Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat sich in unten vermerktem Urteil vom 23.2.2024 dazu geäußert, in welchem Umfang bei der Heranziehung zum Herstellungsbeitrag für eine Wasserversorgungseinrichtung die Grundstücksfläche eines im Außenbereich gelegenen beitragspflichtigen Grundstücks zu berücksichtigen ist. Das Gericht arbeitete insbesondere heraus, dass bei der sogenannten Umgriffsbildung die Abstandsflächen von Gebäuden, die keinen Anschlussbedarf haben, nicht einbezogen werden dürfen. Der Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
Das maßgebliche Grundstück ist mit verschiedenen Betriebsgebäuden eines ehemaligen Sägewerks bebaut. Es liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich und ist an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung angeschlossen. Der Einrichtungsträger legte bei der gegenüber dem Voreigentümer des Klägers erfolgten Festsetzung des Herstellungsbeitrags neben der (im Einzelnen auch im Streit stehenden, hier aber nicht näher betrachteten) Geschossfläche insbesondere die Fläche des gesamten Buchgrundstücks (25.856 m²) als beitragspflichtige Grundstücksfläche zugrunde. In dem an den Kläger gerichteten streitgegenständlichen Duldungsbescheid wurde festgestellt, dass gemäß Art. 5 Abs. 7 KAG auf dem Grundstück der fällige Herstellungsbeitrag als öffentliche Last ruht. Der VGH kam zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der Beitragsermittlung eine heranziehbare Grundstücksfläche von (nur) 20.289 m² in Ansatz gebracht werden könne, weswegen der Duldungsbescheid hinsichtlich der Differenz rechtswidrig sei. Der Entscheidung entnehmen wir:
1. Die Beitragsschuld entsteht mit der Möglichkeit, das Grundstück an die Wasserversorgungseinrichtung anzuschließen
Der VGH erläutert zum Vorhandensein einer Beitragsschuld zunächst:
„Auf dem Grundstück der Klägerin ruht nach Art. 5 Abs. 7 Satz 1 KAG eine Herstellungsbeitragsschuld als öffentliche Last. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden – über Art. 22 Abs. 1 KommZG auch hierzu gebildete Zweckverbände – zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme entsprechender öffentlicher Einrichtungen einen besonderen Vorteil bietet. Der Beklagte betreibt als Zweckverband eine Wasserversorgungseinrichtung als öffentliche Einrichtung. Mit Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS) vom 5.5.2003 hat der Beklagte von der Ermächtigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG Gebrauch gemacht und erhebt zur Deckung des Herstellungsaufwands für die Wasserversorgungseinrichtung einen Beitrag (§ 1 BGS-WAS). Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Satzung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Nach § 2 BGS-WAS wird der Beitrag u.a. für bebaute oder gewerblich nutzbare Grundstücke erhoben, wenn für sie nach § 4 der Wasserabgabesatzung des Beklagten (WAS) vom 8.6.1999 ein Recht zum Anschluss an die Wasserversorgungseinrichtung besteht. Dies ist vorliegend der Fall, da das streitgegenständliche – bebaute und gewerblich nutzbare – Grundstück seit 2008 durch eine Wasserversorgungsleitung erschlossen ist und damit nach § 4 Abs. 2 Satz 1 WAS ein entsprechendes Anschlussrecht besteht. Durchgreifende Einwendungen hiergegen hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Beitragsschuld ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BGS-WAS mit der Möglichkeit des Anschlusses des Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung entstanden, nach den überzeugenden und vom Berufungsvorbringen der Klägerin nicht erschütterten Feststellungen des Verwaltungsgerichts also im Jahr 2008. Dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei bebauten Grundstücken im Außenbereich eine Beitragspflicht von vornherein nur dann entsteht, wenn mit der bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks ein Anschlussbedarf (hier: für die Wasserversorgung) verbunden ist (vgl. nur BayVGH, U. v. 19.8.2019 – 20 B 18.1346, U. v. 23.6.1998 – 23 B 96.4116), hat hier schon deswegen keine Auswirkungen, weil die für das Grundstück erteilten Baugenehmigungen eine Nutzung durch einen holzverarbeitenden Betrieb festschreiben und ein solcher Sägewerksbetrieb bei typisierender Betrachtung einen Wasserversorgungsbedarf auslöst (vgl. nur BayVGH, U. v. 12.5.2004 – 23 B 03.2416).“
2. Im Außenbereich ist bei Ermittlung der Grundstücksfläche neben der Grundfläche anschlussbedürftiger Gebäude ein Umgriff um diese Bebauung zu berücksichtigen
Zum Umfang der Beitragsschuld und zum Umgriff wird allgemein erklärt:
