Gewerbliche Altkleidersammlungen können nicht schon dann untersagt werden, wenn der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für Alttextilien ein hochwertiges Erfassungssystem bereitstellt. Vielmehr bedarf es der Prüfung, ob trotz der Sammlung des gewerblichen Wettbewerbers die gesetzliche Vermutung, dass in dieser Situation die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gefährdet ist, ausnahmsweise nicht eingreift. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin führt bundesweit gewerbliche Altkleidersammlungen mit Containern durch. Die Stadt Aschaffenburg untersagte ihr eine solche Sammlung und begründete dies mit entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen. Die Sammlung erfasse Abfälle, für die bereits die Stadtwerke eine hochwertige getrennte Erfassung mittels zweier Recyclinghöfe, einer halbjährlichen Haushaltssammlung und einer Containersammlung anböten. Der Verwaltungsgerichtshof hat das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei durch die Sammlung gefährdet. Nach der gesetzlichen Regelung genüge nicht jegliche geringfügige Auswirkung der gewerblichen Sammlung auf das öffentlich-rechtliche Erfassungssystem. Die gebotene Einzelfallprüfung führe zu dem Ergebnis, dass die von den gewerblichen Sammlern im Stadtgebiet angestrebten Sammelmengen sich nicht nur geringfügig auf die Altkleidersammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auswirkten.
Auf die Revision der Klägerin hat Bundesverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist nicht immer schon dann gefährdet und dessen Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt (§ 17 Abs. 3 Satz 1 und 2 KrWG), wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG erfüllt sind. Das Gesetz normiert insoweit eine widerlegliche Vermutung. Dies ergibt sich insbesondere bei Berücksichtigung des Unionsrechts. Denn eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch eine Überlassungspflicht zugunsten des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ist auch zum Schutz von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nur bei Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes zulässig. Ob eine Ausnahmesituation vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem Anteil der Sammelmenge, die dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durch die neue hinzutretende gewerbliche Sammlung unter Berücksichtigung auch anderer angezeigter Sammlungen und bei Einbeziehung gemeinnütziger Sammlungen voraussichtlich entzogen wird. Den bei der Ermittlung der maßgeblichen Sammelmengen anzulegenden Kriterien hat der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Prüfung nicht entsprochen.
BVerwG, Pressemitteilung v. 30.06.2016 zum U. v. 30.06.2016, BVerwG 7 C 4.15
Vorinstanzen:
- VGH München 20 B 14.710 – U. v. 10.02.2015
- VG Würzburg W 4 K 12.1129 – U. v. 25.06.2013