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BVerfG: Einstweilige Anordnung betreffend die Begrenzung der Öffnung der Ladengeschäfte, Einkaufszentren und Kaufhäuser des Einzelhandels auf eine Verkaufsfläche von höchstens 800 qm nach der 2. BayIfSMV abgelehnt

Mit heute bekannt gewordenem Beschl. v. 29.04.2020 (1 BvQ 47/20) hat das BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2. BayIfSMV in Gestalt der Verordnung zur Änderung der Zweiten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 21.04.2020 vorläufig außer Vollzug zu setzen, hilfsweise § 2 Abs. 5 Nr. 1 der 2. BayIfSMV dahingehend auszulegen, dass die Verkaufsfläche auch künstlich (durch Absperrung) auf 800 qm begrenzt werden kann, abgelehnt.

Ursprünglich hatte § 2 der 2. BayIfSMV hiernach folgenden Wortlaut:

§ 2 Betriebsuntersagungen

(1)-(3) […]

(4) 1Untersagt ist die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art. 2Hiervon ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Reinigungen und der Online-Handel. 3Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere, für die Versorgung der Bevölkerung notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. 4Ausgenommen sind auch Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel. 5Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur erlaubt, soweit die vorstehend genannten Ausnahmen betroffen sind.

(5) Abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 ist die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels auch zulässig, wenn

  1. deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m2 nicht überschreiten und
  2. der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m2 Verkaufsfläche.

(6)-(7) […]

Mit Beschluss vom 27.04.2020 hatte der BayVGH jedoch festgestellt, dass § 2 Abs. 4 und 5 der 2. BayIfSMV in Gestalt der Verordnung zur Änderung der 2. BaylfSMV vom 21. April 2020 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, allerdings von einer vorläufigen Außervollzugsetzung der Regelungen abgesehen.

Daraufhin erließ das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege die Rechtsverordnung zur Änderung der 2. BaylfSMV vom 28. April 2020, die am 29. April 2020 in Kraft trat, und änderte § 2 Abs. 5 dahingehend ab, dass abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels auch zulässig ist, wenn in ihnen höchstens eine Verkaufsfläche von 800 qm geöffnet wird.

Hiernach hat § 2 der 2. BayIfSMV folgenden Wortlaut: (Änderungen gefettet bzw. durchgestrichen):

§ 2 Betriebsuntersagungen

(1)-(3) […]

(4) 1Untersagt ist die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art. 2Hiervon ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Geldautomaten, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Verkauf von Presseartikeln, Filialen des Brief- und Versandhandels, Post, Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Baumschulen, Tierbedarf, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Reinigungen und der Online-Handel. 3Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere, für die Versorgung der Bevölkerung notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. 4Ausgenommen sind auch Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel. 4Ausgenommen ist auch der Kfz-Handel. 5Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur erlaubt, soweit die vorstehend genannten Ausnahmen betroffen sind.

(5) Abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 ist die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels auch zulässig, wenn

1. deren Verkaufsräume eine Fläche von 800 m2 nicht überschreiten und

2. der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m2 Verkaufsfläche.

(5) Abweichend von Abs. 4 Satz 1 und 5 ist die Öffnung von sonstigen Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels auch zulässig, wenn in ihnen höchstens eine Verkaufsfläche von 800 m² geöffnet wird.

(6) 1Für die nach vorstehenden Regelungen geöffneten Geschäfte gilt:

  1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann und die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 20 m² Verkaufsfläche,
  2. das Personal hat eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen,
  3. die Kunden und ihre Begleitpersonen ab dem siebten Lebensjahr haben eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen,
  4. der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept (z.B. Einlass, Mund-Nasen-Bedeckung) und, falls Kundenparkplätze zur Verfügung gestellt werden, ein Parkplatzkonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.

2Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können im Einzelfall ergänzende Anordnungen erlassen, soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist.

(7) […]

Das BVerfG konzedierte ein Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nur hinsichtlich der derzeit gültigen Regelung des „§ 2 Abs. 5 Nr. 1“ der 2. BayIfSMV in Gestalt der Änderung der 2. BaylfSMV vom 28. April 2020, soweit diese die Öffnung des Modehauses der Antragstellerin nur mit einer auf höchstens 800 qm begrenzten Verkaufsfläche gestattet.

Den Grundsatz der Subsidiarität sah es als gewahrt an: Zwar habe die Antragstellerin vorliegend nicht in eigener Sache um fachgerichtlichen Eilrechtsschutz ersucht. Dies sei ihr gegenwärtig jedoch unzumutbar, nachdem der BayVGH entschieden habe, dass die Regelungen in § 2 Abs. 4 und 5 der 2. BayIfSMV in Gestalt der Änderung der 2. BaylfSMV vom 21. April 2020 nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt werden. Danach erscheine die erneute Anrufung der Fachgerichte auch hinsichtlich der gerade im Hinblick auf die Entscheidung des BayVGH geänderten Regelung gegenwärtig offensichtlich aussichtslos.

Die Folgenabwägung ging zu Lasten der Antragstellerin aus:

„Gegenüber den somit bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG auch verpflichtet ist […] müssen die mit der angegriffenen Regelung verbundenen Beschränkungen der Berufsfreiheit und die wirtschaftlichen Interessen der Inhaber von Ladengeschäften, Einkaufszentren und Kaufhäusern des Einzelhandels derzeit zurücktreten.“

Jedoch:

„Die Regelung des § 2 Abs. 4 und 5 der 2. BayIfSMV ist sodann unter Berücksichtigung der neuen Entwicklungen der Corona-Pandemie sowie der Ausführungen in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 27. April 2020 vor einer etwaigen Fortschreibung erneut zu prüfen.“

Als Leitsatz hatte der BayVGH u.a. formuliert: „Je länger die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fortbestehen, desto mehr spricht dafür, dass sie der Ermächtigung durch ein besonderes förmliches Bundesgesetz bedürfen.“

Inzwischen wurde die 3. BayIfSMV bekannt gemacht (BayMBl. Nr. 239 v. 01.05.2020), die am 04.05.2020 in Kraft tritt und am 10.05.2020 außer Kraft treten soll.

(koh)