Rechtsprechung Bayern

Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens

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Die Antragstellerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens. Sie ist der Ansicht, dass sich das geplante Bauvorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren unterlag sie in beiden Instanzen.

Dem unten vermerkten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vom 12.6.2023 entnehmen wir folgende Erwägungen:

1. Die Anhörung vor Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens muss in ihrer Begründung nicht der Ausführlichkeit der abschließenden Begründung bei Erlass des Verwaltungsakts entsprechen

„Der Einwand der Antragstellerin, die Ersetzung des nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB erforderlichen gemeindlichen Einvernehmens sei formell rechtswidrig, da die Genehmigungsbehörde in dem Anhörungsschreiben nicht dargelegt habe, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen sie die Verweigerung des Einvernehmens für rechtswidrig halte, überzeugt nicht. Gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BayBO kann das fehlende Einvernehmen nur nach Anhörung der Gemeinde vor Erlass der Baugenehmigung ersetzt werden.

Die Behörde muss den beabsichtigten Verwaltungsakt nach Art und Inhalt mit der geforderten Handlung so konkret umschreiben, dass hinreichend klar oder erkennbar ist, weshalb und wozu sich der Angehörte äußern können soll und mit welcher eingreifenden Entscheidung er zu welchem ungefähren Zeitpunkt zu rechnen hat (vgl. Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 28 Rn. 35). Dabei ist Maßstab für den Detaillierungsgrad einer Anhörung, dass für die Beteiligten hinreichend deutlich erkennbar ist, welche Tatsachen für die Entscheidung erheblich sein könnten, sodass sie ihre Stellungnahme sachgerecht vornehmen können. Impliziter Bestandteil der behördlichen Anhörungspflicht ist daher eine korrespondierende Pflicht zur substantiellen Information über den Verfahrensgegenstand (Schneider in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Loseblatt, August 2022 § 28 VwVfG Rn. 40). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Das Landratsamt teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 14.11.2022 mit, dass es beabsichtige, das gemeindliche Einvernehmen, das rechtswidrig verweigert worden sei, zu ersetzen (Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO). Aufgrund der vorgelegten Unterlagen (Vergleichsberechnungen waren diesem Schreiben beigefügt) werde davon ausgegangen, dass sich das Bauvorhaben einfüge und die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB somit gegeben seien. In den beigefügten Schreiben wird die Nachbarbebauung hinsichtlich der jeweiligen Grundstücksfläche, der Geschossfläche, der GFZ, der Traufhöhe und der Firsthöhe aufgelistet.

Das Verwaltungsgericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass es damit für die Antragstellerin zweifelsfrei erkennbar war, aus welchen Gründen das Landratsamt von einer rechtswidrigen Verweigerung der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens ausging. Entsprechend ergibt sich aus den im Verfahren vorgelegten Behördenakten, dass sich die Antragstellerin in keinem Zeitpunkt darüber im Unklaren war, aus welchen Gründen das Landratsamt von einem Einfügen des Vorhabens im Sinne des § 34 BauGB ausging. Eine Anhörung, die – wie offenbar von der Antragstellerin gefordert – in ihrer Ausführlichkeit mit der abschließenden Begründung des Verwaltungsaktes vergleichbar ist, bedurfte es auch deswegen nicht, da die Antragstellerin sich bei Unklarheiten an das Landratsamt hätte wenden können mit der Bitte um eine klärende Beratung (vgl. Schneider in Schoch/Schneider; Verwaltungsrecht, August 2022, § 28 VwVfG Rn. 40).“

2. Die nähere Umgebung ist für die Einfügungskriterien nach § 34 BauGB jeweils gesondert zu ermitteln

„Ein Vorhaben ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile v.a. dann zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die nähere Umgebung einfügt. Als ,nähere Umgebung‘ im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst … Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen … Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der Merkmale des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert zu ermitteln, weil die wechselseitige Prägung unterschiedlich weit reichen kann … Bei dem Nutzungsmaß ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart; meist führt die größere Nähe zu einer stärker prägenden Wirkung … Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen.“

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Den vollständigen Beitrag entnehmen Sie der Fundstelle Bayern Heft 4/2024, Rn. 42.