„Der Umfang der Beitragsschuld ergibt sich vorliegend aus der Maßstabsregel des § 5 Abs. 1 BGS-WAS. Danach wird der Beitrag nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude berechnet … Nach Auffassung des Senats ist im Rahmen der Beitragsermittlung eine heranziehbare Grundstücksfläche von (nur) 20.289 m2 zugrunde zu legen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, U. v. 19.8.2019 – 20 B 18.1346 m.w.N.; B. v. 8.12.2005 – 23 ZB 05.1637; U. v. 15.11.2001 – 23 B 01.1165; U. v. 12.11.1997 – 23 B 96.741; U. v. 15.12.1999 – 23 B 98.3206) können Grundstücke im Außenbereich grundsätzlich nur insoweit zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden, als sie tatsächlich mit Bauwerken bebaut sind, die an die kommunale Einrichtung angeschlossen sind oder eines solchen Anschlusses entsprechend der baurechtlich genehmigten oder tatsächlich gefestigten Nutzung bedürfen. Darüber hinaus ist nach der o.g. Rechtsprechung des Senats bei der Ermittlung der maßgeblichen Grundstücksfläche neben der Grundfläche der vorhandenen anschlussbedürftigen Gebäude zusätzlich ein Umgriff um diese Bebauung herum zu berücksichtigen.“
3. Die Abstandsflächen von Gebäuden, die keinen Anschlussbedarf haben, werden nicht in den Umgriff einbezogen
Zum Umgriff heißt es konkret:
„Dabei ergibt sich der Umgriff zunächst aus den erforderlichen Abstandsflächen (vgl. Art. 6 BayBO) um die den Anschlussbedarf auslösenden Gebäude. Weiterhin ergibt sich der Umgriff aus den der bestimmungsgemäßen Nutzung dieser Gebäude dienenden befestigten Flächen (wie Erschließungs- und Verkehrsflächen) sowie schließlich aus den Grundflächen der keinen eigenen Anschlussbedarf auslösenden Gebäude, die aber in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der genehmigten Nutzung der anschlusspflichtigen Gebäude stehen bzw. mit diesen eine wirtschaftliche Einheit bilden; aufgrund des fehlenden Anschlussbedarfs dieser Gebäude scheidet insofern eine zusätzliche Veranlagung der jeweiligen baurechtlichen Abstandsflächen aus. Nach diesen Grundsätzen kann die Auffassung des Beklagten, für die Beitragshöhe sei die gesamte Fläche des streitgegenständlichen Grundstücks (d.h. 25.856 m2) maßgeblich, keinen Bestand haben. Die hier mit dem bestandskräftigen Beitragsbescheid gegenüber der vormaligen Grundstückseigentümerin … vorgenommene Veranlagung der gesamten Grundstücksfläche wird den o.g. Vorgaben nicht gerecht …
Das Grundstück ist zwar zu einem weit überwiegenden Teil seiner Fläche mit Gebäuden und Verkehrswegen bebaut, die dem ehemaligen Sägewerksbetrieb zu dienen bestimmt waren. Den Umgriff um die vorhandene Bebauung auf die gesamte Grundstücksfläche zu erstrecken, ist hier aber insofern unzulässig, als das Grundstück gerade nicht mit seiner gesamten Fläche an der baurechtlich genehmigten Nutzbarkeit teilnimmt und von der Erschließung durch die Wasserversorgungsanlage profitiert. Nach Auffassung des Senats gilt vielmehr Folgendes: Zu veranlagen sind zunächst die Grundflächen sämtlicher Bestandsgebäude, da alle vorhandenen Gebäude – unabhängig davon, ob sie einen eigenständigen Anschlussbedarf auslösen – dem genehmigten Sägewerksbetrieb zu dienen bestimmt sind bzw. waren und mit ihm eine wirtschaftliche Einheit bilden; insofern sind die Grundflächen der vorhandenen Gebäude ohne eigenen Anschlussbedarf insgesamt dem Umgriff zuzurechnen. Zusätzlich umfasst der Umgriff zum einen die der genehmigten Nutzung der Bestandsgebäude dienenden Zufahrtswege und befestigten Verkehrsflächen auf dem Grundstück und zum anderen – soweit nicht bereits als Verkehrsflächen erfasst – die baurechtlichen Abstandsflächen um die einen eigenständigen Anschlussbedarf auslösenden Gebäude. Insbesondere nicht dem Umgriff zurechenbar sind jedoch die … bewaldete Teilfläche im Südosten des Grundstücks und die auf dem Grundstück vorhandenen Grünflächen, da nicht erkennbar ist, inwieweit Wald- und Grünflächen mit dem Betrieb eines Sägewerks wirtschaftlich verbunden sein sollten. Ebenfalls nicht dem zulässigen Umgriff zuzurechnen sind die baurechtlichen Abstandsflächen um die keinen eigenen Anschlussbedarf auslösenden Bestandsgebäude, was sich konkret darin niederschlägt, dass die im Nordosten des Grundstücks gelegene Lagerhalle nur mit ihrer Netto-Grundfläche zu veranlagen ist. Auf dieser Grundlage ergibt sich … eine zu veranlagende Grundstücksfläche von 20.289 m2.“
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 23.2.2024 – 20 B 20.2769
Beitrag entnommen aus Die Gemeindekasse Bayern 23/2024, Rn. 210.