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Landtag: Sozialausschuss beschäftigt sich mit Herausforderungen für Haupt- und Ehrenamt bei der Arbeit mit Flüchtlingen

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Nirgends sei das ehrenamtliche Engagement so groß wie im Asyl- und Flüchtlingsbereich. Mit diesen Worten eröffnete Ausschussvorsitzender Joachim Unterländer (CSU) ein Fachgespräch des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration mit Experten aus der täglichen Praxis. Erfahren wollten die Abgeordneten dabei, wie es um die Zusammenarbeit zwischen hauptberuflichen Asylsozialarbeitern, offiziellen Stellen und ehrenamtlichen Helfern bestellt ist. Denn an vielen Stellen treten Reibungspunkte auf.

Dr. Klaus Schulenburg vom Bayerischen Landkreistag lobte die „überbordende Hilfsbereitschaft“ der Bürger, die es allerdings teilweise zu bremsen gelte, „um die Prozesse professionell zu halten“. Professorin Doris Rosenkranz von der Technischen Hochschule Nürnberg erinnerte die Abgeordneten daran, dass die Willkommenskultur am Münchner Hauptbahnhof es bis auf die Titelseite der New York Times geschafft habe. Zahlreiche private Initiativen, um Asylbewerber in Deutschland zu unterstützen, existierten seit Mitte der 1980er Jahre. Jetzt gründeten sich viele neue Helferkreise, und darunter seien nicht nur lautere. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Behörden. Es gebe auch das Phänomen des sogenannten „Dirty Engagement“, also Menschen, die unter dem Deckmantel des engagierten Bürgers ihre ganz eigenen Zwecke verfolgten. Darunter fallen zum Beispiel politische Rechtsextreme und Menschen, die den Flüchtlingen Geld abluchsen wollen. Man müsse aber auch mit Menschen rechnen, die sexuelle Übergriffe auf Flüchtlinge planen. In jedem Fall sei es wichtig, engagierte Bürger auf das Ehrenamt vorzubereiten und sie für ihre Aufgabe möglichst gut zu qualifizieren.

Norbert Büker vom Helferkreis Asyl in Neubiberg warb dafür, engagierte Laien von staatlicher Seite nicht zu sehr einzuengen:

Als die Schule bei uns keine weiteren Flüchtlingskinder aufnehmen konnte, haben wir schnell eine private Tagesschule organisiert. Wer da mit einzuhaltenden Vorschriften kommt in Notzeiten wie diesen, erstickt das bürgerliche Engagement“, sagte Büker.

Die Hauptamtlichen sollten die Laien nicht kontrollieren, sondern sie begleiten. Professionalität sei wichtig, aber noch wichtiger sei, „die Menschlichkeit zu hüten wie ein kostbares Gut“. Monika Nitsche vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayern entgegnete, die hauptberuflichen Asylsozialarbeiter seien schlicht überlastet. Wer sich alleine um mehr als 150 Flüchtlinge kümmern müsse, könne nicht auch noch die Betreuung von engagierten Bürgern übernehmen. So komme es hier und da zu sehr abweisenden Reaktionen. Nitsche forderte mehr Personal für die Wohlfahrtsverbände. Ein Modell, in dem haupt- und ehrenamtliche Kräfte recht reibungslos miteinander arbeiteten und voneinander profitierten, sei das Hospiz, erklärte Büker. Hiervon lasse sich einiges lernen, auch für die Arbeit mit Flüchtlingen.

Dass ehrenamtliches Engagement Flüchtlingen oft mit den kleinen Dingen des Lebens viel besser helfen könne als die offiziellen Stellen, berichtete Jürgen Soyer, Geschäftsführer von Refugio in München. Ein Flüchtlingskind habe sich von seiner afrikanischen Mutter gewünscht, sie möge doch einmal zuhause die gleichen leckeren Pfannkuchen backen, die es auch im deutschen Kindergarten gebe. Die Mutter sei ganz verzweifelt gewesen, weil es ihr nicht gelang. Schließlich habe es ihr eine deutsche Ehrenamtlerin gezeigt. Und die afrikanische Mutter sei sehr glücklich gewesen, weil sie ihrer Tochter endlich diesen vermeintlich kleinen Wunsch erfüllen konnte.

