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Bayerischer Gemeindetag: Ohne Moos nix los – Schnelles Internet auf dem Land

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Der heikelste Punkt beim Antrag auf Fördermittel für schnelles Internet ist die Festlegung des Erschließungsgebietes. Da sind sich alle Redner auf der oberbayerischen „Roadshow“ des bayerischen Breitbandzentrums in München einig. 

„Das ist eine Herausforderung für sich“, sagte der Regierungspräsident von Oberbayern, Christoph Hillenbrand, auf der Informationsveranstaltung für die oberbayerischen Kommunen und Landkreise.

Der Bayerische Gemeindetag begrüßt das Förderprogramm ausdrücklich, hat jedoch Bedenken, ob das Breitbandzentrum die Beratungstätigkeit für die Gemeinden leisten kann. Der Verband warnt auch vor den hohen Kosten für die Kommunen, die trotz der Zuschüsse anfallen. Werden die alten Kupferkabel von der teuren Glasfasertechnik abgelöst, sind die Mittel schnell aufgebraucht, so der zuständige Referent des Gemeindetags, Stefan Graf. Während der Freistaat „Leuchtturmprojekte“ anpeilt, ist der Kommunalverband an einer möglichst umfassenden Versorgung in der Fläche interessiert.

Die meisten der 120 Stühle im Saal des Beratungsunternehmens Pricewaterhouse Coopers (PwC) sind an diesem Februarnachmittag besetzt. Im Auftrag des Wirtschaftsministeriums sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Breitbandzentrums (www.schnelles-internet-in-bayern.de) den Kommunen eine neutrale und kostenlose „Erstberatung“ angedeihen lassen. Es soll eine „Hilfe zur Selbsthilfe“ sein. Denn für das Antragsverfahren hat sich die Europäische Union aus Wettbewerbsgründen einen umfangreichen Fahrplan mit 19 Stationen ausgedacht. Der ist so kompliziert und birgt ein so hohes Fehlerrisiko, dass besonders kleine Gemeinden externen juristischen sowie technisch-fachlichen Rat einholen und bezahlen müssen (Kosten nicht förderfähig). Sonst haben sie kaum eine Chance, in den Genuss von Fördermitteln zu gelangen. Das dürfte auch den guten Besuch auf der ersten Veranstaltung in Neusäß bei Augsburg und jetzt in München erklären.

Förderung – Volumen und Konditionen

Das von der EU genehmigte Beihilfeprogramm hat ein Volumen von zwei Milliarden Euro. Zunächst 500 Millionen Euro stellt die Staatsregierung bis zum Jahr 2014 zur Verfügung. Insgesamt will der Freistaat eine Milliarde geben. Etwa eine Milliarde Euro müssen die Gemeinden schultern. Oder „durch alternative Finanzierungsinstrumente (z.B. Bürgerfonds) decken“, so die Kurzinformationen zum bayerischen Breitbandzentrum. Zur Finanzierung des gemeindlichen Eigenanteils bietet die LfA Förderbank Bayern auch zinsvergünstigte Darlehen an (www.lfa.de). Der Darlehensantrag kann bei Abgabe des Antrags auf Fördermittel gestellt werden. Gefördert wird der Ausbau von Netzen mit Übertragungsraten von über 50 Mbit/s, mindestens aber 30Mbit/s im downstream und mindestens 2 Mbit/s im upstream in Gewerbe-, beziehungsweise sogenannten Kumulationsgebieten. Die Höchstförderung pro Gemeinde beträgt 500.000 Euro. Das bedeutet eine Eigenbeteiligung der Gemeinde von mindestens 750.000 Euro. Das Programm läuft bis zum Jahr 2017.

