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BVerwG: Landesrechtliche Einschränkungen für Spielhallen in Berlin und Rheinland-Pfalz sind rechtmäßig

Die vom Berliner Landesgesetzgeber eingeführten Beschränkungen für die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen verstoßen nicht gegen Verfassungs- oder Unionsrecht. Das hat heute das BVerwG in Leipzig entschieden. Auch eine in Rheinland-Pfalz für Spielhallen geschaffene Abstandsregelung zu Einrichtungen für Minderjährige ist verfassungskonform.

Seit 2006 sind die Länder nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zum Erlass von Gesetzen im Bereich des „Rechts der Spielhallen“ befugt. Die Betreiberinnen von Spielhallen an vier bestehenden und einem geplanten Standort in Berlin haben – in verschiedenen Fallkonstellationen – gegen Einschränkungen geklagt, die das Land Berlin mit seinem Spielhallengesetz und dem ergänzenden Mindestabstandsumsetzungsgesetz neu eingeführt hat. Diese betreffen insbesondere Mindestabstände zu anderen Spielhallen sowie zu überwiegend von Minderjährigen genutzten Einrichtungen, das Verbot mehrerer Spielhallen an einem Standort, das Auslaufen bestehender Erlaubnisse verbunden mit einem Auswahlverfahren zwischen Bestandsspielhallen, die Verminderung der Höchstzahl von Geldspielautomaten und einen Mindestabstand zwischen ihnen innerhalb der Spielhalle sowie eine verlängerte Sperrzeit und Werbebeschränkungen für Spielhallen, deren Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Unionsrecht von den Klägerinnen bestritten wird. Das rheinland-pfälzische Verfahren betrifft die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Spielhallenerlaubnis wegen einer nahe gelegenen Jugendfreizeiteinrichtung.

Sämtliche Klagen waren in den beiden Vorinstanzen abgewiesen worden. Die Revisionen der Klägerinnen blieben ohne Erfolg. Das BVerwG hat entschieden, dass die Länder auf Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG sämtliche Voraussetzungen für die Erlaubnis von Spielhallen und die Art und Weise ihres Betriebs regeln dürfen. Bezüglich der Spielgeräte ist dem Bund im Rahmen des Kompetenztitels „Recht der Wirtschaft“ die Befugnis zur Regelung der für die Handelbarkeit relevanten produktbezogenen Anforderungen verblieben. Für diese Auslegung spricht die Entstehungsgeschichte. Im Rahmen der Föderalismusreform I wurde das „Recht der Spielhallen“ als ein überwiegend auf regionale Sachverhalte bezogener Bereich identifiziert, der deshalb von den Ländern ohne Beeinträchtigung der Wirtschaftseinheit des Bundesgebiets eigenständig gestaltet werden kann. Der Wortlaut, die Systematik sowie Sinn und Zweck des Kompetenztitels bestätigen diese entstehungsgeschichtliche Auslegung. Sämtliche der in den anhängigen Verfahren angegriffenen Spielhallenregelungen lassen sich danach dem „Recht der Spielhallen“ als ausschließliche Gesetzgebungsmaterie der Länder zuordnen. Die Abstandsgebote zu anderen Spielhallen sind nicht Teil des „Bodenrechts“ nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG, da sie nicht auf einen Ausgleich der verschiedenen Nutzungsinteressen am Grund und Boden ausgerichtet sind. Die Abstandsgebote zu Einrichtungen für Minderjährige unterfallen nicht der „öffentlichen Fürsorge“ i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG, sondern regeln den Schutz von Minderjährigen im Zusammenhang mit den auf die Prävention und Bekämpfung der Spielsucht ausgerichteten landesrechtlichen Regelungen zur Zulassung und zum Betrieb von Spielhallen.

Die angegriffenen Spielhallenregelungen sind mit der Berufsfreiheit der klagenden Spielhallenbetreiber vereinbar. Sie schränken nicht die Berufswahl, sondern nur die Berufsausübung ein, da nach den tatrichterlichen Feststellungen innerhalb des Regelungsbereichs des Spielhallengesetzes im Rahmen des baurechtlich Zulässigen auf andere Standorte ausgewichen werden kann und ein wirtschaftlicher Betrieb einer Spielhalle auch unter den neuen rechtlichen Anforderungen nicht ausgeschlossen ist. Im Übrigen wären selbst die für Berufszugangsregelungen geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe eingehalten. Sämtliche streitgegenständlichen Regelungen dienen dem überragend wichtigen Gemeinwohlziel der Bekämpfung und Prävention von Spielsucht. Das OVG Berlin-Brandenburg hat festgestellt, dass die meisten Spieler mit problematischem oder pathologischem Spielverhalten an gewerblich zugelassenen Automaten spielen und daher ein erhebliches Suchtpotenzial besteht.

