Wird ein Radweg ohne die erforderliche Genehmigung in einem FFH-Gebiet gebaut, kann eine Umweltvereinigung unter Umständen ein Nutzungsverbot erzwingen. So entschied heute das BVerwG in Leipzig.
Der Kläger, eine in Sachsen anerkannte Umweltvereinigung, verlangt von dem beklagten Vogtlandkreis, zum Schutz eines FFH-Gebietes die Nutzung eines Radweges zu unterbinden. Der teilweise noch im Ausbau befindliche Elster-Radweg führt von der Elsterquelle in Tschechien bis zur Leipziger Tieflandsbucht. Der hier streitgegenständliche Unterabschnitt bei Adorf, der auf einem schon früher vorhandenen Weg liegt, verläuft durch das FFH-Gebiet „Elstertal oberhalb Plauen“. Zu dessen Schutzzielen gehört u.a. die Erhaltung überwiegend naturnaher Fließgewässerabschnitte sowie die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands verschiedener Tier- und Pflanzenarten. Der Bau des umstrittenen Unterabschnitts wurde 2013 ohne das vorgeschriebene Planfeststellungsverfahren begonnen und während des Klageverfahrens beendet. Die Landesdirektion Sachsen leitete auf Antrag des Beklagten nachträglich ein Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung ein, das noch nicht abgeschlossen ist.
AnzeigeDas VG Chemnitz hat auf das entsprechende Anerkenntnis des beklagten Landkreises festgestellt, dass der Bau rechtswidrig war. Auf Antrag der klagenden Umweltvereinigung verurteilte es den Beklagten darüber hinaus, die Nutzung des Radweges in dem fraglichen Unterabschnitt bis zum Abschluss eines Planfeststellungsverfahrens zu unterbinden. In diesem allein noch strittigen Punkt bestätigte das SächsOVG die Vorinstanz. Auf die Revision des Beklagten verwies das BVerwG den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das OVG zurück.
AnzeigeEine Umweltvereinigung kann nicht nur die Feststellung verlangen, dass der Bau eines Verkehrsweges rechtswidrig ist, sondern auch eine Entscheidung darüber, ob seine Nutzung bis zu einer etwaigen nachträglichen Zulassung unterbunden oder eingeschränkt wird. Diese Entscheidung steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Bei einem schwerwiegenden Verstoß kann sich das Ermessen zu einer Rechtspflicht verdichten. Hier besteht allerdings die Besonderheit, dass ein bereits vorhandener Verkehrsweg überbaut worden ist. Unter diesen Umständen muss geprüft werden, ob es über den abgeschlossenen baulichen Eingriff hinaus zu einer nutzungsbedingten Verschlechterung des Naturraums kommen kann. Bejahendenfalls ist die Nutzungsuntersagung bis zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens in der Regel unausweichlich. Ist dagegen eine nutzungsbedingte Verschlechterung nicht zu befürchten, bedarf es einer Abwägung, in die neben der Schwere und Dauer des Verstoßes insbesondere auch die Belange der Nutzer des in dem FFH-Gebiet schon bisher vorhandenen Verkehrsweges einzustellen sind. Die hierfür notwendigen Feststellungen muss das Oberverwaltungsgericht noch treffen.
BVerwG, Pressemitteilung v. 01.06.2017 zum Urt. v. 01.06.2017 – BVerwG 9 C 2.16