Rechtsprechung Bayern

Popularklage: Verstößt Wahl der Gemeinderäte, Bürgermeister, Kreistage und Landräte gegen Bayerische Verfassung?

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Art. 27, 28 GLKrWG (Popularklage; Wiederholung; Substanziierungsanforderungen; erhebliche neue Tatsachen; neue rechtliche Gesichtspunkte; Unterschriftenquorum)

Amtlicher Leitsatz

Wegen Wiederholung und mangels Substanziierung unzulässige Popularklage gegen Bestimmungen im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz zum Unterschriftenquorum und zu Modalitäten bei der Unterstützung neuer Wahlvorschlagsträger.

BayVerfGH, Entscheidung vom 21.12.2023, Vf. 2-VII-20

Zum Sachverhalt

Gegenstand der Popularklage vom 29. Januar 2020 ist die Frage, ob Art. 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i. V. m. Art. 28 des Gesetzes über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl. S. 834, BayRS 2021-1/2-I), das zuletzt durch § 5 des Gesetzes vom 9. März 2021 (GVBl. S. 74) geändert worden ist, gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen.

Die angegriffenen Vorschriften bestimmen, wie viele Wahlberechtigte die Wahlvorschläge der Parteien und Wählergruppen, die im Gemeinderat oder im Kreistag seit dessen letzter Wahl nicht aufgrund eines eigenen Wahlvorschlags ununterbrochen bis zum 90. Tag vor dem Wahltag vertreten waren (neue Wahlvorschlagsträger), unterstützen müssen (Art. 27 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GLKrWG), und regeln die Eintragung in die Unterstützungslisten und die Erteilung von Eintragungsscheinen (Art. 28 GLKrWG).

Der Verfassungsgerichtshof hat am 18. Juli 1995 (VerfGHE 48, 61) über das für Wahlvorschläge von Wählergruppen und Parteien, die im letzten Gemeinderat oder Kreistag nicht aufgrund eines eigenen Wahlvorschlags vertreten waren, geltende Quorum für Unterstützungsunterschriften entschieden. Gegenstand der vom Verfassungsgerichtshof abgewiesenen Popularklagen waren insbesondere Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 3 Satz 3 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes vom 10. August 1994 (GVBl. S. 747) in seiner ursprünglichen Fassung (im Folgenden: GLKrWG u. F.). Die angegriffenen Normen schrieben insbesondere vor, dass Wahlvorschläge von Wählergruppen und Parteien, die im letzten Gemeinderat oder Kreistag nicht aufgrund eines eigenen Wahlvorschlags vertreten waren (neue Wahlvorschlagsträger), über die erforderlichen Unterschriften hinaus zusätzlich von viermal so viel Wahlberechtigten unterstützt werden müssen, wie ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder oder Kreisräte zu wählen sind (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 GLKrWG u. F.), dass die Wahlberechtigten sich dazu persönlich in eine Liste (Unterstützungsliste) einzutragen haben, die vom Wahlleiter bei Gemeindewahlen bei der Gemeindeverwaltung, bei Landkreiswahlen beim Landratsamt aufgelegt wird (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GLKrWG u. F.), und dass die Niederschrift über die Aufstellungsversammlung bei neuen Wahlvorschlagsträgern von zehn Wahlberechtigten, die an der Aufstellungsversammlung teilgenommen haben, zu unterschreiben ist (Art. 26 Abs. 3 Satz 3 GLKrWG u. F.).

Die Verfassungsmäßigkeit des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1995 (GVBl. S. 590; im Folgenden: GLKrWG a. F.) und des § 41 Abs. 1 Sätze 1 und 4 der Wahlordnung für die Gemeinde- und die Landkreiswahlen (Gemeinde- und Landkreiswahlordnung – GLKrWO) vom 28. August 1995 (GVBl. S. 605, ber. S. 727; im Folgenden: GLKrWO a. F.) hat der Verfassungsgerichtshof in einer weiteren Entscheidung vom 15. Februar 1996 (VerfGHE 49, 11) bejaht. Diese Normen sahen gegenüber der Vorgängerregelung für neue Wahlvorschlagsträger höhere Unterschriftsquoren vor (Art. 25 GLKrWG a. F.) und regelten insbesondere, dass die Unterstützungslisten für die neuen Wahlvorschlagsträger in der Zeit nach der Einreichung der Wahlvorschläge bis zum 41. Tag vor dem Wahltag, 18 Uhr, während der allgemeinen Dienststunden der Gemeindeverwaltung oder des Landratsamts aufzulegen sind (§ 41 GLKrWO a. F.).

Entnommen aus Bayerische Verwaltungsblätter 9/2024, S. 304.