Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat sich im unten vermerkten Urteil vom 17.11.2022 mit einem durch Leistungsbescheid geltend gemachten Erstattungsanspruch für Kosten im Zuge der Veränderung eines bestehenden Grundstücksanschlusses auseinandergesetzt. Das Gericht hat herausgearbeitet, dass Art. 9 Abs. 1 KAG eine Erstattung für den Teil des Grundstücksanschlusses, der sich im öffentlichen Straßengrund befindet, ausdrücklich nicht vorsieht und eine Sondervereinbarung, die auch die Übernahme dieser Kosten regelt, nicht zum Erlass eines solchen einseitig regelnden Verwaltungsaktes ermächtigt.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin schloss im Zuge des Neubaus eines zweiten Wohnhauses auf ihrem Grundstück eine Sondervereinbarung mit dem beklagten Abwasserzweckverband ab, die von den Beteiligten als „Vereinbarung zur Erstellung der schmutzwassertechnischen Erschließung – Kostenübernahmeerklärung für Bautätigkeiten“ bezeichnet wurde und deren Wirksamkeit in Streit steht. Darin verpflichtete sich die Klägerin, aufgrund der bereits vorhandenen Erschließung die Baukosten für die Herstellung der neuen Anschlussleitung sowie des Schachtes im öffentlichen Kanalnetz zur Anbindung des Grundstücks im privaten wie im öffentlichen Bereich zu tragen. Nach Abschluss der Arbeiten wurde sie mittels Bescheid, der auf die entsprechenden Bestimmungen der maßgeblichen Entwässerungssatzung (EWS/BGS) i.V.m. der Sondervereinbarung gestützt war, zur vollständigen Zahlung herangezogen.1)
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab, da ein Zweitanschluss hergestellt worden sei, weswegen die Klägerin nicht zum Anschluss berechtigt oder verpflichtet gewesen wäre und der Bescheid in der Sondervereinbarung eine Rechtsgrundlage habe. Der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs im Wege des Bescheides stehe die Sondervereinbarung nicht entgegen, weil durch diese lediglich ein „an sich nicht bestehendes“ Anschlussrecht begründet werde.
Die vom VGH zugelassene Berufung der Klägerin war teilweise erfolgreich. Der Entscheidung entnehmen wir:
1. Der Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes ist nur erlaubt, wenn und soweit eine gesetzliche Grundlage besteht
Dazu stellt der VGH eingangs klar: „Ein Handeln des Beklagten in Form des Erlasses eines (belastenden) Verwaltungsaktes nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist ihm als Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 2 Abs. 3 Satz 1, Art. 17 Abs. 1 KommZG) nur erlaubt, wenn und soweit eine gesetzliche Grundlage besteht (Art. 20 Abs. 3 GG). Art. 1 KAG bestimmt, dass Gemeinden, Landkreise und Bezirke ermächtigt sind, nach diesem Gesetz Abgaben zu erheben, soweit nicht Bundesrecht oder Landesrecht etwas anderes bestimmen. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KAG legt fest, dass die Abgaben aufgrund einer besonderen Abgabesatzung erhoben werden.“
2. Einen Erstattungsanspruch für den Teil des Grundstücksanschlusses, der sich im öffentlichen Straßengrund befindet, sieht Art. 9 KAG gerade nicht vor
Hierzu heißt es in der Entscheidung: „Der Beklagte hat im Rahmen des für das klägerische Grundstück (fort-)bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO i.V.m. § 5 Abs. 1 EWS) eine Umbindung des Entwässerungsanschlusses für das klägerische Grundstück vorgenommen und den bis zum Zeitpunkt der Umbindung bestehenden Anschluss des Grundstücks an seine Entwässerungsanlage stillgelegt. Damit handelt es sich bei der vorgenommenen Maßnahme … nicht um einen Zweitanschluss,[1]
Der Beklagte hat sich vorliegend hinsichtlich der Grundstücksanschlüsse für eine teilweise Kommunal- und teilweise Anliegerregie entschieden, wonach auch die im öffentlichen Straßengrund liegenden Teile der Grundstücksanschlüsse zur Entwässerungseinrichtung gehören. Vgl. hierzu, ferner zur Möglichkeit des Abschlusses von Sondervereinbarungen und zu den verschiedenen Regelungsalternativen im Hinblick auf die Herstellung der Grundstücksanschlüsse ergänzend die Hinweise zu den §§ 1, 7 und 8 des Musters für eine gemeindliche Entwässerungssatzung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 6.3.2012, AllMBl 2012 S. 182. Vgl. hinsichtlich der Kostenerstattungsansprüche zudem die Anmerkungen zu § 8 Abs. 1 des Musters einer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.5.2008, AllMBl 2008 S. 356. sondern (nur) um eine Veränderung des bestehenden Anschlusses.
