Eine Gemeinde klagt gegen die Höhe einer Kreisumlage aus dem Jahr 2018. Streitgegenständlich ist die Umstellung durch den Kreistag auf die doppelte Buchführung. Mit dem Fall hatte sich das Verwaltungsgericht Bayreuth zu befassen.
Art. 28 GG; Art. 11 BV; § 42 VwGO; Art. 18 BayFAG; Art. 5, 51 LKrO (Kreisumlage; Verfahren zur Festsetzung des Kreisumlagesatzes; Auswirkungen der Unterschiede von Doppik und Kameralistik; finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden; Landkreisaufgaben)
Nichtamtliche Leitsätze
- Die Festsetzung des Umlagesatzes ist – auch auf Rechtsbehelfe der Gemeinden hin – in materiellrechtlicher Hinsicht nur darauf überprüfbar, ob der Landkreis die von ihm ermittelten Daten zum Finanzbedarf berücksichtigt und gewürdigt hat und ob das Entscheidungsergebnis nicht offensichtlich fehlerhaft ist, das heißt der Finanzbedarf des Kreises nicht eindeutig und ohne erkennbare sachliche Begründung als vorrangig gegenüber dem Finanzbedarf der Gemeinden angesehen wurde.
- Die Erhebung der Kreisumlage darf nicht zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen finanziellen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden führen. Insoweit trifft die Gemeinde die Darlegungslast dafür, dass eine strukturelle Unterfinanzierung aller oder jedenfalls einer Mehrzahl der kreisangehörigen Gemeinden über einen längeren, mindestens zehnjährigen Zeitraum vorliegt.
- Dass der bayerische Gesetz- und Verordnungsgeber keine haushaltsrechtlichen Sonderregelungen für den Fall vorgesehen hat, dass ein Landkreis die doppelte kommunale Buchführung anwendet, die kreisumlageverpflichteten Gemeinden dagegen kameralistische Haushalte aufstellen, ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Der Gesetz und Verordnungsgeber durfte insoweit in pauschalierender Weise davon ausgehen, dass sich etwaige Verzerrungen aus der Anwendung der unterschiedlichen Haushaltssysteme im Ergebnis nicht wesentlich beziehungsweise nicht dauerhaft auswirken.
VG Bayreuth, Urteil vom 19.01.2023, B 9 K 19.271 (rechtskräftig)
Zum Sachverhalt
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2018. Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde mit 5224 Einwohnern (Stand: 31.12.2017). Sie gehört dem beklagten Landkreis B an. Der Beklagte hat seine Haushaltsführung im Jahr 2009 auf die doppelte Buchführung umgestellt, die Klägerin führt ihren Haushalt nach den Grundsätzen der Kameralistik.
In der Beschlussvorlage zu Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2018 für Kreisausschuss und Kreistag des Beklagten vom 4. Januar 2018 ist unter anderem ausgeführt, dass der Ergebnishaushalt ein Jahresergebnis von – 4 188 800 Euro und der Finanzhaushalt ein Saldo von – 9 097 200 Euro ausweisen solle. Die Abschreibungen würden für das Jahr 2018 voraussichtlich 4 501 200 Euro betragen (2017: 4 174 300 Euro). Unter Berücksichtigung von Erträgen aus der Auflösung von Sonderposten würden die Nettoabschreibungen 2018 voraussichtlich 1 787 700 Euro betragen (2017: 1 636 300 Euro). Hiervon entfielen 1 320 000 Euro auf die Investitionspauschale nach Art. 12 des Bayerischen Finanzausgleichsgesetzes (BayFAG). Die freiwilligen Leistungen lägen 2018 mit 1 835 300 Euro nahezu auf Vorjahresniveau. Die Umlagekraft des Beklagten habe sich um 6 060 733 Euro oder 6,61 % auf 97 747 497 Euro erhöht.
Wegen der günstigen Entwicklung der Finanzausgleichsleistungen und der Ergebnisrücklage von 10 155 912,83 Euro sowie dem Umstand, dass das Jahresergebnis 2016 statt der veranschlagten 3 464 900 Euro bei 6 201 863,72 Euro gelegen habe, sei vorgesehen, die Kreisumlage 2018 um 5,5 Prozentpunkte auf 35,5 % abzusenken. Der Ergebnishaushalt werde deshalb mit einem Saldo von −4 188 800 Euro abschließen, womit dem Beschluss des Kreistages vom 24. Februar 2017 und den Forderungen der Kreistagsfraktionen Rechnung getragen werde. Dementsprechend verringere sich das Kreisumlagesoll um 2 891 211,81 Euro auf 34 700 361,44 Euro. Bei der Bemessung der Kreisumlage sei zu berücksichtigen, dass die Nettoinvestitionen 4,45 Mio. Euro betrügen und diese Summe in den kommenden Jahren aufgrund verschiedener Baumaßnahmen weiter steigen werde. Außerdem sei es erklärtes Ziel, die Verschuldung weiter zurückzufahren. Dafür sei es notwendig, aus dem Ergebnishaushalt Mittel bereitzustellen und der allgemeinen Rücklage zuzuführen.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2018 wurden die kreisangehörigen Gemeinden des Landkreises B durch den Beklagten zu einer beabsichtigten Festlegung der Kreisumlage für das Jahr 2018 auf 35,5 % angehört und aufgefordert, über ihren im Jahr 2018 erforderlichen Finanzbedarf zu informieren und dabei insbesondere auf die finanzielle Entwicklung des Jahres 2018 sowie auf die besonderen Belastungen der jeweiligen Gemeinde einzugehen und dabei Aussagen zu der Zuführung an den Vermögenshaushalt, der Höhe der freien Finanzspanne, der Verschuldung und der Entwicklung der Rücklage zu machen.
