§ 45 Abs. 2 Satz 1, § 6 WaffG, § 4 Abs. 6 AWaffV
Waffenrechtliche Eignung; Gutachten; Maßgeblicher Zeitpunkt
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19.03.2024, Az. 24 C 24.43
Orientierungssatz der LAB
Wird ein zu Recht angefordertes Gutachten über die persönliche Eignung des Waffenbesitzers bis zum Erlass des Bescheids nicht vorgelegt, darf die Waffenbehörde auf die Ungeeignetheit des Klägers schließen.
Bemerkung der Landesanwaltschaft Bayern
Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) im Rahmen einer Prozesskostenhilfebeschwerde gibt Anlass, die Anforderungen an die Aufforderung zur Vorlage eines Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung näher darzulegen.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG besitzt. Die erforderliche Eignung besitzt nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG ein Betroffener nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er aufgrund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren kann.
Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung begründen oder bestehen begründete Zweifel an vom Antragsteller beigebrachten Bescheinigungen, so hat die zuständige Behörde der betroffenen Person auf deren Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben.
Bringt der Betroffene der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht bei, darf die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 4 Abs. 6 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung – AWaffV).
Ein Rückschluss auf die mangelnde Eignung zum Umgang mit Waffen aufgrund der Nichtbeibringung eines Gutachtens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn die Aufforderung, ein solches beizubringen, selbst rechtmäßig war:
1. Die Gutachtensaufforderung muss anlassbezogen erfolgen, d.h. der Behörde müssen Tatsachen vorliegen, die entsprechende Eignungszweifel begründen. Die Behörde ist bei Zweifeln grundsätzlich zur Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG), wobei der Betroffene zur Mitwirkung angehalten ist. Dabei ist nicht erforderlich, dass eine fehlende persönliche Eignung bereits sicher feststeht, vielmehr genügen insoweit bereits tatsachenbegründete Zweifel an der bestehenden Eignung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 05.02.2019, Az. 21 CS 18.2168, juris Rn. 13). Bloße unsubstantiierte Andeutungen Dritter über die geistige und körperliche Verfassung des Betroffenen sind, anders als beispielsweise eigene Feststellungen eines Polizeibeamten, keine Tatsachen im Sinne des § 6 Abs. 2 WaffG (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 03.08.2021, Az. AN 16 K 21.00671, juris Rn. 19).
2. Die Beibringungsanordnung muss aus sich heraus verständlich sein (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 1 AWaffV). Der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob die in ihr aufgeführten Gründe die behördlichen Eignungszweifel zu rechtfertigen vermögen; allein die Wiedergabe des Wortlauts von § 6 Abs. 2 WaffG genügt nicht.
3. Der Betroffene ist zwingend nach § 4 Abs. 6 Satz 2 AWaffV darauf hinzuweisen, dass bei nicht fristgerechter Beibringung auf seine Nichteignung geschlossen werde.
4. Die Frist für die Beibringung muss angemessen sein. Der BayVGH hat hierfür eine Frist von vier bis sechs Wochen als ausreichend erachtet (vgl. Beschluss vom 30.03.2020, Az. 24 ZB 17.1883, juris Rn. 20).
Wird bis zum Ablauf der Frist ohne ausreichenden Grund kein Gutachten vorgelegt, ist die waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen.
Da es auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses ankommt, sind nachträglich vorgelegte Gutachten nicht zu berücksichtigen, sondern können sich gegebenenfalls erst in einem neuen Verfahren auf Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis auswirken (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.10.2019, Az. 21 CS 18.2298, juris Rn. 13 m.w.N.).
Oberlandesanwältin Beate Simmerlein ist bei der Landesanwaltschaft Bayern schwerpunktmäßig u.a. zuständig für Schul- und Hochschulrecht, Medienrecht, Landesbeamtenrecht und Waffenrecht.
Weitere Beiträge der LAB.
Die auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisierten Juristinnen und Juristen der Landesanwaltschaft Bayern stellen monatlich eine aktuelle, für die Behörden im Freistaat besonders bedeutsame Entscheidung vor.