Hierzu bestimmt Art. 9 Abs. 1 KAG, dass die Gemeinden … bestimmen können, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung des Teils eines Grundstückanschlusses an Versorgungs- und Entwässerungseinrichtungen, der sich nicht im öffentlichen Straßengrund befindet, in der tatsächlichen Höhe oder nach Einheitssätzen (§ 130 BGB) erstattet wird. Dem ist der Beklagte durch den Erlass des § 8 Abs. 1 BGS/EWS nachgekommen. Einen Erstattungsanspruch für den Teil des Grundstücksanschlusses …, der sich im öffentlichen Straßengrund befindet, sieht der Erstattungsanspruch nach Art. 9 KAG gerade nicht vor.
Aus diesem Grund besteht eine gesetzliche Grundlage für den Erlass eines abgaberechtlichen Bescheides nur für den Aufwand für eine Veränderung (Umbindung), der auf dem Grundstück des Anschlusspflichtigen entsteht, Art. 9 Abs. 1 KAG. Im vorliegenden Fall ist ein durch Leistungsbescheid festzusetzender Kostenerstattungsanspruch demnach nur für den Aufwand für die auf dem klägerischen Grundstück durchgeführten Arbeiten entstanden, weil Art. 9 Abs. 1 KAG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 KAG nur für derartige Kostenerstattungsansprüche eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlass eines Leistungsbescheides bereithält … Hinsichtlich des im öffentlichen Straßengrund entstandenen Aufwands fehlt es hingegen an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsakts, weshalb dieser insoweit rechtswidrig und damit aufzuheben ist.
Durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28.12.1992 (GVBl S. 775) wurde Art. 9 Abs. 1 KAG neu gefasst und das Entstehen eines Erstattungsanspruchs auf den Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie für die Unterhaltung des Teils eines Grundstückanschlusses …, der sich nicht im öffentlichen Straßengrund befindet, beschränkt. Die Bedeutung der Neufassung liegt darin, dass der Teil des Grundstücksanschlusses, der im öffentlichen Straßengrund liegt, stets zur öffentlichen Einrichtung gehört und ein hierfür entstehender Aufwand … über Beiträge und/oder Gebühren geltend zu machen ist (Bayerischer Landtag, Drs. 12/8082 Seite 9 a.E.; vgl. KAG in der Fassung vom 4.2.1977 [GVBl S. 82] und Art. 19 Abs. 3 KAG).“[2]
3. Eine Kostenübernahmevereinbarung ermächtigt nicht zum Erlass eines einseitig regelnden Verwaltungsaktes
Schließlich wird in dem Urteil ausgeführt: „§ 8 Abs. 2 Satz 4 der EWS/BGS[3] ermächtigt den Beklagten jedenfalls nicht – auch nicht bei Bestehen einer getroffenen Sondervereinbarung – zum Erlass eines stücksanschlusses im öffentlichen Straßengrund entstanden ist, weil die Bestimmung insoweit nicht von Art. 9 Abs. 1 KAG gedeckt ist (vgl. auch § 8 Abs. 1 der EWS) und eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht besteht.
Die Kostenübernahmevereinbarung ermächtigt nicht zum Erlass eines einseitig regelnden Verwaltungsaktes. Die Frage, ob eine Vereinbarung zur Kostenübernahme durch die Klägerin wirksam zustande gekommen ist und ob auf dieser Grundlage ein Anspruch des Beklagten auf Erstattung seines Aufwands für die im öffentlichen Straßengrund durchgeführten Arbeiten entstanden und durchsetzbar ist, bedarf keiner Entscheidung, weil Prüfungsgegenstand dieses Berufungsverfahrens allein die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides … ist.“
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 17.11.2022 – 20 B 21.1387
Hingewiesen sei auf das im Richard Boorberg Verlag erschienene 3-bändige Loseblattwerk „Leitsatzsammlung zum bayerischen Kommunalabgabenrecht“ von Bedane/Apfelbeck. Nähere Informationen unter www.boorberg.de
Entnommen aus der Gemeindekasse Bayern 11/2023, Rn. 97.
[1] Der Beklagte hat sich vorliegend hinsichtlich der Grundstücksanschlüsse für eine teilweise Kommunal- und teilweise Anliegerregie entschieden, wonach auch die im öffentlichen Straßengrund liegenden Teile der Grundstücksanschlüsse zur Entwässerungseinrichtung gehören. Vgl. hierzu, ferner zur Möglichkeit des Abschlusses von Sondervereinbarungen und zu den verschiedenen Regelungsalternativen im Hinblick auf die Herstellung der Grundstücksanschlüsse ergänzend die Hinweise zu den §§ 1, 7 und 8 des Musters für eine gemeindliche Entwässerungssatzung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 6.3.2012, AllMBl 2012 S. 182. Vgl. hinsichtlich der Kostenerstattungsansprüche zudem die Anmerkungen zu § 8 Abs. 1 des Musters einer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.5.2008, AllMBl 2008 S. 356.
[2] Vgl. ergänzend Art. 9 Abs. 5 KAG
[3] Gemeint ist wohl § 8 Abs. 2 Satz 4 der maßgeblichen EWS des Beklagten. Darin heißt es: „Soll der Grundstücksanschluss auf Wunsch des Grundstückseigentümers nachträglich geändert werden, so kann der Abwasserverband verlangen, dass die Kostentragung vorher in einer gesonderten Vereinbarung geregelt wird.“