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Bayerischer Städtetag: Demografischer Wandel in Stadt und Land – Maly: Schrumpfen und Wachsen liegen in Bayern eng beieinander

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„Bayern schrumpft – Bayern wächst. Beide Aussagen scheinen im Widerspruch zu stehen, aber demografischer Wandel lässt sich nicht allein am Schrumpfen ablesen, sondern auch am Wachsen“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister, Dr. Ulrich Maly. Während Deutschland bis 2030 laut Studie der Bertelsmann-Stiftung um 500.000 Einwohner schrumpft, soll Bayern um 440.000 auf 13 Millionen Einwohner wachsen.

Maly: „Schrumpfen und Wachsen sind Auswirkungen des demografischen Wandels. Schrumpfen und Wachsen liegen in Bayern eng beieinander.“

Schrumpfende Regionen liegen oft nahe neben wachsenden Regionen. Die negativen Folgen von Schrumpfung mit verödeten Dörfern oder brach liegenden Stadtvierteln wirken bedrohlich. Einzelne Städte und Gemeinden, vor allem in Oberfranken, der Oberpfalz oder in Niederbayern haben mit rückläufigen Einwohnerzahlen und den Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels zu kämpfen. Ortszentren veröden, Geschäfte machen dicht; verklebte Schaufenster reihen sich aneinander. Häuser stehen leer und zeigen Zeichen des Verfalls. Alte Fabrikanlagen, die einst das industrielle Herz einer Stadt oder ganzen Region waren, werden abgerissen.

Maly: „Die Folgen des Schrumpfens können dramatisch sein. Aber Wachstum allein macht eine Kommune auch nicht zwangsläufig glücklich. Denn Wirtschaftswachstum kann zur Überhitzung, zur Gentrifizierung von Wohnquartieren und zu steigenden Preisen führen. Wachstum an Einwohnern bringt Wohnungsmangel und steigende Immobilienpreise.“

Das Motto des BAYERISCHEN STÄDTETAGS „Gesund schrumpfen – über sich hinaus wachsen“ beschreibt die Auswirkungen des demografischen Wandels.

Maly: „Der demografische Wandel geht einher mit einem sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Dies hat Folgen für das Miteinander in den Kommunen und schlägt zurück auf die kommunale Aufgabenerfüllung. Regionen mit sinkender Einwohnerzahl und Regionen mit steigender Einwohnerzahl darf man nicht getrennt in den Blick nehmen.“

Demografische Entwicklungen lassen sich erst dann begreifen, wenn man die Zusammenhänge, die kleinräumigen Entwicklungen, das enge Nebeneinander von Wachsen und Schrumpfen betrachtet.

Vor über einem Jahrzehnt wurden die Alarmglocken immer lauter: Die Deutschen überaltern, sie werden weniger.

Maly: „Die Erkenntnisse zu den Verschiebungen in der Alterspyramide waren wichtig – aber inzwischen ist der Blick differenzierter, denn: Der Alarmruf ,weniger und älter‘ betrifft nicht alle Regionen. Der demografische Wandel bedeutet nicht nur Schrumpfung und Älterwerden. Bayerische Städte und Gemeinden wachsen über sich hinaus – wir erleben das in der Metropolregion München ebenso wie in der Metropolregion Nürnberg, in größeren Städten ebenso wie in kleineren Orten. Wir erleben Wachstum nicht nur in Städten wie etwa in Augsburg, Regensburg oder Ingolstadt – das umfasst jede Ortsgröße.“

Kommunen meistern neue Herausforderungen, die der demografische, der soziale und der wirtschaftliche Wandel für das Zusammenleben in der Stadt und in der Gemeinde mit sich bringen. Dieser Strukturwandel kommt nicht auf einen Schlag als Umbruch, er kommt schleichend und als kontinuierlicher Prozess.

Maly: „Umgekehrt bedeutet schrumpfen nicht ‚gesund schrumpfen‘. Wenn die Jungen gehen, kann das schlimm für die Stadtgesellschaft sein. Kommunalpolitik und Bürgerschaft versuchen alle Hebel zu bedienen, um solche Prozesse zu stoppen oder umzukehren. Urbane Attraktivität, Sozial- und Bildungsinfrastruktur, gute Standortfaktoren (wie schnelle Datenleitungen) und Arbeitsplätze sind die Schlüsselbegriffe. Es braucht ein ‚Management des Schrumpfens‘. Manchmal bieten solche Prozesse auch neue Chancen für die Stadtentwicklung.“

Bei der Aufgabenerfüllung müssen Kommunen vielerlei Interessen bedienen: Für Mütter und Väter, für Senioren oder für behinderte Menschen müssen Kommunen bei der Stadtentwicklung auf kurze Wege achten und Barrieren beseitigen.

Maly: „Wir müssen Städte attraktiv gestalten als Orte für Arbeit, Wohnen und Erholung. Die Wirtschaft verlangt von Kommunen nicht weniger als beste Rahmenbedingungen, sei es bei der Bildung mit Kindergärten, Kinderbetreuung, Schulen und Volkshochschulen, beim reichhaltigen Kulturleben mit Theatern, Bibliotheken und Museen, bei der Verkehrsinfrastruktur, beim Sport- und Vereinswesens oder bei der Versorgung mit schnellem Internet.“

Egal, ob die Bevölkerungszahl steigt oder sinkt: Für das Bildungssystem sind ausreichende Ressourcen notwendig, um hochwertige Bildungsstrukturen in schrumpfenden Regionen zu erhalten oder – je nach steigendem Bedarf – in wachsenden Regionen auszubauen.

Maly: „Wenn das Staatsziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse so bedroht ist, wie das die Demografiestudie der Bertelsmannstiftung vor zwei Wochen prognostiziert hat, dann ist eine aktive Unterstützung durch den Freistaat in allen Aktionsfeldern unerlässlich.“

[Siehe Diskussionspapier des BAYERISCHEN STÄDTETAGS 2015: „Gesund schrumpfen – über sich hinauswachsen. Demografischer Wandel in Stadt und Land“. Seite 3-9, 12-29]

Bayerischer Städtetag, Pressemitteilung Nr. 1 v. 22.07.2015

Redaktioneller Hinweis: Zum Download des angesprochenen (vormals auch als Tagungspapier bezeichneten) Diskussionspapiers: Tagungspapier (PDF, 65 S., 295 KB).