Rechtsprechung Bayern

Klagen auf Entfernung der in staatlichen Dienststellen angebrachten Kreuze

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Art. 3, 4, 140 GG; Art. 136, 137 WRV (Klagen auf Entfernung der in staatlichen Dienststellen angebrachten Kreuze und auf Abgabe einer gleichlautenden Empfehlung an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts in Bayern; Kreuz als christliches Symbol; Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität; Eingriff in das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit von Weltanschauungsgemeinschaften [verneint])  

Amtliche Leitsätze:

1. Das Kreuz ist ein Symbol christlicher Religion und kann nicht isoliert nur als Symbol der geschichtlichen und kulturellen Prägung verstanden werden.

2. Die Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität als objektiv-rechtliches Verfassungsprinzip begründet als solches keine einklagbaren subjektiven Rechte von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Diese können einen Abwehranspruch nur dann geltend machen, wenn eines der Grundrechte verletzt wird, aus denen die staatliche Neutralitätspflicht hergeleitet wird (Art. 4 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG).

3. Ein Verstoß gegen das Gebot staatlicher Neutralität, der sich in einer bloß passiven Verwendung eines religiösen Symbols ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung erschöpft und mit keinen weiteren Nachteilen für andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften verbunden ist, verletzt weder deren Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit noch auf Gleichbehandlung.

BayVGH, Urteil vom 01.06.2022, 5 B 22.674 (nicht rechtskräftig)

Zum Sachverhalt:

Die Kläger sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfasste Weltanschauungsgemeinschaften. Sie wenden sich gegen die Umsetzung des sogenannten „Kreuzerlasses“ der Bayerischen Staatsregierung vom 1. Juni 2018 durch das Anbringen von Kreuzen im Eingangsbereich staatlicher Dienstgebäude.

Der Ministerrat beschloss am 24. April 2018, eine neue Regelung in § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern (AGO) vom 12. Dezember 2000 (GVBl. S. 873) mit folgendem Wortlaut einzufügen: „Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen“.

Die Änderung wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht und trat zum 1. Juni 2018 in Kraft (GVBl. S. 281). Daneben bestimmt § 36 AGO: „Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, nach dieser Geschäftsordnung zu verfahren“. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 beantragten unter anderem die Kläger bei der Bayerischen Staatskanzlei die Entfernung der im Eingangsbereich der Dienstgebäude angebrachten Kreuze. Ferner beantragten sie, den Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu empfehlen, ebenso zu verfahren; dem Begehren gab die Bayerische Staatskanzlei nicht statt.

In den sodann erhobenen Klagen der hiesigen Kläger als Weltanschauungsgemeinschaften und von 25 Privatpersonen vor dem Verwaltungsgericht München wurde beantragt, den Beklagten zu verpflichten, § 28 der Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern (AGO) vom 12. Dezember 2000 aufzuheben und den Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu empfehlen, die in Befolgung von § 36 AGO angebrachten Kreuze zu entfernen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die in seinen Dienststellen im Sinn von § 28 AGO im Eingangsbereich des Dienstgebäudes angebrachten Kreuze zu entfernen.

Das Verwaltungsgericht trennte mit Beschluss vom 27. Mai 2020 den Klageantrag auf Verpflichtung, § 28 AGO aufzuheben, ab und verwies die Klagen insoweit als Normenkontrollantrage gemäß § 47 VwGO an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (5 N 20.1331). Die Kläger beantragten in dem beim Verwaltungsgericht verbliebenen Verfahren (M 30 K 20.2325), den Beklagten zu verpflichten, die in seinen Dienststellen im Sinn von § 28 AGO im Eingangsbereich des Dienstgebäudes angebrachten Kreuze zu entfernen und den Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu empfehlen, die in Befolgung von § 36 AGO angebrachten Kreuze zu entfernen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klagen der Kläger und der 25 Privatpersonen mit Urteil vom 17. September 2020 ab. Gegen das Urteil beantragten alle 27 ursprünglichen Kläger die Zulassung der Berufung (5 ZB 20.2243). Mit Beschluss vom 11. Marz 2022 trennte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren der hiesigen Kläger ab und lies die Berufung insoweit zu.

 

Den kompletten Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern, 01/2023, S. 12.