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Landtag: Umweltausschuss – Hochwasser in Simbach und Maßnahmen gegen weitere Katastrophen

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Eine Mega-Regenzelle ist schuld an der Überschwemmungskatastrohe Anfang Juni in Simbach in Niederbayern. Sie war extrem mit Wasser aufgeladen, so wie man es eigentlich nur von äquatornahen Zellen kennt, und hat sich über Stunden nicht fortbewegt. So kam es zu Regenmengen von 160 mm pro Quadratmeter, so kam es zu Überflutungshöhen von 3 bis 4 m im Bereich der Bundesstraße in Simbach. Das ist bisher die Erkenntnis des Umweltministeriums. Das Umweltministerium arbeitet die Ereignisse derzeit auf, fertig ist man noch lange nicht – das wird Monate oder Jahre dauern. Der Bericht, den Prof. Dr. Martin Grambow heute dem Umweltausschuss im Bayerischen Landtag gibt, kann also allenfalls als Zwischenbericht gelten. Die Megazelle trägt also Schuld an den enormen Niederschlägen, aber gibt es noch weitere Schuldige? Waren alle technischen Vorgaben für Damm- und Brückenbauwerke erfüllt und alle Genehmigungen erteilt? Prof. Grambow kann die Fragen der Ausschussmitglieder alle zu deren Zufriedenheit beantworten. Die Aussprache im Ausschuss konzentriert sich also bald auf Maßnahmen für die Zukunft.

Der Bericht der Staatsregierung über die Katastrophe von Simbach war gleichermaßen ausführlich, fachspezifisch und mit Superlativen gespickt: Prof. Grambow spricht von Megazellen, Extremhochwasser, nie gekannter Größe, Zerstörung, Überlastung und er sagt zugleich:

Unsere Befürchtung ist, dass solche Ereignisse in Zukunft wesentlich häufiger auftreten werden.“

„Handelt es sich denn dabei um ein Klima- oder ein Wetterphänomen?“ fragt Hans Ritt (CSU).

Das sei unter Experten umstritten, sagt Grambow – wobei die Allermeisten der Ansicht seien, man habe es hier mit den Boten des Klimawandels zu tun.

Wenn es den Klimawandel gibt, dann schaut er genauso aus.“

Also Starkregen, Sturzfluten, Überschwemmungen, milliardenschwere Schäden und schlimmstenfalls Tote – darauf werden wir uns einstellen müssen.

Um Katastrohen abzuwenden und Schäden zu minimieren, ist jetzt die Politik gefragt. An einigen Dingen sei man schon dran, einige Aufgaben seien durch Simbach dazu gekommen, für weitere Anregungen sei man offen, sagt Grambow, stellt aber auch klar: Einen absoluten Schutz vor solchen Starkregenereignissen und daraus resultierenden Extremhochwassern gibt es nicht.

Wer einen hundertprozentigen Schutz vor einem Extremhochwasser haben will, der muss aus Bayern wegziehen.“

Das Hochwasserereignis, das die Simbacher Megazelle hervorgerufen hat, war ein etwa tausendjährliches Ereignis – also ein Ereignis, das statistisch gesehen alle Eintausend Jahre einmal auftritt. Darauf sind Hochwasserschutzanlagen aber gar nicht ausgelegt.

Hochwasserschutzanlagen, wie Deiche und Mauern – die es auch in Simbach gab – müssen lediglich auf ein hundertjährliches Ereignis ausgelegt sein. Es sei aber auch nicht das Ziel des Umweltministeriums, das tausendjährliche Ereignis zum Normalfall zu erklären, so Grambow. Die Aufarbeitung des Simbacher Hochwassers ist dennoch wichtig – um Erkenntnisse über Starkregenereignisse zu sammeln und Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. Bisher war beispielsweise eine Vorhersage für Starkregenereignisse nicht möglich. Das Ministerium prüft nun mit dem Deutschen Wetterdienst, ob man solchen Vorhersagen ermöglichen kann. Außerdem in der Überlegung: Eine Warnung der Bevölkerung mit Sirenen bei bevorstehenden Sturzfluten und schnell ansteigenden Pegelständen. Damit aber nicht genug: Grambow spricht auch von einer Fortschreibung der technischen Normen für Hochwasserschutzanlagen, von einer Überprüfung der Bemessungsgrundlagen für ein tausendjährliches Hochwasser, von einer Überprüfung des Kanalnetzes und von einer besseren Berücksichtigung der Brücken und Durchlässe in den Hochwasserrisikokarten. Hochwasserrisikokarten wurden in den letzten Jahren für ganz Bayern erstellt. Hier ist dargestellt, welche Flächen im Falle eines Hochwassers überschwemmt werden und welche Gebäude und Infrastruktur betroffen ist. Brücken und Durchlässe spielen im Zusammenhang mit Hochwassern eine wichtige Rolle, weil hier Äste, Bäume oder sonstige mitgeschwemmte Materialien zu einer Verstopfung und dadurch zu einer Verschlimmerung der Hochwassersituation führen können.

