§ 9a LDO
Lehrkraft; Amtsangemessene Beschäftigung; Regulärer Unterricht; Vertretungsunterricht
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.02.2024, Az. 3 CE 23.2239
Orientierungssatz der Landesanwaltschaft Bayern
Eine Lehrkraft kann auch dann ausschließlich mit Vertretungsunterricht betraut werden, wenn gravierende Schwierigkeiten bei der Unterrichtserteilung bestehen und die Erreichung der Unterrichtsziele gefährdet ist.
Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern
Mit der vorliegenden Entscheidung stellt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) klar, dass eine Lehrkraft auch gegen ihren Willen nur mit Vertretungsunterricht betraut werden kann. Dies jedenfalls dann, wenn gravierende Schwierigkeiten bei der Unterrichtserteilung bestehen und die Erreichung der Unterrichtsziele gefährdet ist.
1. Bei der Antragstellerin, einer Oberstudienrätin, war es zu zahlreichen Beschwerden von Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern über den von ihr erteilten Unterricht gekommen. Eine fachaufsichtliche Prüfung der für die betreffende Schulart zuständigen Ministerialbeauftragten ergab zahlreiche Mängel in der Unterrichtsführung und -gestaltung. Die beobachtete Unterrichtsführung sei nicht geeignet, angemessene Unterrichtsfortschritte im Sinne des geltenden Lehrplans zu erzielen. Die Antragstellerin wurde daraufhin nicht mehr mit eigenverantwortlichem Unterricht betraut, sondern anderweitig eingesetzt, und eine amtsärztliche Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit in die Wege geleitet.
Nachdem sie mit ihrem auf amtsangemessene Beschäftigung gerichteten Antrag nach § 123 VwGO erstinstanzlich nur teilweise Erfolg hatte, verfolgte die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ihr Begehren weiter, mit der eigenverantwortlichen Erteilung von regulärem Unterricht mit vollem Deputat eingesetzt zu werden. Entgegen dem Verwaltungsgericht sei eine Beschäftigung ausschließlich mit Vertretungsunterricht bzw. (umgekehrt gewendet) ohne eigenverantwortlichen Unterricht nicht amtsangemessen. Vielmehr sei es unabdingbarer Bestandteil einer Beschäftigung als Oberstudienrätin, zu einem erheblichen Teil eigenverantwortlich regulären Unterricht zu erteilen und nicht nur Vertretungsunterricht oder sonstige Tätigkeiten. Dies werde auch von § 9a Abs. 3 der Lehrerdienstordnung (LDO – Verwaltungsvorschrift des zuständigen Staatsministeriums) vorausgesetzt und stehe in Übereinstimmung mit dem traditionellen Leitbild des Dienstpostens.
2. Diese Auffassung teilte der BayVGH nicht. Nach seiner Ansicht gehört Vertretungsunterricht zu dem abstrakt von allen Lehrkräften wahrzunehmenden Aufgabenbereich. Daraus, dass der Einsatz einer Lehrkraft sich üblicherweise auf die kontinuierliche Wahrnehmung des jeweiligen Fachunterrichts über das gesamte Schuljahr erstreckt und nicht in der hier streitigen Weise beschränkt ist, ergebe sich nichts anderes. Eine amtsangemessene Beschäftigung verlange nämlich nicht zwingend die Übertragung des „üblichen“ Aufgabenbereichs. Ebenso wenig sei die Amtsangemessenheit der Beschäftigung nur dann anzunehmen, wenn ein möglichst breites oder gar das gesamte mit dem statusrechtlichen Amt verbundene Aufgabenspektrum abgedeckt ist. Das Organisationsermessen des Dienstherrn erlaubt nach Auffassung des BayVGH den Einsatz von Lehrkräften als mobile Reserve. Gleiches gelte für eine entsprechende Beschränkung der Dienstaufgaben an der Stammschule der Lehrkraft. Bei einer Gesamtwürdigung erscheine der Arbeitsbereich einer mit Vertretungsunterricht betrauten Lehrkraft nicht durch unterwertige Beschäftigungen geprägt (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 11.08.2014, Az. 6 B 834/14, juris Rn. 6 ff.).
9a Abs. 3 LDO – wonach Lehrkräfte verpflichtet sind, auch außerhalb ihres planmäßigen Unterrichts Vertretungen zu übernehmen – sei keinem Umkehrschluss dahingehend zugänglich, dass jeder Lehrer mit regulärem Unterricht betraut werden müsse. Auch die Berücksichtigung des traditionellen Leitbilds einer Lehrkraft führte hier zu keiner anderen Bewertung, weil der BayVGH die Einschätzung des Verwaltungsgerichts teilte, dass nach Lage der Akten gravierende Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit bestehen und die Erreichung der Unterrichtsziele gefährdet ist.
Oberlandesanwalt Dr. Magnus Riedl ist bei der Landesanwaltschaft Bayern Ständiger Vertreter des Generallandesanwalts.
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