Aktuelles

Universität Augsburg: Strafrecht und mehr – Zum Tod von Prof. i. R. Dr. Jörg Tenckhoff (1940-2015)

©pixelkorn - stock.adobe.com

Die Universität Augsburg trauert um Prof. i. R. Dr. Jörg Tenckhoff. Von 1978 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2006 war er Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Jugendstrafrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg. Am 8. November 2015 ist der gebürtige Mannheimer im Alter von 75 Jahren in seiner Heimatstadt verstorben.

Jörg Tenckhoff, Jahrgang 1940, studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg und Freiburg. In Heidelberg wurde er 1974 mit einer von Prof. Dr. Karl Lackner betreuten Arbeit zum strafrechtlichen Ehrbegriff promoviert. Mit einer ebenfalls von Karl Lackner betreuten Habilitationsschrift zur Wahrunterstellung im Strafprozess erwarb er sich 1977 die venia legendi. Nach kurzer Lehrtätigkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg folgte er einem Ruf an die damals noch ganz junge Juristische Fakultät der Universität Augsburg. Ihr blieb er bis zum Eintritt in den Ruhestand treu.

Über die Liste seiner Publikationen hinaus zeugt für die Produktivität des Strafrechtslehrers Jörg Tenckhoff die stattliche Anzahl an Dissertationen zum Strafrecht und zum Strafprozessrecht, die er betreut hat. Viele seiner ehemaligen Doktoranden bekleiden heute prominente Funktionen in Justiz und Politik – so etwa Prof. Dr. Frank Arloth als Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz, Dr. Christoph Ebert als Oberstaatsanwalt bei der Staatanwaltschaft Memmingen, Dr. Kurt Gribl als Oberbürgermeister der Stadt Augsburg oder Dr. Herbert Veh als Präsident des Landgerichts Augsburg.

Seine ehemaligen Studentinnen und Studenten, seine Kolleginnen und Kollegen und seine Freunde aus seinen Augsburger Jahren kennen Jörg Tenckhoff als einen vielseitig interessierten, äußerst belesenen und im besten Sinne des Wortes geselligen Menschen, dem es förmlich fremd schien, sein Wirken an der Universität auf die pflichtbewusste Erledigung des ernsten Geschäfts eines Strafrechtsprofessors zu beschränken. „Trocken“ war dieses Geschäft für ihn sowieso nie: Schlagfertigkeit, Witz und Humor sind Begriffe, die wohl allen in den Sinn kommen, die ihn – sei es aus Vorlesungen und Seminaren, sei es aus kollegialen oder privaten Kontexten – in Erinnerung haben und behalten werden.

Zu diesen zählen denkbar viele ehemalige und noch aktive Mitglieder der Universität Augsburg – weit über die Juristische Fakultät hinaus. Als langjähriger Vorsitzender des Augsburger Hochschulkreises der Katholischen Akademie Bayern pflegte Jörg Tenckhoff inneruniversitäre Vernetzung und Interdisziplinarität bereits lange, bevor diese Begriffe als Forderung und Anspruch Gemeingut wurden. Es kam ihm nicht in den Sinn, die Grenzen seiner eigenen Disziplin „ernst zu nehmen“, wo ihn dies daran gehindert hätte, dem nachzugehen, was den breit interessierten Intellektuellen in ihm herausforderte und was gemeinsames Forschen und Lehren mit Kollegen anderer Fächer und Fakultäten nahelegte.

Bleibende Zeugnisse dafür sind nicht zuletzt die zahlreichen Publikationen Tenckhoffs im Grenzbereich von Recht und Literatur, darunter „Die Politur des steinernen Herzens. Historisches zu Arno Schmidts historischem Roman aus dem Jahre 1954“ (1991), „Heinrich Mann und das Recht“ (1995), „Das Prinzip der Verantwortlichkeit in Thomas Manns Doktor Faustus“ (1998), „Leiden am Recht. Franz Kafka, Dichter und Jurist“ (2001) oder „Schuld und Mitverantwortung. Eine strafrechtliche Problematik in Thomas Manns Roman ‚Doktor Faustus’“ (2002) – alles Titel, die anzudeuten vermögen, dass der Strafrechtslehrer Tenckhoff nicht nur ausbilden, sondern bilden wollte.

Und zu diesem Bild passt dann wohl auch, dass Jörg Tenckhoff engagiertes Mitglied der Karl-May-Gesellschaft war. Oder hat dies u. U. – zumindest auch – den Grund, „dass er nie erwachsen geworden ist“? Als seine Frau dies einmal über ihn sagte, sei in seinem Lächeln jedenfalls nicht die geringste Spur von Protest zu erkennen gewesen.

Universität Augsburg, Pressemitteilung v. 30.11.2015