Viele Kommunalpolitiker zeigten sich erstaunt bei Blick auf ihre Risikokarte, nach dem Motto ‚da habe es ja noch nie Hochwasser gegeben‘. Für Grambow auch ein Zeichen, dass das Risikobewusstsein vor Ort nicht groß genug ist. Oftmals werden staatliche Hochwasserschutz-Vorhaben sogar boykottiert oder auf die lange Bank geschoben, mit der Begründung, die Ausmaße des Deiches des Hochwasserrückhaltebeckens seien viel zu groß gewählt und würden zu viele Flächen in Anspruch nehmen, berichtet Prof. Grambow.

Beim Hochwasserschutz teilen sich der Staat und die Kommunen die Zuständigkeiten: Der Staat ist verpflichtet, Hochwasserschutz an allen größeren Gewässern (Gewässern 1. und 2. Ordnung) und an Wildbächen herzustellen – die Kommunen an den kleineren Gewässern 3. Ordnung. Der Simbach ist ein Gewässer 3. Ordnung, allerdings teilweise auch ein ausgebauter Wildbach, die Zuständigkeiten sind also geteilt. Obwohl der Experte Prof. Grambow nochmal betont, dass bei der Katastrophe in Simbach keine menschliche bzw. behördliche Versäumnis beteiligt war, stellen der Ausschussvorsitzende Dr. Christian Magerl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Harry Scheuenstuhl von der SPD die Frage in den Raum, ob nicht auch die Gewässer 3. Ordnung besser in staatlicher Zuständigkeit aufgehoben wären. Was angesichts der 90.000 km Gewässer 3. Ordnung freilich eine Sisyphusaufgabe wäre, wie Magerl selbst zu bedenken gibt. Benno Zierer (FREIE WÄHLER) spricht sich für eine Zuständigkeit der Kommunen aus. Immerhin sei hier die Ortskenntnis vorhanden und wenn die Kommune selbst an einem Hochwasserschutzkonzept mitarbeite, sei auch die Akzeptanz besser. Natürlich müssen die Kommunen eine umfangreiche und professionelle Beratung von staatlicher Seite erhalten.

Das müssten dann wohl die zuständigen Wasserwirtschaftsämter leisten. Also genau die Behörden, in denen seit 2003 über 1000 Stellen abgebaut wurden und in denen in den nächsten Jahren noch weiter 600 Stellen gestrichen werden. Florian Brunn (SPD) nennt diese Zahlen mit der Forderung an die Staatsregierung hier eine Personal-Bedarfsanalyse durchzuführen. Auch der Ausschussvorsitzende Magerl und sein Stellvertreter von der CSU fordern mehr Personal in der Wasserwirtschaft: Man brauche jetzt nicht nur Gelder, sondern auch Manpower sagt Dr. Hünnerkopf und Dr. Magerl fordert, dass Gelder für Personal im nächsten Doppelhaushalt nicht nur in kleinem Stil, sondern deutlich nach oben korrigiert werden müssten.

Gelder, die in Zukunft für besseren Hochwasserschutz ausgegeben werden, interessieren die Leute in Harry Scheuenstuhls ebenfalls betroffenen Stimmbezirk in Mittelfranken nur zweitrangig. Sie brauchen jetzt gleich Unterstützung. Scheuenstuhl fordert daher eine Gleichbehandlung aller Hochwassergeschädigten im Freistaat. Prof. Dr. Martin Grambow versichert: Jeder, der eine existenzielle Not nachweisen kann, erhält staatliche Gelder. Ansonsten wird die finanzielle Hilfe nach der Jährlichkeit des Hochwasserereignisses gestaffelt.

Der Umweltausschuss wird auf Antrag der SPD-Fraktion in absehbarer Zeit wieder einen Bericht der Staatsregierung zum Thema Hochwasser erhalten: Da geht es dann um die Auswirkungen verschiedener Begebenheiten auf Hochwasserereignisse. Maisanbau, Flurbereinigung, Flächenversiegelung und weitere menschengemachte Eingriffe in die Natur werden dann eine Rolle spielen.

Bayerischer Landtag, Aktuelles – Sitzungen – Aus den Ausschüssen v. 16.06.2016 (von Ina Friedl)