Am 20. Februar 2018 beriet der Kreisausschuss des Beklagten über den Entwurf des Kreishaushaltes 2018. Mit der Beschlussvorlage vom 12. Februar 2018 wurden den Mitgliedern des Kreisausschusses das Anhörungsschreiben vom 19. Januar 2018 und die dazu eingegangenen Stellungnahmen der Gemeinden zur Verfügung gestellt. In der Beschlussvorlage wurde darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung der bereits mit der Sitzungsvorlage zum Haushalt versandten Unterlagen zu den finanziellen Verhältnissen der Landkreisgemeinden und unter Abwägung aller bekannten Umstände die angestrebte Absenkung der Kreisumlage sachgerecht sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte damit keinen ausgeglichenen Haushalt erreiche. Zwar werde dies dem doppischen System nicht gerecht, sei aber im Hinblick auf die vorhandene Ergebnisrücklage vertretbar.
In seiner Sitzung am 20. Februar 2018 beschloss der Kreisausschuss einstimmig, dass die vorgesehene Absenkung der Kreisumlage auf 35,5 % unter Berücksichtigung der bekannten finanziellen Verhältnisse der Gemeinden des Landkreises und unter Abwägung aller bekannten Umstände als sachgerecht angesehen und dem Kreistag empfohlen werde, dem Entwurf der Haushaltssatzung zuzustimmen. Ebenso beschloss der Kreisausschuss einstimmig, dass die Mehrergebnisse zwischen den Haushaltsansätzen und den tatsächlich erzielten Rechnungsergebnissen aus den Haushaltsjahren 2014 bis 2016, die noch nicht an die Gemeinden zurückgeführt worden seien, in 2019 und den Folgejahren über die Kreisumlage zurückgeführt würden.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 wurden die kreisangehörigen Gemeinden des Landkreises B nach der Beratung und Beschlussfassung im Kreisausschuss nochmals zur beabsichtigten Festsetzung der Kreisumlage 2018 auf 35,5 % angehört und gebeten, soweit noch nicht geschehen, Aussagen zu der Zuführung an den Vermögenshaushalt, der Höhe der freien Finanzspanne, der Verschuldung und der Entwicklung der Rücklage zu machen. Zudem wurde den Landkreisgemeinden Gelegenheit gegeben, sich zum nach Genehmigung des Haushalts beabsichtigten Erlass des Kreisumlagebescheides zu äußern.
In einer weiteren Beschlussvorlage für den Kreistag der Beklagten vom28. Februar 2018 ist im Wesentlichen das Gleiche wie in der Vorlage vom 4. Januar 2018 ausgeführt; ergänzend wurde auf die zweite Anhörung der kreisangehörigen Gemeinden hingewiesen. Der Beschlussvorlage als Anlage beigefügt waren der Entwurf des Haushalts und der Haushaltssatzung 2018 sowie eine Übersicht über die finanziellen Verhältnisse der Gemeinden, die insbesondere Angaben zu deren Gesamthaushalt, Einnahmen, Ausgaben, Verschuldung, Steuer- und Umlagekraft, freie Finanzspanne, Rücklagen, Steuerhebesätzen jeweils für die Jahre 2015, 2016 und 2017 enthielt.
In der Sitzung des Kreistages des Beklagten vom 9. März 2018 wurde die Haushaltssatzung und der Haushaltsplan des Beklagten für das Jahr 2018 als Tagesordnungspunkt 4 behandelt. Sodann wurde ein Antrag auf Festsetzung der Kreisumlage auf 33,0 % mit 47 zu neun Stimmen abgelehnt. Ebenso wurde ein Antrag, einen Kreisumlagesatz von 37,0 % festzusetzen, mit 54 zu zwei Stimmen abgelehnt. Im Anschluss beschloss der Kreistag mit 49 zu sieben Stimmen, unter Berücksichtigung der bekannten finanziellen Verhältnisse der Gemeinden und unter Abwägung aller bekannten Umstände werde die angestrebte Absenkung der Kreisumlage als sachgerecht angesehen; dem Entwurf der Haushaltssatzung werde zugestimmt und der Hebesatz für die Kreisumlage 2018 auf 35,5 % festgelegt. Die Mehrergebnisse zwischen den Haushaltsansätzen und den tatsächlich erzielten Rechnungsergebnissen aus den Haushaltsjahren 2014 bis 2016, die noch nicht an die Gemeinden zurückgeführt worden seien, seien in 2019 und den Folgejahren über die Kreisumlage zurückzuführen.
Die Regierung von O genehmigte die im Haushalt des Beklagten für 2018 vorgesehenen Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 7 750 000 Euro mit Bescheid vom 20. April 2018 rechtsaufsichtlich. Die Haushaltssatzung für das Jahr 2018 wurde sodann im Amtsblatt des Beklagten vom 28. Mai 2018 bekannt gemacht. Mit Bescheid vom 5. Juni 2018 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Kreisumlage für das Jahr 2018 auf 1 848 363,95 Euro fest. Der Bescheid wurde der Klägerin am 7. Juni 2018 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9. Juli 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 5. Juni 2018 erheben (B 5 K 18.703).
Nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 12. Juli 2018 wurde das Verfahren B 5 K 18.703 zunächst mit Beschluss vom 3. August 2018 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Verfahrensbeendigung des Verfahrens 4 BV 17.2488 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nach § 94 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ausgesetzt. Am 21. März 2019 wurde das Verfahren unter dem hiesigen Aktenzeichen wiederaufgenommen, nachdem im Verfahren 4 BV 17.2488 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof der mit Beschluss vom 14. Dezember 2018 vorgeschlagene Vergleich von den Beteiligten angenommen worden war.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern 20/2023 S. 704.