Gesetzgebung

Staatsregierung: Gesetzentwurf für ein Bayerisches Infektionsschutzgesetz (BayIfSG) eingebracht

Die Staatsregierung hat o.g. Gesetzentwurf eingebracht (LT-Drs. 18/6945 v. 17.03.2020). Dieser sieht in Ergänzung des IfSG des Bundes den Erlass eines Bayerischen Infektionsschutzgesetzes (BayIfSG) vor, daneben eine Folgeänderung des BayVwVfG. Geknüpft an die Ausrufung eines „Gesundheitsnotstandes“ schafft das BayIfSG weitgehende Eingriffsbefugnisse zur Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems.

Begründung des Gesetzentwurfs

A) Problem

Das Infektionsschutzgesetz des Bundes (IfSG) enthält, insbesondere in den §§ 16 ff, 28 ff. IfSG, ausreichende Befugnisse, um die Ausbreitung eines Krankheitskeimes zu verhindern. Der aktuelle Ausbruch des Coronavirus SARS-CoV-2 zeigt aber, dass im seuchenrechtlichen Notfall die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems oberste Priorität gewinnen kann. Dazu trägt die Minderung der infektionsschutzrechtlich relevanten Krankheitszahlen bei, die über das IfSG abgedeckt ist. Auf der anderen Seite aber bedarf es dazu auch der Möglichkeit, die Handlungsfähigkeit des Gesundheitssystems kurzfristig erhöhen zu können, und zwar erstens in personeller Hinsicht als Kompensation bei Ausfall oder Überlastung von medizinischem oder pflegerischem Personal und zweitens in materialtechnischer Hinsicht mit Blick auf Engpässe bei Produktion, Herstellung oder Verteilung medizinisch benötigter Materialien. Für staatliche Anordnungen in Bezug auf die letztgenannten Aspekte fehlt es bisher an einer eindeutigen Befugnisgrundlage im Bundesrecht. Diese soll daher kurzfristig landesrechtlich geschaffen werden und auf diese Weise eine passende Ergänzung zum IfSG des Bundes bilden.

B) Lösung

Erlass eines Bayerischen Landesinfektionsschutzgesetzes (BayIfSG). Die Gesetzeskompetenz des Landes beruht auf Art. 74 Nr. 19 Grundgesetz (GG). Das bundesrechtliche Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat von dieser Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebraucht gemacht (vgl. BT-Drs. 14/2530).

Gesetzentwurf Bayerisches Infektionsschutzgesetz (BayIfSG)

Art. 1 Gesundheitsnotstand

(1) 1Der Ministerpräsident oder der für Gesundheitsfragen zuständige Staatsminister können den Gesundheitsnotstand ausrufen, wenn eine übertragbare Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes in der bayerischen Bevölkerung so zahlreich oder in so schwerer Ausprägung auftritt oder aufzutreten droht, dass die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen ernsthaft gefährdet erscheint. 2Der Gesundheitsnotstand kann je nach Gefährdungslage zeitlich oder örtlich beschränkt ausgerufen werden. 3Die Ausrufung des Katastrophenfalles nach dem Bayerischen Katastrophenschutzgesetz bleibt unberührt.

(2) 1Die Befugnisse dieses Gesetzes finden nur Anwendung, sobald der Gesundheitsnotstand ausgerufen ist. 2Sie können auch dann im gesamten Landesgebiet genutzt werden, wenn der Gesundheitsnotstand räumlich nur auf einen Teil des Landesgebiets beschränkt ist, soweit das dadurch verfügbar gemachte Material oder Personal der Entlastung im Gebiet des Gesundheitsnotstands dient.

Teil 1 Sicherung der Materialversorgung

Art. 2 Verfügbares Material

(1) 1Die zuständige Behörde kann bei jedermann medizinisches, pflegerisches oder sanitäres Material beschlagnahmen, soweit dies zur Aufrechterhaltung der notwendigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich ist. 2Für die nach Satz 1 beschlagnahmten Gegenstände besteht ein absolutes Verfügungsverbot im Sinne des § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 3Die Beschlagnahmung lässt das zivilrechtliche Eigentum unberührt.

(2) 1Die zuständige Behörde kann gegenüber jedermann für inhaltlich klar bestimmte Materialien oder Materialgruppen ein Verbot erlassen, diese Materialien zu verkaufen oder sich anderweitig zu ihrer schuldrechtlichen Überlassung zu verpflichten, soweit dies zur Aufrechterhaltung der notwendigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich ist. 2Abs. 1 Satz 2 gilt für die von einem Verbot erfassten schuldrechtlichen Verträge entsprechend.

(3) 1Die zuständige Behörde kann gegenüber jedermann anordnen, dass Material, das nach Abs. 1 beschlagnahmt wurde oder nach Abs. 2 mit einem Verpflichtungsverbot belegt ist, zu einem behördlich nach Satz 2 festzulegenden Preis an den Staat, eine Kommune oder eine andere von der zuständigen Behörde benannte juristische oder private Person, die in die medizinische oder pflegerische Versorgung eingebunden ist, kaufvertraglich abzugeben ist. 2Der nach Satz 1 festzusetzende Preis hat sich nach dem üblichen Verkaufspreis des jeweiligen Gegenstandes zu richten, den dieser unmittelbar vor Eintritt der den Gesundheitsnotstand begründenden Infektionslage hatte.