„Viele Flüchtlinge sind traumatisiert von der Flucht. Das konfrontiert ehrenamtliche Helfer mit Depression, mit seltsamen Verhaltensweisen, auch mit Misstrauen“, erzählte Soyer.

Die meisten Probleme zwischen Flüchtlingen und Ehrenamtlichen träten auf, weil freiwillige Helfer sich oft nicht richtig vorbereiteten und von einem Profi lernten, professionellen Abstand zu halten, um weiterarbeiten zu können, ohne selber zu verzweifeln. Soyer sprach sich dafür aus, freiwilligen Helfern so viel Freiraum wie möglich zu lassen.

Aber die Hauptamtlichen müssen auch eingreifen können.“

Nicht jeder Ehrenamtler habe 30 Jahre Erfahrung wie Norbert Büker. Außerdem sei die Gefahr des Dirty Engagements nicht von der Hand zu weisen. Auch vor Pädophilen gelte es die Flüchtlinge zu schützen.

Wir brauchen auch präventive Strukturen“, so Soyer.

Martin Neumeyer (CSU), Ausschussmitglied und Integrationsbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung, lobte das große Engagement aus der Zivilgesellschaft:

Dies wird Deutschland verändern, und nicht in die falsche Richtung.“

Dass die Hauptamtler sich mehr Personal wünschten, könne er verstehen. Doch seien die Mittel dafür immer weiter aufgestockt worden, und momentan sehe er wenig Spielraum. Bei der Sachausstattung sei allerdings noch Luft. Neumeyer wies darauf hin, dass man sehr viele Wohnungen bauen müsse für die Flüchtlinge.

Wir müssen darauf achten, dass künftig nicht nur Flüchtlinge in solchen Wohnungen leben, sondern dass wir einen guten Mix hinbekommen, damit die Integration funktioniert“, warb Neumeyer.

Flüchtlingen zu helfen sei momentan „schick. Aber es ist unsere Aufgabe, diese Hilfsbereitschaft weiterzuführen in Engagement für die Integration.“ Dafür sprach sich auch Doris Rosenkranz aus:

Wenn es uns gelingt, das derzeitige Engament zu erhalten und zu kanalisieren, haben wir eine Win-Win-Situation.“

Christine Kamm (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, pro Landkreis einen hauptamtlichen Ansprechpartner für Ehrenamtler zu installieren. Klaus Schulenburg wies darauf hin, dass die Landkreise mehr staatliche Zuschüsse benötigten, wenn sie immer mehr staatliche Aufgaben erfüllen müssten:

Asyl, das ist Staatsaufgabe.“

Das bestehende System lasse sich angesichts der hohen Zahl an Flüchtlingen nicht erfolgreich fortführen. Joachim Unterländer versprach sich hingegen mehr davon, die derzeitigen Strukturen beizubehalten und „zu ertüchtigen“. Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER) fragte, ob man mehr Flüchtlinge ins Ehrenamt einbeziehen sollte, um ihnen eine Aufgabe zu geben; zudem würden sie die Nöte der Ankommenden gut kennen. Das sei genau das Problem, entgegnete Jürgen Soyer. Wer als Flüchtling mit den Traumata neu ankommender Flüchtlinge konfrontiert werde, bei dem öffneten sich oft alte Wunden in der Psyche.

Mancher musste dann zurück in die Therapie.“

Doris Rosenkranz sprach sich am Ende dafür aus, für ehrenamtliche Helfer eine „Handreichung“ zu entwickeln, die sie auf die häufigsten Fragen und wichtigsten Herausforderungen vorbereite. Dies unterstützte auch Jürgen Soyer. Viele Helfer wünschten sich nach den ersten Erlebnissen Supervision, weil sie mit den Schicksalen der Flüchtlinge selbst nicht zurechtkämen.

Am besten aber klappt Supervision, wenn man sich auf die Situation vorbereitet, bevor sie entsteht.“

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 03.12.2015 (von Jan Dermietzel)