Rechtsprechung Bayern

Satzungsregelung über den Ausschluss eines Kindes vom „weiteren“ Besuch einer Kindertagesstätte

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Das Verwaltungsgericht Augsburg (VG) entschied im unten vermerkten rechtskräftigen Urteil vom 22.07.2022, dass eine Satzungsregelung über den Ausschluss eines Kindes vom „weiteren“ Besuch einer Kita keine Rechtsgrundlage für den Ausschluss eines Kindes ist, das die Kita bislang noch gar nicht besucht hat.

Mit für sofort vollziehbar erklärten Bescheiden vom 28.12.2021 schloss die Gemeinde (Beklagte) zum einen die 2020 geborene Klägerin und zum anderen ihre beiden 2015 und 2017 geborenen Geschwister gem. § 7 Abs. 1 Buchst. f ihrer Kindertageseinrichtungssatzung (KitaS) vom Besuch der Einrichtung aus. In der 49. Kalenderwoche des Jahres 2021 seien die beiden Geschwister der Klägerin trotz einer aufgrund eines positiven Corona-Tests ihres Vaters bestehenden Quarantäne weiterhin in die Einrichtung geschickt worden.

Eine Nachfrage bei der Mutter, ob eine Quarantäne bestehe, sei verneint worden. Erst nach weiteren Ermittlungen sei festgestellt worden, dass der Einrichtungsträger wissentlich angelogen worden sei. Bei einem nachfolgenden Gespräch im Rathaus habe die Mutter die Kinder, die sich eigentlich in Quarantäne befunden hätten, mitgebracht und erklärt, sie finde es ausreichend, wenn diese regelmäßig getestet würden. Von den Sorgeberechtigten sei bewusst das Risiko in Kauf genommen worden, dass sich andere Besucher der Einrichtung bzw. die Betreuer mit dem Coronavirus anstecken könnten.

Damit sei aufgrund des Verhaltens der Sorgeberechtigten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Die Klage der Eltern gegen den Ausschluss der 2015 und 2017 geborenen Geschwister der Klägerin wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Klage gegen den Ausschluss der Klägerin, welche die Einrichtung vor ihrem Ausschluss noch gar nicht besucht hatte, war dagegen erfolgreich.

Das VG begründet dies wie folgt: „Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.12.2021, mit dem die Klägerin vom Besuch der Kindertageseinrichtung der Beklagten ausgeschlossen wurde, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für diesen Bescheid, mit dem die Aufnahme der Klägerin in die Kindertageseinrichtung der Beklagten widerrufen wurde (vgl. BayVGH, Beschluss vom 5.4.2022 1) – 4 CS 22.504 – juris Rn. 17), fehlt eine Rechtsgrundlage. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG i.V.m. § 7 Abs. 1 Buchst. f KitaS nicht einschlägig.

Nach der genannten Satzungsbestimmung kann ein Kind vom weiteren Besuch der Kindertageseinrichtung ausgeschlossen werden, wenn schwerwiegende Gründe im Verhalten des Kindes oder der Personensorgeberechtigten gegeben sind, die einen Ausschluss erforderlich machen. Durch die ausdrückliche Begrenzung des Ausschlusses auf den weiteren Besuch der Kindertageseinrichtung erfasst die Satzungsbestimmung nicht die Fälle, in denen schwerwiegende Gründe für den Ausschluss schon vor dem erstmaligen Besuch gegeben sind. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, diese ausdrückliche Einschränkung der Befugnisnorm durch den Satzungsgeber ungeschehen zu machen.

Eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 1 Buchst. f KitaS scheidet daher aus. Vielmehr bleibt es dem Gemeinderat der Beklagten vorbehalten, das Wort ,weiteren‘ in § 7 Abs. 1 Buchst. f KitaS zu streichen und damit den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Fallkonstellationen wie die streitgegenständliche auszudehnen. Dies wird allerdings grundsätzlich nur ex nunc möglich sein. Demnach scheidet § 7 Abs. 1 Buchst. f KitaS als Rechtsgrundlage für den Ausschluss der Klägerin aus. Anders als ihre beiden älteren Geschwister hat diese die Kindertageseinrichtung der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausschlusses am 28.12.2021 noch nicht besucht.

Entsprechendes gilt für Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 5 KitaS. § 5 KitaS, der die Aufnahme der angemeldeten Kinder regelt, nimmt nicht auf § 7 KitaS und die dort geregelten Ausschlussgründe Bezug, sodass der gesetzliche Zulassungsanspruch nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GO insoweit uneingeschränkt bleibt. Auch hier bleibt es dem Gemeinderat der Beklagten vorbehalten zu entscheiden, ob dies in Zukunft anders geregelt sein soll.“

Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 22.7.2022 – Au 3 K 22.85

Entnommen aus der Fundstelle Bayern, 1/2023, Rn.