(4) Anordnungen nach den Abs. 1 bis 3 verlieren kraft Gesetzes ihre Gültigkeit, sobald der Gesundheitsnotstand aufgehoben wurde.

Art. 3 Herstellung von Material

1Die zuständige Behörde kann gegenüber Betrieben, die zur Herstellung benötigten medizinischen, pflegerischen oder sanitären Materials in der Lage sind, die vorrangige und umgehende Produktion einer bestimmten Menge dieses Materials anordnen, soweit dies zur Aufrechterhaltung der notwendigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich ist. 2Art. 2 Abs. 3 gilt gegenüber diesen Betrieben hinsichtlich des aufgrund einer Anordnung nach Satz 1 hergestellten Materials entsprechend. 3Der Staat garantiert die vollständige Abnahme des aufgrund einer Anordnung nach Satz 1 hergestellten Materials. 4Art. 2 Abs. 4 gilt entsprechend.

Art. 4 Meldepflichten

Hat die zuständige Behörde öffentlich bekannt gemacht, dass zur Aufrechterhaltung der notwendigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung inhaltlich eindeutig bestimmte Mengen eines Materials oder einer Materialgruppe benötigt werden, hat jedermann, der

  1. einen Bestand derartiger Materialien besitzt, der über den Eigenverbrauch oder den Bedarf für den eigenen medizinischen oder pflegerischen Versorgungsauftrag hinausgeht, oder
  2. zu deren gesamten oder teilweisen Herstellung im Sinne des Art. 3 in der Lage ist

unverzüglich gegenüber der zuständigen Behörde Meldung abzugeben.

Teil 2 Sicherung der Personalkapazität

Art. 5 Inanspruchnahme von Organisationen

(1) 1Die zuständige Behörde kann die Feuerwehren und die freiwilligen Hilfsorganisationen im Sinne des Art. 2 Abs. 13 des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) verpflichten

  1. ihr Namen, Alter, Kontaktdaten sowie den jeweiligen Ausbildungsstand ihrer Mitglieder zu übermitteln, die über medizinische oder pflegerische Kenntnisse verfügen, die nach Maßgabe der zuständigen Behörde zur Bewältigung des Gesundheitsnotstands benötigt werden, und
  2. nach Maßgabe der zuständigen Behörde die erforderliche Hilfe bei der Bewältigung des Gesundheitsnotstands zu leisten.

2Art. 7 Abs. 1 und 2 des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes gelten entsprechend.

(2) Die zuständige Behörde kann die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns verpflichten, ihr kostenfrei Namen, Alter, ärztliche Fachrichtung und Kontaktdaten ihrer aktiven oder bereits im Ruhestand befindlichen Mitglieder zu übermitteln, die nach Maßgabe der zuständigen Behörde geeignet sind, einen für die Bewältigung des Gesundheitsnotstands zusätzlich erforderlichen ärztlichen Personalbedarf zu decken.

Art. 6 Inanspruchnahme Dritter

(1) 1Die zuständige Behörde kann von jeder geeigneten Person die Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen verlangen, soweit das zur Bewältigung des Gesundheitsnotstands erforderlich ist. 2Sie kann jede geeignete Person unter gleichen Voraussetzungen auch zur Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen an Einrichtungen der medizinischen oder pflegerischen Versorgung zuweisen und verpflichten.

(2) Art. 33a Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 BayRDG sowie Art. 9 Abs. 1 Satz 3 und 4, Art. 10 Satz 1 des Bayerischen Feuerwehrgesetzes gelten mit der Maßgabe entsprechend, dass die Erstattungsansprüche im Falle einer Inanspruchnahme

  1. nach Abs. 1 Satz 1 von der zuständigen Behörde,
  2. nach Abs. 1 Satz 2 von derjenigen Einrichtung zu tragen ist, der die Person zugewiesen wurde.

Teil 3 Schlussvorschriften

Art. 7 Entschädigung

Soweit eine Maßnahme nach diesem Gesetz enteignende Wirkung hat, kann der hiervon Betroffene eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Art. 8 Sofortige Vollziehbarkeit

Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen und Anordnungen nach diesem Gesetz haben keine aufschiebende Wirkung.

Art. 9 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

  1. über ein nach Art. 2 Abs. 1 beschlagnahmtes Material anders als nach Art. 2 Abs. 3 verfügt oder zu verfügen versucht,
  2. sich hinsichtlich eines nach Art. 2 Abs. 2 mit einem Verpflichtungsverbot belegten Materials anders als nach Art. 2 Abs. 3 verpflichtet oder zu verpflichten versucht,
  3. einer nach Art. 2 Abs. 3 Satz 1 ergangenen Anordnung nicht umgehend nachkommt,
  4. eine nach Art. 4 gebotene Meldung nicht, nicht richtig, nicht umgehend oder nicht vollständig abgibt.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500 000 € geahndet werden.

Art. 9a Änderung weiterer Rechtsvorschriften

(1) In Art. 41 Abs. 4 Satz 4 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2010-1-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 24. Juli 2018 (GVBl. S. 604) geändert worden ist, werden die Wörter „Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag“ durch die Wörter „Zeitpunkt“ ersetzt.

(2) […]

Art. 10 Inkrafttreten

[…]

Weitere Informationen

  • Gesetzentwurf (Vorgangsmappe des Landtags): hier.
  • Verfahrensstand/Beratungsverlauf: hier.
  • Verbundene Meldungen (zum Gesetzgebungsverfahren): hier.

(koh)