Rechtsprechung Bayern

Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan erfolgreich

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Amtlicher Leitsatz: Die Gemeinde kann eine gebietsübergreifende Gliederung in der Beziehung zwischen einem festgesetzten Gewerbegebiet und einem festgesetzten Industriegebiet nicht auf § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO stützen.

BayVGH, Urteil vom 15.06.2021, 15 N 20.385 (rechtskräftig)

Zum Sachverhalt: Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung „Gewerbe- und Mischgebiet S I“ der Antragsgegnerin, der nach einem ersten Satzungsbeschluss am 21. März 2019 zunächst am 22. März 2019 und sodann im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens und im Anschluss an einen weiteren Satzungsbeschluss vom 23. Juli 2020 erneut am 13. August 2020 bekannt gemacht wurde.

Der Bebauungsplan in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 2020 setzt im südwestlichen Gemeindebereich entlang einer vorgesehenen, von der R-Straße nach Süden abzweigenden Erschließungsstraße auf derzeit fünf bestehenden Grundstücksflurnummern ein Mischgebiet fest. Auf der westlichen Seite („MI 1“) ist die Zulässigkeit von Tankstellen und Vergnügungsstätten und der in § 6 Abs. 3 BauNVO geregelten Nutzungen ausgeschlossen; auf der östlichen Seite („MI 2“) sind ausschließlich Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes als zulässig festgesetzt. Südlich sowie südwestlich des Mischgebiets setzt der Bebauungsplan ein etwa 1 ha großes Gewerbegebiet mit einem großen, über Baugrenzen abgesteckten Baufenster fest, das sich nahezu über die gesamte ausgewiesene Gewerbefläche erstreckt.

Nach Maßgabe der Planzeichnung und Nr. 8 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ist das Gewerbegebiet in drei Bereiche „GE 1“, „GE 2“ und „GE 3“ unterteilt, für die jeweils eigene grundsätzliche Emissionskontingente für die Tag- und Nachtzeit gemäß DIN 45691:2006-12 („LEK“) gelten, und zwar für das „GE 1“ 53 dB(A) tags und 38 dB(A) nachts, für das „GE 2“ 54 dB(A) tags und 39 dB(A) nachts und für das „GE 3“ 56 dB(A) tags und 41 dB(A) nachts. Das Gewerbegebiet ist in der Planzeichnung über lilafarbene Einteilungslinien in vierweitere Sektorenbereiche A, B, C und D untergegliedert. Diesbezüglich regelt Nr. 8 der textlichen Festsetzungen gemäß Anhang A.2 der DIN 46591:2006-12 Zusatzkontingente (= Erhöhungen der Emissionskontingente für einzelne Richtungssektoren), und zwar für den Sektor B von 7 dB(A) tags und 7 dB(A) nachts sowie für den Sektor C von 2 dB(A) tags und 2 dB(A) nachts. Für den Bereich „MI 1“ finden sich in Nr. 8 der textlichen Festsetzungen weitere Regelungen zum Schallschutz.

Das östlich der geplanten Erschließungsstraße festgesetzte „MI 2“ setzt sich aus den drei mit Wohnhäusern bebauten Buchgrundstücken Flur-Nummern …, … und … der Gemarkung P zusammen. Das überplante Grundstück Flur-Nr. … steht laut Grundbuch im gemeinsamen Eigentum des Antragstellers und seiner Ehefrau „in Gütergemeinschaft“. Östlich an das Mischgebiet grenzt der Geltungsbereich des am 11. Dezember 2018 als Satzung beschlossenen und am23. Mai 2019 bekannt gemachten Bebauungsplans „S II“, der auf fünf bestehenden Flurnummern ein allgemeines Wohngebiet („WA“) festsetzt. Etwa 220 m nordwestlich des mit dem streitgegenständlichen Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiets situiert ein Plangebiet, das durch den von der Antragsgegnerin im Jahr 2017 erlassenen Bebauungsplan „R“ als Industriegebiet ausgewiesen wurde. Das Verfahren der Bauleitplanung zum streitgegenständlichen Bebauungsplan „S I“ begann mit dem Aufstellungsbeschluss vom 6. Februar 2018, in dessen Anschluss der Antragsteller bereits im frühzeitigen Beteiligungsverfahren gemäß § 3 Abs. 1 BauGB Einwendungen gegen die Planung erheben ließ. Mit Beschluss vom 6. August 2018 billigte der Gemeinderat der Antragsgegnerin eine Entwurfsfassung für das weitere Verfahren.

In der Folgezeit wurden die Beteiligungsverfahren gemäß § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 BauGB aufgrund von Änderungen der Planentwürfe zweimal wiederholt, wobei der Antragsteller jeweils Einwendungen erhob. Nach inhaltlicher Befassung mit den eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen beschloss der Gemeinderat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 21. März 2019 den Bebauungsplan in der damaligen Fassung als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde durch Amtstafelaushang am 22. März 2019 öffentlich bekannt gemacht. Der Bebauungsplan in der Fassung des Satzungsbeschlusses vom 21. März 2019 sah ein Emissionskontingentierungskonzept vor, das noch auf einer Zweiteilung des Gewerbegebiets aufbaute („GE1“ und „GE2“).

Die geplante Erschließungsstraße sollte am südöstlichen Eck des ausgewiesenen Gewebegebiets enden. Während der überwiegende Teil der Flur-Nr. … im Teilbereich „MI 1“ vorgesehen war, sollte das dreieckförmige südliche Ende dieser Flurnummer dem Gewerbegebiet zugeschrieben werden.

Am 27. April 2020 – nach bereits erfolgter Erhebung des Normenkontrollantrags gegen den Bebauungsplan in der Fassung der Bekanntmachung vom22. März 2019 – billigte der Gemeinderat der Antragsgegnerin einen weiteren Entwurf des Bebauungsplans (Fassung 27.04.2020) mit einem inhaltlich abweichenden Konzept hinsichtlich der Emissionskontingentierung (nunmehr auf der Basis einer Dreiteilung des ausgewiesenen Gewerbegebiets in die Bereiche „GE1“, „GE2“ und „GE3“), mit einem etwas anderen Verlauf der Erschließungsstraße (fortgesetzter Verlauf in Richtung Westen, entlang des südlichen Rands des Gewerbegebiets) sowie unter Erweiterung des Teilgebiets „MI 1“ (Einbeziehung auch des südöstlichen Ecks der Flur-Nr. … auf Kosten des Gewerbegebiets).

Laut der vom Gemeinderat übernommenen Beschlussvorlage zum Billigungsbeschluss vom 27. April 2020 sei die Unterrichtung der Öffentlichkeit (§ 3 Abs. 2 BauGB) und der Träger öffentlicher Belange (§ 4 Abs. 2 BauGB) erneut durchzuführen. Gegen den Bebauungsplan sei ein Normenkontrollantrag gestellt worden. Unter anderem sei bemängelt worden, dass DIN-Vorschriften allgemein zugänglich sein müssten. Dieser Fehler könne durch eine erneute Bekanntmachung geheilt werden. Dem ergänzenden Verfahren wurde eine aktualisierte schalltechnische Untersuchung des Dipl.-Ing. (FH) D vom 22. April 2020 zugrunde gelegt. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 16. Juni 2020 hielt der Antragsteller seine Einwendungen aufrecht. Am 23. Juli 2020 wurde der Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung Gewerbe- und Mischgebiet „S I“ erneut als Satzung beschlossen. Der Satzungsbeschluss wurde durch Amtstafelanschlag am13. August 2020 öffentlich bekannt gemacht.

Entnommen aus den Bayerischen Verwaltungsblättern 24/2022, 848.