Auf der Grundlage der weiteren Feststellungen des OVG Berlin-Brandenburg und des dem Landesgesetzgeber eingeräumten Spielraums bei der Einschätzung der Suchtgefährdung sowie der Eignung und Erforderlichkeit suchtbekämpfender Maßnahmen ist auch von der Verhältnismäßigkeit aller angegriffenen Regelungen auszugehen. Das Gebot eines Mindestabstands zu anderen Spielhallen und das Verbot mehrerer Spielhallen an einem Standort verringern die Spielanreize und damit das Suchtpotenzial durch Reduzierung der Anzahl und Dichte von Spielhallen sowie Spielgeräten. Das insoweit im Mindestabstandsumsetzungsgesetz von Berlin vorgesehene Auswahl- („Sonder“-)verfahren zwischen Bestandsspielhallen begegnet in dem – hier allein zur Prüfung gestellten – Fall eines Verbunds mehrerer Spielhallen eines Betreibers keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es orientiert sich zunächst an den gesetzlich vorgegebenen qualitativen Kriterien, ermittelt grundrechtsschonend die maximale Zahl verbleibender Standorte von Bestandsspielhallen und sieht einen Losentscheid erst zwischen den hiernach auf gleicher Stufe stehenden Bestandsstandorten vor. Der Mindestabstand zu Einrichtungen für Minderjährige schützt die Kinder und Jugendlichen im Interesse der Suchtprävention vor einer Gewöhnung an Spielhallen als Teil ihres täglichen Lebensumfeldes um Bildungs- und Freizeiteinrichtungen. Soweit eine Gefährdung von Minderjährigen wegen der räumlichen Verhältnisse im konkreten Fall nicht besteht, sehen die Landesgesetze von Berlin und Rheinland-Pfalz Ausnahmemöglichkeiten vor. Die verschiedenen Anforderungen an die Aufstellung von Spielautomaten in den Spielhallen und deren Betrieb dienen ebenfalls der Rückführung von Spielanreizen zur Bekämpfung der Spielsucht.

Die Eignung der angegriffenen Regelungen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass auch in Gaststätten Spielautomaten aufgestellt werden dürfen (in Berlin bis zu drei, ab November 2019 zwei). Gegen entsprechende Ausweichbewegungen der Spieler spricht das unterschiedliche Gepräge von Spielhallen und Gaststätten, da bei Letzteren die Verabreichung von Speisen und Getränken im Vordergrund steht und regelmäßig eine Sozialkontrolle durch Nichtspieler stattfindet. Das OVG Berlin-Brandenburg hat zu Recht angenommen, dass die Eignung auch nicht deshalb entfällt, weil illegale Formen des Spiels an Spielautomaten in der Scheingastronomie selbst dann nicht vollständig unterbunden werden können, wenn – wie hier – kein im Spielhallenrecht angelegtes Vollzugsdefizit vorliegt. Die Zumutbarkeit der Regelungen kann nicht mit dem Einwand verneint werden, dass es an einem konsequenten Vorgehen des Gesetzgebers gegen die durch das Spielen an Spielautomaten hervorgerufene Spielsucht in Gaststätten und Spielbanken fehle. Das verfassungsrechtliche Konsistenzgebot wurde für das staatliche Wettmonopol entwickelt und ist nicht ohne weiteres auf nicht monopolisierte Bereiche wie das Spielhallenrecht übertragbar. Unabhängig davon unterscheiden sich die verschiedenen Regelungsbereiche nach den Feststellungen des OVG Berlin-Brandenburg deutlich. Von Spielautomaten in Gaststätten geht wegen des unterschiedlichen Gepräges kein vergleichbar intensiver Spielanreiz aus wie von Spielhallen. Spielbanken sind im täglichen Lebensumfeld nicht annähernd gleich zugänglich wie Spielhallen; außerdem unterliegen die Spieler dort intensiveren Zugangs- und Verhaltenskontrollen. Angesichts dieser Unterschiede sind die Einschränkungen für Spielhallen auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.

Soweit die Klägerinnen sich auf die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums berufen können, wird dieses durch die angegriffenen Regelungen als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen ausgestaltet. Die Alterlaubnisse, die nach § 33i GewO erteilt wurden und in Berlin spätestens sechs Monate nach Bekanntgabe der Auswahlentscheidungen im sog. Sonderverfahren erlöschen, genießen als solche keinen eigentumsrechtlichen Schutz. Einzelfällen unzumutbarer Grundrechtsbeeinträchtigungen tragen Härtefallregelungen Rechnung. Solche Beeinträchtigungen wurden hier nicht festgestellt.

Die Anwendbarkeit der angegriffenen Spielhallenregelungen wird auch nicht durch Unionsrecht ausgeschlossen. Das Spielhallengesetz Berlin war nicht nach Art. 8 der Richtlinie 98/34/EG an die EU-Kommission zu notifizieren, da es keine „technische Vorschrift“ im Sinne der Richtlinie enthält. Es schließt die Verwendung von Spielgeräten in Spielhallen nicht aus und verringert damit nicht ihre „Nutzungskanäle“. Das unionsrechtliche Kohärenzgebot steht der Anwendbarkeit der streitgegenständlichen Regelungen nicht entgegen, weil nach den tatrichterlichen Feststellungen keine der Klägerinnen selbst in ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit verletzt ist. Im Übrigen steht das Kohärenzgebot, selbst wenn es im Glücksspielrecht außerhalb des Monopolbereiches zu beachten wäre, lediglich „scheinheiligen“ Regelungen mit einem tatsächlich nicht auf Suchtbekämpfung gerichtetem Ziel sowie solchen Regelungen entgegen, die wegen einer gegenläufigen Glücksspielpolitik in Bereichen mit gleichem oder höherem Suchtpotenzial keine Wirksamkeit entfalten können. Das ist hier nicht zu erkennen.

BVerwG, Pressemitteilung v. 16.12.2016 zu den Urt. v. 16.12.2016 – BVerwG 8 C 6.15; BVerwG 8 C 7.15; BVerwG 8 C 8.15; BVerwG 8 C 4.16; BVerwG 8 C 5.16; BVerwG 8 C 8.16