Eine Grundstückseigentümerin wehrte sich gegen die Baupläne ihrer Gemeinde, die eine bestandsmäßige Wegeführung zu verändern gedachten. Die Klägerin wandte sich mit der Sache an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
§ 47 VwGO; §§ 1, 2 BauGB; Art. 6, 67 BayStrWG (Normenkontrolle; Festsetzung einer Straßenverkehrsfläche auf privaten Grundstücken; Abwägung der Eigentümerbelange; straßenrechtliche Widmung)
Nichtamtliche Leitsätze
- Einem Bebauungsplan oder einzelnen seiner Festsetzungen fehlt die Erforderlichkeit, wenn die verfolgten Ziele verfehlt werden, insbesondere wenn das planerische Ziel, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken oder einer sich für die Zukunft abzeichnenden Bedarfslage gerecht zu werden, nicht erreicht werden kann, wenn also etwa der Verwirklichung des Bebauungsplans auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen.
- Allein die fehlende Verkaufsbereitschaft eines Grundstückseigentümers begründet kein Vollzugshindernis, das die Erforderlichkeit entfallen lässt.
- Die Zustimmung eines Grundstückseigentümers zur Widmung seines Grundstückes kann schriftlich, mündlich, aber auch nonverbal (durch schlüssiges Verhalten) gegeben werden.
BayVGH, Urteil vom 27.04.2023, 9 N 19.303 (rechtskräftig)
Zum Sachverhalt
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 16/1 „Östliche J-Straße“, bekannt gemacht am 6. Februar 2019.
Der im beschleunigten Verfahren aufgestellte Bebauungsplan Nr. 16/1 „Östliche J-Straße“, mit dem im Wesentlichen ein allgemeines Wohngebiet und östlich davon eine öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt werden, wurde am 28. Januar 2019 vom Stadtrat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossen, am 29. Januar 2019 durch die erste Bürgermeisterin ausgefertigt und am 6. Februar 2019 ortsüblich bekanntgemacht.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines im Plangebiet liegenden, circa 1000 m2 großen Grundstücks (Flur-Nr. 1 Gemarkung O). Das südwestlich darauf befindliche Gebäude wurde aufgrund einer Baugenehmigung von 1934 bis zur Betriebsaufgabe im Jahr 2006 (Gewerbeabmeldung 01.05.2006) als Gaststätte mit Wirtschaftsgarten genutzt. Seitdem fand und findet dort anderweitige gewerbliche Nutzung statt. Im östlichen und nördlichen Bereich dieses Grundstücks verläuft eine Anliegerstraße, welche nördlich anschließende Bebauung erschließt und in den in den Nachbarort K führenden Fußweg „G“ einmündet.
Diese Wegeführung wird durch die angegriffene Bebauungsplanung aufgegriffen, indem auf dem Grundstück der Antragstellerin im betroffenen Bereich auf einer Fläche von unstrittig jedenfalls deutlich über 300 m2 ein Teil der festgesetzten öffentlichen Verkehrsfläche zu liegen kommt. Zwischen den Beteiligten ist seit Jahren streitig, ob die bestehende, von der Allgemeinheit seit Jahren faktisch genutzte Wegefläche straßenrechtlich gewidmet ist. Am 13. Februar 2019 stellte die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag.
Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern 19/2023 S. 672.