Breitbanderschließung eigentlich keine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge

Eigentlich ist die Breitbanderschließung keine Aufgabe der kommunalen Daseinsfürsorge. Nach Artikel 87 f Grundgesetz ist der Bund zuständig. Zwar betont Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einschlägigen Gipfeln immer wieder die Bedeutung von schnellem Internet und setzt hehre Ausbauziele, doch wenn es ums Geld geht, hält sich der Bund vornehm zurück. Also passiert nichts. Will Bayern aber an der Spitze bleiben, so die Logik des bayerischen Wirtschaftsministeriums, muss der Ausbau eben aus Landes- und kommunalen Mitteln gefördert werden.

„Wir können uns fahrlässiges Abwarten nicht leisten“, so Dietrich Schirm vom Wirtschaftsministerium.

Die Beteiligten sind sich im Klaren, dass da mit Steuergeldern die „Wirtschaftslichkeitslücken“ der großen Netzbetreiber wie Telekom ausgeglichen werden, aber, so die Begründung: Nimmt man kein Geld in die Hand, bliebe das schnelle Internet auf die Ballungsräume München, Nürnberg und Augsburg beschränkt. Das flache Land würde leer ausgehen. Als Wirtschaftlichkeitslücke gilt der Saldo aus Betriebskosten inklusive Investitionskosten und den voraussichtlichen Betriebseinnahmen über einen Betrachtungszeitraum von 7 Jahren. Helmut Zech, Bürgermeister von Pfaffenhofen an der Glonn, stellte die rhetorische Frage, was angesichts der hohen Ausgaben an den Steuerzahler zurückfließe.

„Der Bund hat die Netze verkauft und wir müssen das mit dem Geld der Bürger auffangen“, kritisierte Zech.

Die EU verlangt eine Dokumentation jedes einzelnen Förderschritts im Internet. Das hat den Vorteil, dass die Informationen für alle einsehbar sind und sich keiner benachteiligt fühlt. Die Veröffentlichungen erfolgen auf der Internetseite des Breitbandzentrums, auf der auch die einschlägigen Formulare zur Verfügung stehen.

Bayern stellt besonders hohe Herausforderungen an den Ausbau von NGA-Netzen (Netz der nächsten Generation oder „Next Generation Access“): Der Freistaat ist das größte Flächenland Deutschlands, hat 2056 Gemeinden und 40.000 Ortsteile, mit 177 Einwohnern pro Quadratkilometer eine geringe Einwohnerdichte, eine schwierige Topographie, häufig felsigen Boden, viele Streusiedlungen und – viele Mobilfunkgegner (Schirm).

Festlegung des Erschließungsgebiets

Festlegung des Erschließungsgebietes: Es kommen nur Gewerbe und Kumulationsgebiete in Betracht. Die Auswahl ist in erster Linie von den Beürfnissen und der Finanzkraft der Gemeinde abhängig. Die Gemeinden sollten möglichst frühzeitig ihren finanziellen Spielraum klären und dabei den jeweiligen Fördersatz sowie die eigenen Haushaltsmittel klären, empfiehlt das Breitbandzentrum. Hat eine Kommune viel Geld, kann sie theoretisch das gesamte Gemeindegebiet angeben. Oder nur „Pilot“-Ortsteile. Das birgt aber Zündstoff, denn die Auswahl bedeutet automatisch, dass andere Gemeindeteile auf dem langsamen Internet sitzen bleiben. Deshalb liegt es im Interesse des Bayerischen Gemeindetags, möglichst viele Ortsteile einzubeziehen. Andererseits ist bei einer zu geringen Anzahl von Nutzern kein, beziehungsweise ein nicht finanzierbares Angebot von den Telekommunikationsunternehmen zu erwarten.

