Aktuelles

Zum Verhältnis von Petitionsrecht und Ausländerrecht

© Tierney – stock.adobe.com

Ausländerrecht und Petitionsrecht: Zum Verhältnis von Petitionsrecht und Ausländerrecht

Art. 17 GG, Art. 115 BV, § 60a AufenthG

Petition; Duldung

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2023, Az. 10 CS 23.440

Orientierungssatz der LAB

Eine Petition vermittelt keinen Anspruch gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG darauf, dass der Petent während des Petitionsverfahrens geduldet wird.

Hinweis

Gerade im Ausländerrecht werden mitunter auch während noch laufender gerichtlicher Verfahren Eingaben (Petitionen) nach Art. 17 GG bzw. Art. 115 BV, etwa in Bayern zum Bayerischen Landtag, eingereicht. Das Verhältnis von Petitionsrecht und Ausländerrecht spielt in der Entscheidungspraxis der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit regelmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Eine der wenigen Ausnahmen stellt der vorliegende Beschluss des 10. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) dar, der sich hierzu in Rn. 13 in grundsätzlicher Weise äußert:

Das Petitionsrecht aus Art. 17 GG und Art. 115 BV gibt dem Petenten das Recht, sich mit Bitten oder Beschwerden − unter anderem − an die Volksvertretung bzw. den Bayerischen Landtag zu wenden. Dies schließt es ein, dass der Petitionsempfänger sie entgegennimmt und sich damit befasst. Eine Petition kennzeichnet jedoch gerade, dass kein Rechtsanspruch geltend gemacht wird (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 17 Rn. 3 m.w.N.). Dementsprechend vermittelt eine Petition auch keinen Anspruch gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG darauf, dass der Petent während des Petitionsverfahrens geduldet wird (vgl. OVG NW, Beschluss vom 24.02.2005, Az. 18 B 332/05, juris Rn. 2 ff. m.w.N.; NdsOVG, Beschluss vom 24.06.2003, Az. 11 ME 207/03, juris Rn. 3 m.w.N.; HessVGH, Beschluss vom 02.10.1995, Az. 12 UE 352/95, juris Rn. 25 m.w.N.; Göbel-Zimmermann/Eichhorn/Beichel-Benedetti, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 1. Aufl. 2017, Teil 5 Rn. 929; Gordzielik/Huber in Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Aufl. 2021, § 60a AufenthG Rn. 31; Koch in Kluth/Hornung/Koch, Handbuch Zuwanderungsrecht, 3. Aufl. 2020, § 5 Rn. 303; Kluth/Breidenbach in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Aufl., Stand: 01.01.2023, § 60a Rn. 21). Das Ergebnis des Petitionsverfahrens muss in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht abgewartet werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 21.11.2022, Az. 19 CE 22.2179, juris Rn. 5; OVG RhPf, Beschluss vom 07.08.2019, Az. 7 B 11071/19, juris Rn. 3).

Das indirekt in Bezug genommene Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (a.a.O.) begründet dies damit, dass die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Grund der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) nur dem Gesetz unterworfen seien. Selbst eine positive Entscheidung über die Eingabe des Antragstellers hätte deshalb keine unmittelbar bindende Wirkung für die Gerichte. Insofern muss die Entscheidung des Petitionsausschusses nicht abgewartet werden. Die Reichweite des Rechts, sich mit Eingaben an Behörden und Volksvertretungen wenden zu können, werde damit nicht unzulässig eingeengt. Es verpflichte lediglich die Stelle, an die sich die Eingabe richtet, zur Entgegennahme und zur Prüfung. Das Ergebnis der Prüfung, das zudem nicht positiv sein müsse, sei nur für die angerufene Stelle unmittelbar bindend.

Das ebenfalls zitierte Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (a.a.O.) wies hierbei darauf hin, dass Art. 17 GG zwar gebiete, dass der Zugang zum Petitionsadressaten durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vereitelt oder in unzumutbarer Weise erschwert wird. Sei das Petitionsverfahren aber bereits in Gang gesetzt, sei es dem Petenten grundsätzlich zumutbar, den Ausgang seines Verfahrens im Ausland abzuwarten.

 

Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts und schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht, Polizei- und Sicherheitsrecht.

 

Weitere Beiträge der LAB.

Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen monatlich eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor.