Mit dieser Thematik befasste sich das Verwaltungsgericht München (VG) im unten vermerkten rechtskräftigen Beschluss vom 22.11.2023. Folgender Sachverhalt lag zugrunde:
Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks in der Gemarkung der Antragsgegnerin und Mitglied des Stadtrats der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin betreibt zur Abwasserbeseitigung in ihrem Gemeindegebiet eine Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung. Zur Finanzierung von Investitionen in die Entwässerungsanlage beabsichtigt die Antragsgegnerin, einen Verbesserungsbeitrag zu erheben bzw. die Bemessungsgrundlage zu aktualisieren und auf der Grundlage dieser Werte von den Anschlussnehmern den aktualisierten Herstellungsbeitrag zu erheben. Bemessungsgrundlage für den Beitrag sind die Grundstücks- und Geschossflächen der an die Abwasserentsorgung angeschlossenen Grundstücke.
Hierzu sollen die Geschossflächen neu vermessen werden. Mit der Ermittlung der aktuellen Flächen und der anschließenden Berechnung hat die Antragsgegnerin einen Ingenieurdienstleister und eine Kommunalberatung beauftragt. Mittels einer mit einer Kamera ausgestatteten Drohne sollen die Grundstücke der Anschlussnehmer beflogen und bildlich aufgezeichnet werden; die bildlichen Aufzeichnungen sind georeferenziert. Sie sollen ausgewertet werden, indem insbesondere ein dreidimensionales Modell der Grundstücke der Anschlussnehmer erstellt wird und die Geschossflächen in m² je Gebäude bzw. Gebäudeteil und die Gebäudeumrisse in cm² dokumentiert werden. Die Auswertung soll als Grundlage für die Berechnung der Beiträge durch die Kommunalberatung dienen.
Das VG sieht keine Rechtsgrundlage für die geplanten Maßnahmen und ordnet im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an, dass diese vorläufig (bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache) zu unterlassen seien. Dem Beschluss des VG entnehmen wir:
- Hoheitlicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
„Es handelt sich bei den im ersten Schritt zu erstellenden bildlichen Aufzeich- nungen erstens um mit Blick auf das Grundstück bzw. Gebäude umfassende und zweitens um detaillierte Aufzeichnungen, die drittens mit den persönlichen Angaben der Grundstückseigentümer verknüpft werden. So handelt es sich nicht lediglich um eine Übersichtsaufnahme im Sinn einer Flurkarte mit kleinem Maßstab, sondern um umfassende bildliche Aufzeichnungen …
Die Geschossfläche ist gemäß § 20 Abs. 3 BauNVO nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund müsste die Drohne zur Ermittlung der Geschossflächen sowohl mittig über den Grundstücken bzw. (Wohn-)Gebäuden fliegen und diese aufzeichnen als auch aus einer (leicht) seitlichen Perspektive. Wenn man die Geschossflächen durch bildliche Aufzeichnung ermitteln möchte, kann dies nur durch eine Kombination von Übersichtsaufnahmen und seitlichen Aufnahmen der Gebäude erfolgen. Die Außenmaße eines Gebäudes sind nicht nur näherungsweise relevant, vielmehr sind… unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben in ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung u. a. auch Terrassen, seitliche Terrassenwände oder Säulen, über- stehende Balkone, Windfänge, Dacherweiterungen und die bauliche Verbindung zwischen Wohngebäuden und Garagen zu ermitteln. Für die Ermittlung der … aufgeführten Beispiele sind umfassende bildliche Aufzeichnungen der tatsächlichen Verhältnisse erforderlich.
Zweitens können bei einer beabsichtigten Flughöhe von circa 50-75 m … die bildlichen Aufzeichnungen bis auf wenige Zentimeter genau die tatsächlichen Gegebenheiten aus der Flugperspektive abbilden … Die Aufzeichnungen bzw. Auswertungen sollen … u. a. mit folgenden Angaben verknüpft werden: Gemarkung, Flurstücknummer, Anrede, Vorname, Nachname, akademischer Titel, Postleitzahl, Ort, Straße, Hausnummer …
Der Antragsteller zählt zum Kreis der von den streitgegenständlichen Maßnahmen betroffenen Grundstückseigentümer. Unter Berücksichtigung des heutigen Stands der Technik dürften die streitgegenständlichen Maßnahmen in seine grundgesetzlich geschützte Rechtsposition eingreifen … Für die Bejahung der Eingriffsqualität der streitgegenständlichen Maßnahmen dürfte es auf die (gute) Einsehbarkeit des Wohngrundstücks nicht ankommen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung darf der Betroffene nach den konkreten Gegebenheiten die begründete und für Dritte erkennbare Erwartung hegen, dass seine privaten Verhältnisse den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleiben und von ihr nicht zur Kenntnis genommen werden.
Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ist … zu verneinen, wenn die Abbildung des Anwesens nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne weiteres zutage liegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.5.2006 1 BvR 507/01 juris Rn. 13). Zulässig ist danach das Fotografieren der Außenansicht eines Grundstücks von einer allgemein zugänglichen Stelle aus, weil die Aufnahmen nur den ohnehin nach außen gewandten Bereich betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 9.12.2003 VI ZR 404/ß2 juris Rn. 19). Die höchstrichterliche Rechtsprechung dürfte allerdings nur eingeschränkt auf die streitgegenständliche Fallgestaltung zu übernehmen sein, da sie zur allgemeinen Veröffentlichung vorgesehene Aufnahmen durch private Dritte betrifft. Im hiesigen Verfahren handelt es sich um Aufnahmen einer öffentlichen Stelle, die nicht zur allgemeinen Veröffentlichung, aber zur Verwertung durch die öffentliche Stelle, namentlich zur Geschossflächenermittlung und zur Bereitstellung im GIS-System vorgesehen sind. Zudem ist auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stets der häus- liche Bereich als Rückzugsort geschützt.
Die Maßnahmen sind auch hoheitlich. Die Antragsgegnerin handelt bei Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahmen nicht durch Gemeindebedienstete, sondern durch den Ingenieurdienstleister als Verwaltungshelfer. Da die Maßnahmen im Rahmen der Daseinsvorsorge (genau: zur Beitrags- und Gebührenerhebung) veranlasst wurden und der durchführende Ingenieurdienstleister im Auftrag und nach Weisung für die Antragsgegnerin tätig wird, handelt es sich um einen hoheitlichen Eingriff.“
- Keine Rechtfertigung der Maßnahmen durch die Luftverkehrsordnung
„Auf die Luftverkehrsordnung können die streitgegenständlichen Maßnahmen nicht gestützt werden. Die Luftverkehrsordnung regelt die verkehrsrechtliche Zulässigkeit von Drohnen, nicht jedoch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Nutzung von Drohnen, die mit Kameras ausgestattet sind (Weichert ZD 2012, 501). Ob und inwieweit personenbezogene Daten anlässlich oder bei Gelegenheit der Teilnahme am Luftverkehr durch unbemannte Fluggeräte verarbeitet werden dürfen, ist nicht Regelungsgegenstand der Luftverkehrsordnung. Gemäß § 1 LuftVO regelt die Verordnung die Voraussetzungen und Bedingungen für die Teilnahme am Luftverkehr. Ob die streitgegenständlichen Maßnahmen nach der aktuellen Rechtslage den Vorgaben der Luftverkehrsordnung entsprechen, kann daher dahinstehen.“
- Gemeindeordnung und Kommunalabgabengesetz nebst aufgrund dieser Gesetze erlassenen Satzungen als Rechtsgrundlage?
„Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern und das Kommunalabgabengesetz nebst aufgrund dieser Gesetze erlassenen Satzungen dürften keine Rechtsgrundlage zur Durchführung der streitgegenständlichen Maßnahmen enthalten. Die Voraussetzungen für die Durchsetzung kommunalrechtlicher Befugnisse zum Betreten von Grundstücken, die sich aus den genannten Normen ergeben könnten, liegen bereits nicht vor. Es kann daher hier dahinstehen, ob die Befugnisse zum Betreten von Grundstücken auch das Befliegen und Aufzeichnen von Grundstücken mittels Drohne umfassen könnten …
Auf § 17 Abs. 3 der Entwässerungssatzung kann die Antragsgegnerin sich nicht berufen. Die Antragsgegnerin hat auf dieser Rechtsgrundlage keine entsprechende Duldungsverfügung gegenüber dem Antragsteller erlassen. Zwar können die Bestimmungen der Entwässerungssatzung auf Grundlage der Satzungsermächtigung in Art. 24 Abs. 3 GO das Recht gemeindlich beauftragter Personen zum Betreten von Grundstücken, Gebäuden, Wohnräumen etc. zur Überwachung der satzungsgemäßen Pflichten enthalten. Vorgesehen ist jedoch ein zweistufiges Verfahren. Die Satzungsbestimmung gibt den Gemeindebediensteten noch nicht unmittelbar das Recht zum Betreten; dieses muss vielmehr im Einzelfall bei Weigerung des Betroffenen durch den Erlass einer Duldungsanordnung konkretisiert werden. Es obliegt der Behörde, dabei die sich aus dem Verfassungsrecht, insbesondere der Unverletzlichkeit der Wohnung, ergebenden Wertungen zu berücksichtigen …
Auch auf § 15 der Beitrags- und Gebührensatzung dürfte die Antragsgegnerin sich nicht berufen können. Die Beitrags- und Gebührensatzung normiert in § 15 Pflichten der Beitrags- und Gebührenschuldner zur unverzüglichen Meldung von beitrags- und gebührenrelevanten Veränderungen und zur Auskunftserteilung über den Umfang dieser Veränderungen, wobei die Auskunft auf Verlangen (der Antragsgegnerin) auch unter Vorlage entsprechender Unterlagen zu leisten ist. Unabhängig von der Frage, ob die Antragsgegnerin auf Grundlage der Satzungsermächtigung in Art. 5, 8 und 9 KAG in der entsprechenden Beitrags- und Gebührensatzung eine Befugnis zum Betreten von Grundstücken, Gebäuden, Wohnräumen etc. zur Überwachung der sich aus der Beitrags- und Gebührensatzung ergebenden Pflichten normieren kann …, fehlt die entsprechende Duldungsverfügung.