Gemäß den Förderichtlinien müssen in einem Kumulationsgebiet mindestens 5 Unternehmer tätig sein. Das können Bäcker, Blumenhändler, Landwirte, Ärzte und Rechtsanwälte sein. Die Gemeinde muss sie nach ihrem Bedarf befragen, den diese „glaubhaft“ darzulegen haben. Um einen „cleveren Zuschnitt“ zu erreichen, kann ein Kumulationsgebiet auch gemeinde- oder ortsteilübergreifend eingerichtet werden. Die Experten raten, sich dabei Zeit zu lassen. Eine Gemeinde kann auch mehrere Kumulationsgebiete auswählen. Die Fördergrenze liegt jedoch bei 500.000 Euro. Es ist auch möglich, unlukrative mit lukrativen Gebieten auszugleichen.

Ist das Erschließungsgebiet ausgewählt, muss die Gemeinde prüfen, ob alle Anforderungen der Förderrichtlinie berücksichtigt sind.

Bedarfsanalyse

Es folgt eine Analyse der aktuellen und künftigen Versorgung im Gemeindegebiet. Welche Leitungen sind vorhanden, wo liegt Glasfaser, wo wurden vorsorglich Leerrohre eingebracht. Der Vertreter eines Netzbetreibers empfahl, einen möglichst lückenlosen Masterplan der Leerrohre aufzustellen, die dann sehr wohl von den Privatunternehmen genutzt würden. Sinnvoll sei ferner, beim Ausbau von Straßen Leerrohre einzubringen. Die EU erlaubt, dass Leerrohre verwendet werden dürfen. Wichtig sei, das Vorhandensein von Leerrohren in der Ausschreibung mitzuteilen.

Hat sich die Gemeinde einen Überblick über den Bedarf verschafft, muss sie überlegen, mit welcher Technologie sie wo welche Bandbreiten erzielen kann. Die EU verlangt, dass die Leistung technologie- und anbieterneutral sein muss. Der Netzbetreiber muss das Netz sieben Jahre lang betreiben und wegen der öffentlichen Zuschüsse allen anderen Anbietern den diskriminierungsfreien Zugang gewähren.

Dann gilt es auch noch die Zukunftsfähigkeit der Technologie einzuschätzen, denn der Datenverkehr wird in Zukunft explodieren. Die 50 Megabits gelten als Basis für höhere Bandbreiten.

Breitbandatlas

Neben dem Aufzeigen von Handlungsoptionen will das Breitbandzentrum den Gemeinden ferner mit Leitfäden und Checklisten, einer Hotline sowie einer Informationsplattform auf der oben genannten Internetseite helfen. Der Fortschritt des Ausbaus soll schließlich in einem Breitbandatlas mit allen Geo- und Infrastrukturdaten einsehbar sein. An die Netzbetreiber erging der Appell, ebenfalls Daten in den Atlas einzupflegen. Das Breitbandzentrum beantwortet einer Gemeinde aber nicht die Frage, wie das für sie beste Erschließungsgebiet aussieht und wie groß die Wirtschaftlichkeitslücke im konkreten Fall wäre. Das könne nur ein Netzbetreiber sagen.

Insgesamt stehen 15 Beraterinnen und Berater für Auskünfte bereit, 8 bei den Bezirksregierungen (zwei für Oberbayern). An die 50 Beratungen haben bisher in Oberbayern stattgefunden. Hauptthema waren die Erschließungsgebiete. Wer unternimmt bei der Beratung den ersten Schritt? Das Breitbandzentrum geht auf die Gemeinden zu. Für die Informationsveranstaltungen lägen bereits 1200 Anmeldungen vor.

„Nutzen Sie das Breitbandzentrum“ rät ein Kommunalvertreter, den versammelten Kommunalpolitikern, „ dann sind Sie nicht auf den erstbesten Berater angewiesen.“

„Ja, wir werden es schaffen“, gab sich das Podium am Ende der Veranstaltung optimistisch.

Was nicht gelingen wird: Bis 2017 jeden Haushalt mit 50 Megabit zu versorgen.

„Dafür reichen die Fördermittel nicht.“

Bayerischer Gemeindetag, Aktuelles v. 22.02.2013 (Manfred Hummel)