen auf. Wenn die Beitragsfreiheit kommt, darf dies nicht zu Lasten der Städte und Gemeinden gehen.“

Die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist über das bisherige Maß hinaus fortzusetzen. Dazu gehören die Zweckbindungder vom Bund bereitgestellten bisherigen Entflechtungsmittel und der Ausbau der Betriebskostenförderung durch ÖPNV-Zuweisungen. Eine verbesserte ÖPNV-Finanzierung ist auch ein wichtiger Bestandteil der Unterstützung der Kommunen zur Luftreinhaltung.

Gribl: „Die Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag sind gut. Allerdings ist etwa das Versprecheneines 365-Euro-Tickets für Großstädte bislang nicht finanziell hinterlegt; die erwähnten Mittel zur ÖPNV-Förderung werden hierfür bei weitem nicht genügen.“

Der Freistaat muss den Kommunen zur Abdeckung der durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge entfallenden Einnahmemöglichkeiten eine ausreichende Kompensation schaffen. Dafür sind mehr staatliche Haushaltsmittel jährlich nötig.

Gribl: „Der Koalitionsvertragstellt zwar Mittel in Höhe von 100 Millionen Euro im Jahr 2019 und 150 Millionen Euro im Jahr 2020 in Aussicht, allerdings werden die Mittel in der Praxis nicht genügen. Der Koalitionsvertrag lässt viele Fragen für die komplizierte Umsetzung offen.“

Die Vereinbarung des Koalitionsvertrags zur Sanierung von kommunalen Schwimmbädern liegt nur bei einer Förderung von 20 Millionen Euro pro Jahr. Diese Summewird dem bayernweiten Sanierungsbedarf für Hallenbäder und Freibäder (1,2 Milliarden Euro) nicht gerecht. Der Sanierung von kommunalen Bädern muss im Doppelhaushalt 2019/2020 eine höhere Priorität eingeräumt werden.

Gribl: „Wichtig an einem Vertrag ist nicht nur das, was drinsteht, sondern auch das, was gar nicht erwähnt ist: So mahnt der Bayerische Städtetag dauerhaft an, dass eine Beteiligung des Freistaates an den auf kommunaler Ebene anfallenden Integrationskosten überfällig ist. Es ist enttäuschend, dass versäumt wurde, hier wenigstens einenersten Schritt zu verankern.“

Der Freistaat erhält vom Bund Integrationsmittel, die der Bund ausdrücklich auch den Kommunen widmet. Den Kommunen muss aufgabenbezogen ein wesentlicher Teil dieser Mittel zur Verfügung gestellt werden. Hierzu trifft der Koalitionsvertrag keine Aussage.

Ein weiterer Aspekt, der nicht im Koalitionsvertrag steht, ist die Gewerbesteuerumlage: Städte und Gemeinden sollen ab dem Jahr 2020 bei der Gewerbesteuerumlage deutlich entlastet werden, weil die im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erhöhte Gewerbesteuerumlage ausläuft. In Bayern belief sich die Umlage im Jahr 2017 auf rund 920 Millionen Euro. Der Bayerische Städtetag lehnt Initiativen einzelner Bundesländer für eine Fortführungder Solidarpaktumlage ab.

Gribl: „Die Bayerische Staatsregierung muss sich auf Bundesebenedafür einsetzen, dass am Auslaufen der erhöhten Umlagen festgehalten wird. Die kommunale Ebene kann die Fortführung der erhöhten Gewerbesteuerumlage nicht hinnehmen, denn die Kämmerer rechnen bereits mit den größeren finanziellen Spielräumen. Wenn nun dieses Thema im Koalitionsvertrag nicht erwähnt ist, werten wir das als positives Zeichen, dass der Freistaat Bayern am Auslaufen der Gewerbesteuerumlage nicht rütteln will.“

Pressemitteilung des Bayerischen Städtetags v. 08.11.2018