Auf die Befugnis in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc Dreifach- buchst. ccc KAG i. V. m. § 99 AO könnte sich die Antragsgegnerin auch nicht berufen. Es kann auch hier dahinstehen, ob die Voraussetzungen von § 99 Abs. 1 AO vorliegen, da die Antragsgegnerin jedenfalls auch hier eine Duldungsverfügung gegenüber dem Antragsteller erlassen müsste.“
- Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO
„Der Anwendungsbereich der DSGVO ist eröffnet, da es sich bei den Informationen, die durch die streitgegenständlichen Maßnahmen erhoben werden sollen, um personenbezogene Informationen i. S. v. Art. 4 Nrn. 1 und 2 DSGVO handelt. Ein Personenbezug liegt nicht nur dann vor, wenn die Maßnahmen Personen möglicherweise (mit-)aufzeichnen, was hier durchaus im Bereich des Möglichen liegen könnte …
Selbst wenn durch die streitgegenständlichen Maßnahmen tatsächlich keine Person mitaufgezeichnet würde, liegt der Personenbezug jedoch gleichwohl vor … Der Personenbezug ergibt sich aus der Georeferenziertheit der Daten und der nachträglichen Bearbeitung der Daten durch den Ingenieurdienstleister. Die bildlichen Aufzeichnungen (,Rohdaten‘) zeigen stets auch die exakten Positionsdaten der Drohne wie die Flughöhe im Augenblick des Bildes, die geographische Lagebestimmung, die Aufnahmerichtung und den Neigungswinkel an. Auch die nachträgliche Verknüpfung der bildlichen Aufzeichnung mit den Informationen wie Name, Anschrift und Flurstücknummer stellt den Personenbezug i. S. v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO her … Zudem weisen die beabsichtigten Aufnahmen einen hohen Detailgrad auf und es handelt sich bei den aufzuzeichnenden Informationen um Wohngrundstücke. Die Aufzeichnungen sollen u. a. Terrassen und Balkone erfassen. Durch (leicht) seitliche Aufnahmen werden bei dem beabsichtigten Vorgehen auch Fenster zu (Wohn-)Räumen erfasst. Auch wenn man zu Gunsten der Antragsgegnerin von einem Detailgrad von drei Zentimetern ausgeht, könnten konkrete Details der Wohnverhältnisse erfasst werden. Auf nicht-überdachten Flächen wie Terrassen könnten Gegenstände von einer Größe über drei Zentimeter erfasst werden. Unter überdachten Flächen ist die Aufzeichnung der Wohnverhältnisse nicht ausgeschlossen. Die (leicht) seitliche Perspektive würde auch das Erfassen der Wohnverhältnisse in der Nähe eines Fensters oder einer Glastür ermöglichen … Der Antragsteller ist durch die verarbeiteten Informationen auch identifizierbar. Ausgehend von den durch den Ingenieurdienstleister erstellten Modellen und Plänen folgt die Identität des Antragstellers unmittelbar aus der Information selbst. Mit Blick auf die Rohdaten wie bspw. ,Orthofotos‘ ist der Antragsteller zumindest unter Zuhilfenahme weiterer Informationen identifizierbar.“
Entnommen aus der Fundstelle Bayern Heft 10/204, Rn. 120.